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  • Interviews
Gespräch mit dem Berater und Fotografen Corwin von Kuhwede

Probieren. Scheitern. Aufstehen!

Das Faszinierende am Älterwerden ist, dass man auch die Veränderungen und Entwicklungen liebgewordener Menschen miterfahren darf. Dies zertrümmert etwas das ewigjugendliche Dogma vom zementierten Gegensatz von Gut & Böse. Menschen sind vielfältig und diese Vielfalt ist eben weit interessanter als die aus Vorverurteilungen gespeiste Ausgrenzung Anderer. Ahoi-Redakteur Volly Tanner traf Corwin von Kuhwede in seiner Mittagspause und freute sich diebisch, schließlich kennen sich die Beiden schon recht lange. Und es entspann sich ein Gespräch. Über Fotografie, das Beraten von Menschen, Cryptokunst und das Ende der Fahnenstange.

Corwin von Kuhwede, mal vor der Kamera © Christian Modla

Ahoi: Guten Tag, lieber Corwin von Kuhwede, schön, dass wir uns gerade auf dem Wagner-Platz treffen. Du giltst als einer der professionellsten und sensibelsten Portraitfotografen unserer Stadt. Ich weiß aber, dass selbst Du Dich an anderen Fotografen orientierst. Zu welchen Fotografen schaust Du auf?

Corwin von Kuhwede: Lieber Volly. Schön, Dich wiederzusehen nach der langen Pause. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit vor 2010, als wir uns regelmäßig auf Leipziger Lesebühnen trafen. Viel hat sich seither verändert, Leipzig hat sich verändert, die Kunstszene, so auch ich. Auf der Betrachterebene interessiere ich mich inzwischen weniger für Fotografie. Auch das Künstlerische ist weiter in den Hintergrund getreten.

Von 2020 bis 2022 habe ich nur drei freie Projekte fotografiert. Diese setzen sich mit den Ereignissen der Corona-Zeit auseinander. Mehr kam von mir nicht. Ich konzentriere mich aktuell sehr auf den Dienst an meinen Kunden. Ich porträtiere Unternehmer, Vorstände, Künstler und private Menschen und habe daran viel Freude. In den ersten zehn Jahren meiner Fotografie habe ich mich selbst verwirklicht, da gab es viel, was raus wollte. Nun habe ich den Eindruck, es ist alles in mir transformiert, wozu die Fotografie beitragen konnte. Jetzt möchte ich Menschen mehr dienen. So wie es auch im Wort Dienstleister enthalten ist. Die Fotos sollen jetzt mehr für die Menschen sein, als für mich.

 

Ahoi: Ich mag Deine Art, Geschichten in Bildern zu erzählen. Hast Du Dich autodidaktisch geschult? Oder gab es da ein Studium oder so etwas? Ich sehe ja immer nur Deine Bilder … und nicht den Weg dahin. Erzähl uns doch ein bisschen etwas davon.

Corwin von Kuhwede: Ich bin Autodidakt und kam nur zur Fotografie, weil ich damals Webseiten programmiert habe und Fotos brauchte. Mein Weg war bestimmt durch Probieren - Scheitern - Aufstehen. Relativ am Anfang habe ich mich sogar einmal bei der HGB für das Fotografie-Studium beworben. Doch ich wurde nicht angenommen, weil meine Arbeit nicht den Vorstellungen entsprach. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich meinen eigenen Weg gehen konnte.

 

Ahoi: Deine Bilder sind kaufbar – über Dein Archiv, über Kunstgalerien und: über Cryptokunst. Was ist denn Cryptokunst? Das klingt recht futuristisch. Was ist das denn?

Corwin von Kuhwede: Cryptokunst ist vielleicht eine kleine Revolution im Kunstmarkt. Denn erstmalig ist es möglich, ein digitales Unikat zu erwerben. Das löst die Herausforderung, die der Kunstmarkt seit der Digitalisierung hat: die Echtheit eines digitalen Werkes zu belegen und es somit exklusiv zu veräußern. Die Antwort bietet die Blockchain-Technologie mit den sogenannten NFT's (non fungible token = nicht veränderbare/austauschbare Wertmarke). Das sind digitale Kunstwerke aller Art. Fotos, Grafiken, Videos, GiIF's.

Wer meint, das sei ein kurzfristiger Hype, der muss wissen, dass der Umsatz mit NFT's im Jahr 2018 bei 1,3 Millionen Dollar lag, 2019 waren es bereits 8,6 Millionen Dollar, im Jahr 2020 kletterte der Umsatz auf 85,6 Millionen Dollar, im Jahr 2021 waren es unglaubliche 19,4 Milliarden Dollar. Einzelne Werke erzielen bereits Umsätze von mehreren Millionen Dollar. Man darf diese Entwicklung also durchaus ernst nehmen und die ersten Zweifler sind langsam still geworden.

Eines ist vor allem für Künstler interessant und das gab es bisher noch nie. Der Künstler ist automatisch an jedem Weiterverkauf seines Werkes beteiligt. Je nach Plattform sind das zwischen 10-20 %. Mit der Blockchain-Technologie kann es also nicht mehr passieren, dass Kunsthändler Werke bei Künstlern billig einkaufen, sie teuer veräußern und der Künstler leer ausgeht.

Wie der Markt sich entwickeln wird, werden wir sehen. Wie auch im haptischen Kunstmarkt ist natürlich viel Spekulation dabei. Ich habe mich jedoch dazu entschieden, einige meiner Werke als NFT anzubieten, weil ich gern neue Wege beschreite. Auf meiner Webseite finden sich die Links zu den Werken. Da meine NFT's erst seit wenigen Tagen im Angebot sind, gibt es derzeit noch die Möglichkeit, der erste Besitzer eines meiner NFT's überhaupt zu werden. Wie immer kann es nur einen Ersten oder eine Erste geben.

 

Ahoi: Du hast viele Menschen portraitiert. Welche Serien oder Portraits haben Dich denn am Meisten berührt?

Corwin von Kuhwede: In meinem alten Atelier habe ich eine Serie mit dem Titel »Ein Mensch, den ich kannte« fotografiert. In dieser inszenierte ich Menschen in einem Sarg. Die Idee dahinter ist, dass wir Menschen alle irgendwann unseren Körper verlassen, doch dieses Thema in unserer Kultur regelrecht tabuisieren und von uns weisen. Dabei ist der Tod so etwas Natürliches und Beruhigendes. Jedenfalls stelle ich mit diesem Projekt die Frage, was jeder Mensch einmal hinterlassen wird, wenn er geht? Damit meine ich keine materiellen Besitztümer, sondern geistige Werte. Für was leben wir? Warum stehen wir jeden Tag auf? In dieser Serie inszeniere ich Stereotypen, bei denen man sofort auf den ersten Blick meint zu erkennen, was das Leben dieses Menschen ausmachte. Da sehen wir einen Schornsteinfeger, einen Rock'n'Roller, einen Bürokraten und noch zwei sehr ulkige Gestalten.

Die Serie konnte ich mit dem Umzug ins neue Atelier nicht fortführen, weil mir hier der Platz fehlt. Wenn sich jemand findet, bei dem mein Sarg und meine Fototechnik für ein paar Wochen wohnen kann, werde ich gern weiter daran arbeiten.

 

Ahoi: Mittlerweile gibt es Dich auch als Coach. Für Kunstschaffende aber auch für Unternehmen. In welchen Segmenten berätst Du denn da? Und wie machst Du das?

Corwin von Kuhwede: In den 17 Jahren Fotografie habe ich viel gelernt, was über die Fototechnik hinausgeht. Ich habe mich immer mehr für die Menschen interessiert, als für die Fotografie selbst. In der Zeit, in der andere Fotografen ein Buch über Kameras und Fototechniken lasen, nahm ich eines über Persönlichkeitsentwicklung, Psychologie, Körpersprache oder Kommunikation. Ich wollte stets mehr darüber wissen, wie wir Menschen funktionieren und wie ich Menschen besser führen kann.

Das Wissen hilft mir jetzt bei meinem zweiten Standbein, der Beratung. Ich helfe Menschen dabei, ihr eigenes Charisma zu entfalten, mehr Präsenz und Strahlkraft zu entwickeln und ihr Selbstvertrauen zu stärken. Denn all diese Dinge musste ich den Menschen als Fotograf binnen weniger Minuten vermitteln. Nur so konnten die Fotos entstehen, die ich mir vorstellte. Menschen haben mich oft gefragt, wie ich es schaffe, dass die Porträtierten auf meinen Fotos so in sich ruhend und ausdrucksstark wirken. Etwas Menschenkenntnis und gute Führungsqualität sind meine Zutaten.

Immer brauchen wir Menschen eine starke Präsenz, wenn wir andere überzeugen oder führen wollen. Unseren Partner überzeugen wir von unserer Attraktivität, unsere Kinder von unserer Autorität, unseren Chef von unserer Produktivität oder unsere Kunden von unserer Effektivität. Und da erfahrungsgemäß Menschen mit starkem Charisma und einem gesunden Selbstvertrauen weiter im Leben kommen, helfe ich Menschen, dies zu entwickeln.

 

Ahoi: Die Fotografie als Kunstform. Ändert sich da eigentlich etwas? Gibt es Trends, die Du wahrnimmst? Mal weg von Auftrags-Shooting…

Corwin von Kuhwede: Die Fotografie änderte sich in den 17 Jahren, in denen ich fotografiere, stetig. Doch seit 5 Jahren, habe ich den Eindruck, ist sie stehengeblieben. Die Technik ist fast an ihrem Zenit angekommen. Die Kameras können immer noch das Gleiche wie vor 10 Jahren, nur die Pixel sind mehr geworden und die Qualität besser.

Fotografen von heute können daher kaum noch technisch überzeugen, sondern nur noch durch die Geschichte, die sie erzählen. Und da trennt sich die Spreu vom Weizen. Viele Fotografen sind über das Technikinteresse zur Fotografie gekommen, doch haben nicht wirklich etwas zu erzählen. Das ist wie bei einem Schriftsteller. Ein teurer Stift hilft einem Menschen mit kreativem Talent. Doch wenn ein Autor nichts zu erzählen hat, dann bringt ihm auch ein Stift für 10.000 Euro nichts. Nicht die Tinte erzählt die Geschichte, sondern der Geist im Menschen. So ist es auch in der Fotografie.

Die Serie „Ein Mensch, den ich kannte“: 

www.vonkuhwede.de

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