//
//
  • Interviews
Interview mit Julia Sontag vom TdjW

„Hauptsache gesund und zusammen“

Im Theater der jungen Welt ist Julia Sontag eine vielbeschäftigte Schauspielerin – aber auch Regisseurin. Hamlet, Peter Pan und vieles mehr steht bei ihr am Programm. Was aber macht die vielfältige junge Frau da genau? Ahoi-Redakteur Volly Tanner hakte nach und ließ Frau Sontag in aller Ruhe ausreden.

Schauspielerin und Regisseurin Julia Sontag auf dem Lindenauer Markt beim Versuch zu flattern © Volly Tanner

HINWEIS: Das Interview wurde Anfang Oktober geführt. In Folge der aktuellen Entwicklungen der Corona-Pandemie und auf Basis der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober, sagt das Theater der Jungen Welt alle Vorstellungstermine bis 30. November ab. Die im Interview erwähnte mobile Kita-Produktion „Frederick“ wird am 21.11. voraussichtlich als digitales Format Premiere feiern. Aktuelle Informationen unter www.tdjw.de.

 

Ahoi: Guten Tag, Julia Sontag – wir trafen uns vor kurzem auf dem Lindenauer Markt und du flattertest mir als Tinkerbell vor der Nase herum. Das war fein, weil es mich an die wundervolle Geschichte der verlorenen Kinder und Peter Pan erinnerte. Peter ist aber derzeit abgespielt im Theater der jungen Welt wie ich hörte und auf eurer Homepage nachlas. Was war aber dann der Anlass für dein Flattern auf dem Lindex? Irgendetwas mit dm, so schien mir. Kannst du uns da bitte etwas erzählen?

Sontag: Genau, die dm-Filiale am Lindenauer Markt hat sich für den deutschlandweiten dm-Spendentag unser Theater und den Förderverein des TDJW ausgesucht und vom Tageserlös wurden 5% gespendet. Das haben wir genutzt, um auch parallel wieder zu sagen: Hej, liebes Publikum, wir sind wieder da, auch wir spielen wieder für euch!

 

Ahoi: Am 21. November feiert das Stück „Frederick“ – als Geschichte geschrieben von Leo Lionnis – Premiere. Und du bist da die Regisseurin. Im Pressetext steht: poetischer und philosophischer Klassiker. Worum geht es denn?

Sontag:  Wir erzählen zwei Geschichten – einmal den Klassiker von Frederick, einer Maus, die das Jahr über auf den ersten Blick nicht wie die anderen Mäuse arbeitet. Alle Mäuse sind mit der Vorratsfindung beschäftigt und immer, wenn sie ihn fragen: „Frederick, was machst du?“ antwortet er „Ich sammle Sonnenstrahlen“ oder „Ich sammle Wörter“. Erst im Winter, der wie jedes Jahr kalt, grau und langweilig wird, bemerken die anderen Mäuse, dass auch seine Vorräte etwas Besonderes sind und zum Leben dazuzählen. Ich denke, jeder hat dies spätestens im Lockdown gemerkt. Hätten wir dort keine Serien, Dokumentationen oder Musik gehabt, ich weiß nicht wie es uns sonst ergangen wäre. Auch ist es eben eine Geschichte davon, dass jeder, manchmal auch erst auf den zweiten Blick, eine Begabung hat.

Und dann erzählen wir die Geschichte von „Alexander und die Aufziehmaus“, auch von Lionni, in der es um eine ungleiche Freundschaft geht und dass alles im Leben immer zwei Seiten hat. Alexander, eine Maus wie wir sie kennen, wird immer verjagt. Wenn er irgendwo aufkreuzt schreien immer alle und haben Angst. Er trifft auf Willie, die Aufziehmaus und das liebste Spielzeug von Anne. Willie wird im Gegensatz zu Alexander geliebt, darf im weichen Bettchen schlafen und alle wollen mit ihm spielen. Beide freunden sich an und Alexander denkt, er wäre lieber eine Aufziehmaus. Wie es ausgeht verrate ich nicht, aber es gibt eine unerwartete Wendung.

 

Ahoi: Ich stelle mir richtige Regie unwahrscheinlich anstrengend vor. Meine eigene Erfahrung damit war ja die, dass ich bei meinem Stück „Nie wieder in die Stille zurück“ – damals für das Lofft – schlussendlich alle Rollen (bis auf den Sidekick) selber spielte, weil mir das Kuddelmuddel mit den Schauspieleregos etwas auf den Nerv ging. Wie ist da deine Arbeitsweise? Frederick ist ja auch schon deine dritte Regiearbeit ….

Sontag: Oh weh, das tut mir leid, da muss ich gerade sehr lachen. Na, selber bin ich ja diplomierte Schauspielerin und würde sagen, ich kenne meine Kollegen-Typen sehr gut und schätze die verschiedenen Qualitäten jedes einzelnen. Mit Clara Fritsche habe ich hier am Haus eine wunderbare und sehr spielfreudige Kollegin, der ich stundenlang zuschauen darf. Das ist ein großes Geschenk.

Natürlich kommt man immer mal an Grenzen, auch seine eigenen, die der Spieler oder auch des Stoffes ... da heißt es dann: zusammenhalten und umdenken; so versuche ich das zumindest immer. Selber bin ich als Regisseurin auf jeden Fall geduldiger, als wenn ich spiele und als Schauspielerin agiere. Das ist eine Sache, die mir selber erst nach meinem Seitenwechsel aufgefallen ist. 

Ahoi: Und als Schauspielerin? Wo dürfen wir dich denn da sehen?

Sontag:  Aktuell stehe ich als Gertrud in „Hamlet" auf der Bühne. Die anderen Stücke liegen gerade noch auf Eis, da sich die Coronabestimmungen nicht mit den Inszenierungen vereinbaren lassen. Aber ich hoffe, dass wir da noch weitere Lösungen finden und bald auch noch mehr Stücke „wiederbeleben" können.

 

Ahoi: Für die Spielzeit 2020/2021 gibt es ein sehr schön gestaltetes Programmbuch – und da sieht man dich beim Stück „Und morgen streiken die Wale“ wie du mit dem Zeigefinger auf deine Armbanduhr verweist, drängend blickend. Was ist dies denn für ein Stück?

Sontag: Was und wie es wird, kann ich noch nicht sagen. Die Proben mit der sehr sympathischen Johanna Zielinski beginnen erst nach meiner Premiere von „Frederick", Ende November. Aber die Vorstellung der Konzeption klang sehr spannend und ich freue mich auf ein Monologstück mit Musiker an meiner Seite. Das wird auch für mich eine Premiere. Zwei-Personen-Stücke hatte ich schon, aber ein Stück ganz alleine, da muss ich erst in meinem 12. Berufsjahr sein, um da einen Haken zu setzen.

Allgemein geht es um eine „Coming out of age“-Geschichte, zusammen mit Umwelt- und Tierschutz. Eine junge Frau, die sich das erste Mal einbringt und mit einer Entscheidung ihr Leben beeinflusst. Die Figur ist zirka 16 Jahre alt. Das ist also eine Herausforderung in dieser Spielzeit, von Teenager bis zur Mutter von Hamlet ist alles dabei.

 

Ahoi: Dein Weg nach Leipzig – und damit auch seit 2016/17 als Ensemblemitglied am TdjW – hatte seinen Anfangspunkt in Krefeld. Hier wurde ja auch Ralf Hütter von Kraftwerk geboren, „M. Walking on the Water“ kommen aus Krefeld, die Damen des Hülser Sportvereins aus Krefeld spielen im Rollhockey in der ersten Bundesliga – also ein feiner Ort. Hast du noch Kontakt zur alten Heimat? Wie ist es, wenn du als Jetzt-Leipzigerin dorthin kommst?

Sontag: Natürlich, meine Eltern wohnen ja nach wie vor dort und einige meiner Freunde sind immer noch im Raum Düsseldorf und Köln angesiedelt. Für mich ist Krefeld und das Rheinland nach wie vor Heimat und ich freue mich immer, wenn ich dorthin reise. Aber Leipzig fühlt sich seit geraumer Zeit auch gut nach „zu Hause" an.

 

Ahoi: Kannst du uns ein bisschen etwas über die Stationen nach Krefeld und vor Leipzig erzählen?

Sontag: Ich würde sagen, ich habe eine lebendige Künstlervita mit einigen Hochs aber auch dem einen oder anderen Tief. Ich habe in München an der großartigen Bayrischen Theaterakademie August Everding/HMT München studieren können. War danach als Gast in Saarbrücken, Paderborn, Stuttgart, München unterwegs. Bin dann 2011 nach Halle ans Thalia Theater gewechselt. Habe dort eine wunderbare Zeit verlebt, allerdings auch eine Schließung eines Theaters, was mich nachhaltig beschäftigt hat. Dann habe ich 2013 in der Vorabendserie „Verbotene Liebe" auch das TV-Geschäft, mit all seinem Prunk und Glanz, aber auch mit den Fallstricken kennengelernt und weiterhin immer wieder Theater gespielt u.a. in Zürich, Berlin, Kaiserslautern.

2016 kam ich nach Leipzig und dachte, dass es auch eher eine Zwei-Jahre-Station wird, aber dem war nicht so und ich bin unsagbar glücklich über diese Fügung und das Vertrauen, welches mir hier seit Jahren als Künstlerin entgegengebracht wird.

 

Ahoi: Nun ist ja Meister Zielinski nicht mehr der Chef am TdjW. Hat sich die Arbeitsweise unter der neuen Chefin Winnie Karnofka sehr verändert? Sie hat ja schon längere Zeit am Haus mitgestaltet – also kanntet ihr euch schon – aber der persönliche Stil ist ja auch immer wichtig.

Sontag: Jürgen Zielinski und ich haben ein paar Arbeiten zusammen gemacht und ich hoffe z.B. sehr, dass wir das Stück „Was das Nashorn sah als es auf die andere Seite des Zauns schaute..." bald wieder spielen können, das mag ich nämlich nach wie vor sehr. Auch bin ich ihm sehr dankbar, dass er mir überhaupt erst den Wechsel auf die Regieseite an seinem Haus ermöglicht hat. Winnie und ich haben auch so manch hitzige und lustige Produktion erlebt und als es im Raum stand, gehen oder bleiben, wussten wir beide, glaube ich, sehr unsere gegenseitigen Stärken zu schätzen und wie wir sie mit der größten Wertschätzung in die gemeinsame Weiterarbeit einbringen können. Und dass dies auch mit der Regiearbeit unter ihrer Intendanz weitergeführt wird, macht mich sehr glücklich.

Ich freue mich aber auch über unsere neuen Kolleginnen und Kollegen am Haus, die dann doch immer neue Impulse mitbringen und auf alles was da noch kommt und passiert. Hauptsache gesund und zusammen – das wäre mein Motto für den Start und die nächsten Monate.

 

Ahoi: Und Film? Da war doch mal ein Film namens „Klopf, Klopf“, der an der Tür zum weltweiten Erfolg recht eindrucksvoll anklopfte. Was war das denn? Unsere Leser sind ja immer so neugierig.

Sontag: Der Film war im Rahmen eines Kurzfilmfestivals, das innerhalb des Berlinale-Zeitraums stattfand, am Klopfen und für mich ein toller Versuch, damals selber etwas auszuspinnen. Selber Filme machen ist auch nach wie vor nicht ganz von meiner Liste, genauso wie ich ab und zu als Schauspielerin noch vor der Kamera stehe. Ich finde beide Medien spannend und beides hat seine völlige Berechtigung, mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen im Künstlerischen wie im „damit leben".

Ich bin selber gespannt, was die nächsten Jahre so bringen. Normalerweise war ich bis vor wenigen Jahren eine unglaublich getaktete und durchgeplante Persönlichkeit. Jetzt habe ich nur drei verschiedene Pläne im Kopf und empfinde es als wenig.

 

Ahoi: Gibt es weitere Pläne, auch außerhalb des TDJW-Universums?

Sontag: Aktuell bin ich schon sehr mit „Frederick" und den Proben beschäftigt, aber wie gesagt, ich habe gerne mehrere Ideen und Pläne, die ziehe ich jedoch erst, wenn es soweit ist. Ansonsten schaffe ich das mit dem „Im Jetzt leben" in diesem Leben gar nicht mehr.

 

Ahoi: Was Menschen immer auch sehr interessiert, ist das Familiäre. Wie sieht es denn da bei dir aus?

Sontag: Haha, na da gebe ich so direkt keine Details zu, aber man kann gewiss sein: Ich bin oft sehr, sehr glücklich über und mit meinem Leben.

 

Ahoi: Dann wünsche ich dir weiterhin viel Freude auf deinen Wegen und weiterhin auch Stärke beim Freude vermitteln. Danke für deine Zeit.

Theater der Jungen Welt: www.tdjw.de

« zurück
zur aktuellen Ausgabe