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Vom Sachbuch über Romane bis zur Kinder- und Jugendliteratur

Bücher aus und über die Ukraine

Die Menschen zeigen sich solidarisch mit der Ukraine. © Mathias P.R. Reding von Pexels

Während wir das Editorial zu unserem Bücher-Newsletter schreiben, eskaliert der Kampf um die Ukraine. Seit Wochen vernichtet Putin durch einen brutalen Angriffskrieg die Ukraine, seit Wochen fliehen Millionen Menschen aus ihrer Heimat. Viele Menschen, besonders Kinder, sind unsicher über die Umstände des Kriegszustandes. Aber auch Erwachsene stellen sich die Frage, was eigentlich genau los ist und wie es so weit kommen konnte. Aus diesem Grund liefern wir hilfreiche Buchtipps rund um die aktuelle Thematik, um euch bei der Aufklärung zu unterstützen.

Wir sprachen mit dem Leipziger Autor Dmitrij Kapitelman, der 2015 mit seinen Eltern als jüdischer „Kontingentflüchtling“ voller Hoffnungen von Kiew nach Leipzig floh. In unserem Interview erklärt Kapitelman, wie ihn die Solidarität von Autoren, Kunstschaffenden und Kulturinstitutionen in diesen Tagen bewegt: „Es gibt mir Hoffnung. Es zeigt, dass so viele Menschen ein gutes Herz haben. Dann deprimiert es mich wieder, dass wir ständig in irgendwelchen Kriegen und Katastrophen stecken – wenn doch die meisten Menschen anständig sind und schlicht friedlich leben wollen. Wieso kommen wir dann nicht voran? Wie kann es sein, dass immer wieder ein psychischer Egomane einen Krieg befiehlt und alles mit dem Arsch einreißt?“

In Eine Formalie in Kiew schildert der Autor die Schwierigkeiten, mit denen sein Protagonist Dmitrij zu kämpfen hat, als er einen deutschen Pass beantragt. Es ist ein berührend-schmerzhafter Roman über eine Familie, die nirgendwo zu Hause ist und die an ihrer Sprachlosigkeit fast zerbricht. Es ist aber auch eine hinreißende Liebeserklärung an die Eltern - in einem ganz eigenen Sound mit vielen russischen Einsprengseln und übermütigen, neuen Wortschöpfungen.

Krieg, Gewalt und Flucht ist in Familien mit Kindern ein großes Thema. Die aktuellen Nachrichten sorgen für einen großen Gesprächsbedarf. Wie kann man jungen Menschen erklären, was man selbst nicht fassen kann? Wir möchten deshalb Bücher für Kinder und Jugendliche von 5 bis 14 Jahren vorstellen, die die großen Fragen dieser Zeit altersgerecht erklären und die dabei helfen, gemeinsam Ins Gespräch zu kommen.

„Erzähl uns, warum unsere Stadt in Flammen steht
Sag uns, dass es nicht gegen die Menschen geht.
Sag uns dass die Täter ihrer Strafe nicht entgehen,
Sag uns was anderes als wir in den Nachrichten sehen.“

Diese Zeilen des ukrainischen Dichters, Schriftstellers und Musikers Serhij Zhadan aus dem Zyklus „Marienleben“ entstand 2016. Wer verstehen will, wie Kriege die ukrainische Gesellschaft und das Schreiben der Dichter prägten, muss Zhadans Gedichte lesen. Wir empfehlen Ihnen sechs ausgewählte Lyrikbände.

In Putins imperialem Denken kommt eine eigenständige Ukraine mit einer eigenen Kultur nicht vor. Dass Putin auch hier irrt, belegen diese Bücher. Sie helfen, die Menschen und den Krieg in der Ukraine besser zu verstehen: Unser Kurzportrait befasst sich mit Swetlana Alexijewitsch. Die in der Westukraine geborene, weißrussische Journalistin und Schriftstellerin erhielt 2015 den Literaturnobelpreis für ihre Dokumentarprosa - kunstvoll verdichtete Collagen aus Interviews, Stimmen derjenigen, die offiziell nicht gehört werden wie Mütter und Frauen gefallener Afghanistan-Soldaten.

Wir erinnern uns an Gert Ledig. Der vor über 60 Jahren in Leipzig geborene Autor führte mit „Die Stalinorgel" und „Vergeltung" der jungen Bundesrepublik die Schrecken des Krieges vor Augen. Beide Romane lesen sich in diesen Tagen beklemmend aktuell. Die Geschichtssachen stellen drei Klassiker aus der multiethnischen und multireligiösen Geschichte der Ukraine vor: Josef Roths „Reisen in die Ukraine und nach Russland“ sind herausragende Reisereportagen aus dem Jahr 1926, Bruno Schulz erzählt in „Zimtläden“ phantastische Geschichten aus der Welt eines galizischen Schtetls und Martin Pollack schreibt in „Galizien“ über seine Reisen durch die verschwundene Welt Ostgaliziens und der Bukowina.

Putins Krieg ist auch ein Informations- und Propagandakrieg. In diesem Kampf ist das Lesen eine oft unterschätzte Waffe. Lest die Romane von ukrainischen Autorinnen und Autoren und setzt euch mit den Erlebnissen, Erfahrungen, Gedanken und Perspektiven von Swetlana Alexijewitsch, Tanja Maljartschuk, Serhij Zhadan, Katja Petrowskaja, Dmitrij Kapitelman, Juri Andruchowytsch, Natascha Wodin, Oksana Sabuschko, Andrej Kurkow, Oleg Senzow, Oleksij Tschupa und Jurij Wynnytschuk auseinander. Catherine Belton, ehemalige Moskaukorrespondentin der Financial Times, sprach mit zahlreichen ehemaligen Kreml-Insidern. Ihr Buch „Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste“ liest sich wie ein Agententhriller.

Jedes Jahr zeichnet der Leipziger Buchpreis für europäische Verständigung wichtige Sachbücher aus. Viele behandeln Osteuropa, die postsowjetische Politik und die deutsche Ostpolitik. Einige der „ausgezeichneten“ Autoren findet ihr auf unserer Sachbuchliste: Karl Schlögel, Ivan Krastev, Thomas Urban, Timothy Snyder, Masha Gessen, Philip Ther, Andreas Kappeler, Anne Applebaum, Lutz C. Klevemann, Frank Umbach und Kerstin Schoor. Oft erklären sie wissenschaftliche Zusammenhänge, fast immer handeln sie von Macht und Ohnmacht, Angst und Hoffnung und von der Sehnsucht nach Freiheit Gleichheit und Gerechtigkeit.

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