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Lisa Billing im Interview

Radikale Selbstverantwortung

Die Leipzigerin Lisa Billing hat ein Buch geschrieben: über Eigenverantwortung und über Lebenseinschnitte, die – reflektiert bearbeitet und ausgelebt – zu neuen Wegen führen können. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit ihr darüber.

Die Leipzigerin Lisa Billing mit ihrem Buch © Rick Urbanski

Lisa Billing, du hast gerade dein erstes eigenes Buch „Wie ich das Unwahrscheinliche schaffte … indem ich anfing, Verantwortung zu übernehmen.“ in die Welt gebracht. Warum eigentlich? Du könntest doch auch Model sein oder Spargelschälweltmeisterin oder DJane. Warum hast du dieses Buch geschrieben?

Schreiben hat für mich zwei wertvolle Funktionen. Erstens, ich bringe Klarheit und Struktur in meine Gedanken und erkenne dadurch Zusammenhänge besser. Zweitens, die Erfahrungen, die ich bisher sammeln konnte, mache ich so für andere Menschen zugänglich. Diese beiden Aspekte haben sich in diesem Jahr verbunden. In den ruhigen Monaten durch Corona hatte ich wahnsinnig viel Zeit, meine Entwicklung der letzten Jahre zu reflektieren. Das Buch war dann eine logische Konsequenz – das dann zu einem absoluten Herzensprojekt geworden ist.

Und dann hast du es auch selber herausgebracht – Selfpublishing wie man heute sagt. Ist das die neue Freiheit?

Das Selfpublishing ermöglichte mir, mein erstes Buch genauso umzusetzen, wie die Idee herangereift ist. Es gibt Menschen, die in Bildern denken. Und genauso war es mit meinem Buch. Als die Idee geboren war, wusste ich innerhalb weniger Stunden ganz genau, wie es aufgebaut sein soll. Ziemlich schnell hatte ich dann auch die Idee für mein Buchcover. Von meiner Vorstellung wollte ich unter keinen Umständen abrücken, weil das Buch so viel Persönliches von mir enthält. Da hätte sich ein Verlag an der einen oder anderen Stelle auch in den Weg stellen können.

Ein weiterer Aspekt war, dass ich das Buch noch dieses Jahr veröffentlichen wollte. Die Suche nach einem Verlag hätte höchstwahrscheinlich wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen. Als „neue Freiheit“ würde ich Selfpublishing unter diesen Aspekten schon bezeichnen. Von Verpflichtungen, die damit einhergehen, wie zum Beispiel Marketing, ist allerdings kein Selfpublisher befreit.

Im Buch geht es, so ist es ja auch schon aus dem Titel ersichtlich, um Eigenverantwortung. Mir scheint es, dass diese so gern beschworene Eigenverantwortung eine fast unstürmbare Burg für so viele Menschen ist. Wie ist da deine Herangehensweise? Worum geht es konkret im Buch?

In meinem Buch nenne ich sie radikale Selbstverantwortung. Ich habe in meinem Leben sehr viele Menschen – lange Zeit auch mich – dabei beobachten dürfen, dass sie das Schicksal, andere Personen, die Vergangenheit, die Politik, den Chef, oder, oder, oder… dafür verantwortlich machen, dass es in ihrem Leben nicht so gut läuft. Egal ob es das Gehalt, die aktuellen Emotionen oder die grundsätzliche Zufriedenheit betrifft. Ich habe recht schnell realisieren dürfen, dass das verbindende Element aller Umstände und Emotionen in meinem Leben einzig und allein ich bin. Simpel – und dennoch hat das bei mir alles auf den Kopf gestellt. Denn: wenn ich verantwortlich bin für das, was gerade ist, dann liegt es auch in meiner Hand, alles so zu gestalten, wie ich es wirklich haben möchte.

Ich ging dann der Frage nach, ob es auch in meiner Hand liegt, meine Depression zu bezwingen. Die Antwort ist eindeutig ja. In meinem Buch zeige ich, wie jeder den inneren Fokus mehr auf das Positive und auf die Chancen legen kann, statt auf das Negative und auf Probleme. Dabei helfen zum Beispiel Achtsamkeitsübungen, Meditation und eine tiefgehende Persönlichkeitsanalyse.

Du sagst auch, dass du nicht missionieren möchtest, dass du von dir erzählst, von deinen Erfahrungen mit Depressionen und Verlusten, Schicksalsschlägen. Wie tief kann man blicken lassen, ohne sich nackt und eben auch angreifbar zu machen?

Wer tief blicken lässt, macht sich in meinen Augen unumgänglich nackt. Dennoch gibt es da auch eine Menge Spielraum – das ist die Konkretisierung. Ich erzähle in meinem Buch ziemlich offen und ehrlich über meine Depression, die ich 2013 hatte. Meine damaligen Gedanken und Gefühle beschreibe ich sehr detailliert. Die Faktoren, die dazu geführt haben, empfinde ich als zu privat. Deshalb bleibe ich da knapp unter der Oberfläche. Das hat auch den Grund, dass ich die Privatsphäre anderer Menschen schützen möchte.

Für alles, was ich schreibe, fühle ich mich übrigens nicht mehr angreifbar. Denn es sind Erlebnisse und Erfahrungen, die ich gänzlich verarbeitet habe. Ich habe meinen Frieden mit ihnen gefunden. Deshalb ist es für mich nicht gefährlich, davon zu erzählen.

Bist du vollständig freie Autorin? Oder arbeitest du auch anderswo?

Nein, ich bin nicht ausschließlich Autorin. Ich arbeite in Teilzeit für ein Online-Unternehmen, das minimalistische Küchenutensilien verkauft. Dort bin ich für die Markenentwicklung zuständig. Da entwerfe ich zum Beispiel neue Produktdesigns, kümmere mich um Kooperationen mit anderen Unternehmen und Social Media.

Welche Vertriebswege nutzt du und wer ist denn überhaupt dein Zielpublikum?

Aktuell verkaufe ich mein Buch ausschließlich über Amazon. Dort ist es als Taschenbuch und Kindle Hörbuch verfügbar. Mein Zielpublikum sind Menschen, die ihr Leben endlich erfüllend gestalten wollen. Also alle, die Ängste, Unsicherheiten und Zweifel beseitigen und eine klare Vision, ja sogar ein Lebensziel ausformulieren wollen.

Besonders am Herzen liegen mir die Menschen, die schon gefühlt seit Ewigkeiten persönlich wachsen wollen und an den immer gleichen Problemen und Hindernissen hängen bleiben, wo Therapien, Coachings und Bücher gescheitert sind – aber nicht verstehen, wieso. In meinen Augen ist vor allem an Selfhelp-Büchern problematisch, dass sie keine klare Anleitung geben, was Schritt für Schritt zu tun ist und keine authentischen Berichte über einen Entwicklungsprozess liefern. Deshalb habe ich mein Buch in sinnvolle Kapitel gegliedert und stelle klare, eindeutige Reflexionsfragen. Immer angereichert mit meinen persönlichen Erfahrungen, die auch Zweifel, Anstrengung und Frustration umfassen. Denn all das gehört dazu. Ich bin kein Fan von geschönten Erfolgsgeschichten.

Ich weiß ja, dass du auch andere Kunstformen bespielst – dass du zum Beispiel malst. Kannst du uns davon bitte noch etwas erzählen?

Sehr gern! Ich beschäftige mich seit ungefähr zehn Jahren unter dem Pseudonym Regungsart mit Acrylmalerei. Die Kunst ist für mich das ideale Mittel, um meinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Alles was intensiv ist – große Freude, Trauer, Enttäuschung – verarbeite ich gern in starken Kontrasten und auf riesigen Leinwänden. Da kann ich wunderbar loslassen.

Und wie geht es weiter mit der Autorin Lisa Billing?

Mich bewegen einige spannende Themen! Zum Beispiel wie ich anderen Menschen noch besser helfen kann, mit ihrer Vergangenheit, insbesondere ihrer Kindheit, Frieden zu schließen. Oder Minimalismus und wie (Nicht-)Besitz unsere Persönlichkeit beeinflusst. Ich sag mal so: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich darüber unbedingt schreiben möchte.

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