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  • Interviews
Elternhilfe krebskranker Kinder Leipzig e.V.

Gespräch mit Markus Wulftange

Krebs ist ein Arschloch! So viele Menschen leiden und versterben daran und trotzdem wird die Hilfe für Eltern krebskranker Kinder hauptsächlich von Vereinen gestemmt. Das Gesundheitswesen muss auch hier unbedingt nachreguliert werden, ja die Prioritäten in Pflege, Nachpflege und psychologischer wie physiologischer Betreuung müssen dringen geändert werden.

Markus Wultange (Elternhilfe krebskranker Kinder Leipzig e.V.)
Markus Wultange (Elternhilfe krebskranker Kinder Leipzig e.V.), Marco Rose (Trainer Borussia Dortmund), Jesse Marsch (Trainer RB Leipzig) © Elternhilfe krebskranker Kinder Leipzig e.V.

Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit Markus Wulftange von der Elternhilfe krebskranker Kinder Leipzig e.V. über den Verein, das große jährliche Benefizfußballturnier und wer in den Entscheidungsstrukturen endlich einmal seine Arbeit machen sollte:

Ahoi: Guten Tag, lieber Markus Wulftange. Sie sind im Team der Elternhilfe krebskranker Kinder Leipzig e.V. dabei. Am Sonntag, den 05.09.2021 kam es mit ihrer Beteiligung zu einem Benefizturnier (Fußball) für den Verein, bei dem echte Heroen den Ball kickten. Nun weiß ich ja, dass Sie ab 1994 beim VfB Leipzig als Profi zugange waren. Kommen da die Kontakte her? Wie kam es zum Event, wer war alles beteiligt und wie war die Resonanz?

Wulftange: Wir veranstalten u.a. dieses Benefizturnier seit vielen Jahren, um die psychosozialen Projekte der Elternhilfe finanzieren zu können. Es hat seinen Ursprung in meiner eigenen Profizeit. Mit Marco Rose, Torsten Kracht, Jürgen Rische, Torsten Jülich, Ronny Kujat und vielen anderen, die zum Turnier dabei waren, habe ich damals noch zusammengespielt und der Kontakt ist nie abgerissen. Mit ihrer Prominenz haben sie alle dafür gesorgt, dieses hochkarätige Fußballevent in Leipzig zu etablieren, so dass auch dieses Mal die Hütte beim SSV Stötteritz wieder voll war, alle viel Spaß hatten und am Ende gut 23.000 Euro zu Gunsten krebskranker Kinder als Erlös steht.

 

Ahoi: Was macht die Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig e.V. eigentlich mit den erspielten Geldern konkret?

Wulftange: Aus dem Erlös vom Benefizturnier wird das Sportprojekt der Elternhilfe mitfinanziert. Bei diesem Projekt geht es darum, die jungen Patienten bereits während der Intensivtherapie über Bewegungsangebote und motorische Förderung physisch aber auch psychisch zu unterstützen. Sie erfahren dabei, was ihr Körper alles noch kann, machen positive Bewegungserfahrungen, die das Selbstwertgefühl stärken und finden sinnvolle und freudbetonte Beschäftigung im oft öden Klinikalltag.

 

Ahoi: Ich erfuhr bei einem Telefonat mit Ihrer Kollegin Frau Paarmann, dass Ihr Arbeitsspektrum im Verein extrem vielfältig ist. Können Sie uns bitte einen Abriss geben, was der Verein alles so tut?

Wulftange: Die Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig e.V. wurde 1990 von betroffenen Eltern gegründet, deren Kinder selbst die leidvolle Erfahrung einer intensiven und leider nicht immer erfolgreichen onkologischen Therapie gemacht haben. Der Verein sieht sich als Sprachrohr für betroffene Familien und ist für sie oftmals erster Ansprechpartner in der psychosozialen Begleitung. Inzwischen ist die personelle, finanzielle und materielle Unterstützung durch die „Elternhilfe“ von der Krebsstation der Universitätskinderklinik in Leipzig nicht mehr wegzudenken.

Das Sportprojekt, psychologische Begleitung, Musik- und Kunsttherapie und Therapieclowns, die vielen kleinen Events auf der Station, die den jungen Patienten etwas Freude und Kraft geben und nicht zuletzt die Familien- und Einzelberatungen durch die Psycholog*innen der Elternhilfe sind wichtiger Bestandteil einer ganzheitlichen Familienbetreuung auf der Kinderkrebsstation geworden.

Auf Basis aktueller wissenschaftlicher Studien stellen wir uns zudem im Bereich der Nachsorge für die betroffenen Familien der Aufgabe, entsprechende Angebote stabil und nachhaltig zu etablieren. Dies betrifft sowohl die Wiedereingliederung der Kinder in ihren Alltag nach Abschluss der Akutbehandlung, als auch die Verarbeitung möglicher Traumata, die im Zuge der Intensivtherapie erlebt worden sind. Ebenso gibt es umfangreiche Angebote für die Geschwister der Patient*innen.

Zudem besteht ein wichtiges Ziel darin, Kindern in der Palliativversorgung soviel Zeit wie es geht mit ihren Familien und in ihrer privaten Umgebung zu ermöglichen (Schmerzversorgung, Pflege, Sterbebegleitung, etc.). Und natürlich lassen wir die Familien nach Versterben ihres Kindes auch in ihrer Trauer nicht allein.

Darüber hinaus betreuen die psychosozialen Mitarbeiter*innen der Elternhilfe derzeit viele Eltern, die erst nach Abschluss der Intensivtherapie ihres Kindes Kraft und Kapazität haben, sich ihren eigenen Ängsten und Nöten (z.B. Rezidivängste, Panikattacken, Schlafstörungen, etc.) im Zusammenhang mit dem Erlebten zu stellen. Der Bedarf ist immens und niedergelassene Therapeut*innen können diesem häufig nicht gerecht werden.

 

Ahoi: Da sie als Verein ja von Spendern und Sponsoren abhängig sind – meines Wissens staatliche Gelder für Ihre Arbeit nicht zur Verfügung stehen – was unternehmen Sie alles, um an die Mittel heranzukommen?

Wulftange: Die Beratungsstelle des Elternhilfe e.V. bekommt seit vergangenem Jahr eine Förderung über den GKV Spitzenverband. Ansonsten werden tatsächlich alle Kosten beim Verein über Spenden finanziert. Wir veranstalten selber zwei eigene Events (das Benefiz-Fußballturnier im Sommer und das große Benefizkonzert im Gewandhaus Anfang des Jahres). Darüber hinaus unterstützen uns viele Leipziger Unternehmen aber auch Schulklassen, Kindergärten oder Sportvereine über von ihnen organisierte Benefizaktionen. Für einzelne Projekte können wir ab und zu auch Anträge bei Institutionen oder Stiftungen stellen.

 

Ahoi: Wie können unsere Leser Sie unterstützen?

Wulftange: Jeder kann die Arbeit unseres Vereins unterstützen, indem er über diese Arbeit spricht, sich informiert und das eigene Umfeld für dieses Thema sensibilisiert. Wenn sich daraus dann eine Idee für eine Benefizaktion oder ein Charityevent zu Gunsten unseres Vereins ergibt, freuen wir uns natürlich umso mehr. Unterstützung können wir zudem bei unseren eigenen Events gebrauchen. Auf- und Abbau, Kuchen backen, Plakate hängen oder Tombolapreise stiften. All das hilft.

 

Ahoi: Wie sind Sie zum Verein gekommen? Zumeist gibt es ja persönliche Momente, die Menschen zum Engagement bringen?

Wulftange: Ich habe den damaligen Chef der Kinderonkologie am Uniklinikum in Leipzig auf einem Elternabend kennengelernt und wir sind ins Gespräch gekommen. Mit meiner Ausbildung als Diplomsportlehrer und Sozialarbeiter und dem Hintergrund als Profifußballer hat er mich dann gefragt, ob ich mir vorstellen könne, das Thema Sport und Bewegung für die Kinder auch ganz praktisch auf der Station zu etablieren. Ich habe dann das Konzept dafür entwickelt und die Elternhilfe für krebskranke Kinder in Leipzig hat zugestimmt, diese Idee zunächst für ein Jahr zu finanzieren. So kam das ins Rollen, wurde von den Kindern super angenommen und inzwischen bin ich seit 21 Jahren dabei.

 

Ahoi: Sie sind Sporttherapeut. Heißt das, dass Sie in die Kliniken und Reha-Einrichtungen gehen, um dort mit den Kindern Sport zu machen? Oder was machen Sie konkret? Und mit wem warum?

Wulftange: Meine Arbeit als Sporttherapeut verrichte ich ausschließlich auf der Kinderkrebsstation hier am Uniklinikum in Leipzig. Ich gehe auf die Patient*innen zu, baue eine Beziehung auf und motiviere sie zumeist sehr spielerisch, aktiv zu werden, sich trotz schwerer Therapie zu bewegen und nicht nur im Bett zu liegen. Manchmal warten die Kinder aber morgens auch schon auf uns Therapeut*innen, um endlich loslegen zu können. Tischtennis, leichtes Ausdauertraining, Luftballontennis, Bewegungsparcours, Ballspiele und vieles mehr wird dann einfach eingefordert.

 

Ahoi: Was würden Sie sich von der Gesellschaft, von den Menschen, wünschen? Ihre Arbeit betreffend?

Wulftange: Unsere Arbeit findet bei den Menschen, die davon erfahren, große Anerkennung. Die betroffenen Familien sind sowieso unheimlich dankbar für diese Unterstützung. Was ich mir wünschen würde ist, dass diese psychosoziale Unterstützung insbesondere auf der Akutstation nicht abhängig ist von Spendenmitteln. Das ist ein politisches Thema und da fehlt noch die Lobby für Kinder. Aber in einem Land wie Deutschland sollte es möglich sein, betroffenen Familien eine umfassende und alle Beteiligten im Blick habende Betreuung und Begleitung anbieten zu können. Aktuell gelingt das nur über das Engagement von Vereinen wie dem Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig e.V.

Ahoi: Danke für Ihre Antworten, Herr Wulftange.

Elternhilfe krebskranker Kinder e.V.

www.elternhilfe-leipzig.de

 

Spendenkonto der Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig e.V.

Volksbank Leipzig

IBAN DE25 8609 5604 0320 0933 33

BIC GENODEF1LVB

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