Endlich ist das zweite Album der Leipziger KARO NERO auf der Welt. Starke Songs von starken Männern, die diesem Planeten Rückhalt geben, wenn die Winde zu stark wehen. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit Gunter Schwarz, der der Kapelle vorsteht. Und singt:
Ahoi: Guten Tag, Gunter Schwarz. Deine Band KARO NERO feiert am 15. September Record Release im Horns Erben mit dem Zweitling „Zugvögel und Korallen“. Ich freue mich. Das Album kommt bei RAR / motor entertainment heraus. Wie seid Ihr denn dort hingekommen?
Gunter Schwarz: Wir haben dort bereits unser Debütalbum „Schwerter aus Papier“ veröffentlicht – ausgerechnet im Corona-Sommer 2020. Das war natürlich perfektes Timing. Die Zusammenarbeit mit Motor kam vor allem zustande, weil das Label in unserer Jugend Lieblings-Bands wie Element of Crime und Selig betreute. Mittlerweile bieten sie ihre Leistungen für selbständige Künstler:innen an. Wir hoffen nach wie vor, von ihrer Erfahrung und Vernetzung in der Branche zu profitieren.
Ahoi: Die Texte Eurer Songs sind äußerst filigran und interpretationsoffen. Gerade „Katapult“ hat viele Ebenen. Wer von Euch baut wie und wodurch an den Texten? Wie läuft das ab?
Gunter Schwarz: Die Liedtexte und auch das musikalische Grundgerüst der Songs kommen von mir. Meist entsteht beides gleichzeitig zur akustischen Gitarre. Das Wichtigste ist für mich dabei das Finden einer guten Grundidee, eines Themas, einer Geschichte. Verse, Reime, Metaphern und Worte ergeben sich dann meist ganz natürlich. In einem Fall wie „Katapult“ gehört auch Recherche dazu. Schließlich bin ich glücklicherweise selbst noch nie aus einem Kriegsgebiet geflohen, musste mir die Perspektive der Protagonisten also erarbeiten.
Ahoi: Neben dem Songwriter-Rock liebäugelt ihr auch mit fetten Blueslinien. Dazu gibt es sogar fetzige Punkströme, Ska und andere Anleihen. Das bedeutet in der Regel, dass viele Einflüsse die Band formen. Kannst Du uns Deine Mitarbeiterschar ein bissel vorstellen und auch woher diese musikalisch kommen?
Gunter Schwarz: Vorweg sei gesagt, dass ich selbst einen ziemlich eklektischen Musikgeschmack habe. So findet man schon im ganz frühen Demo-Stadium einen munteren Stilmix von Songwriter über Folk und Americana bis zu Blues und sogar Funk. Zu unserer musikalischen DNA gehören weiterhin Einflüsse aus der jahrzehntelangen Erfahrung der Profi-Kollegen Peter Hirsch (Keyboards), Per Winker (Drums) und André Heyer (Bass). Die spiel(t)en unter anderem schon in den Bands von Gentleman und Messer Banzani (Reggae), hiesigen Blues-Bands wie „Peter’s Deal“ oder im Bereich Afro-Cuban Music.
Ahoi: Zwischen dem 11. und dem 24. September geht es durch 14 Stationen Mitteldeutschlands auf Liedertour. Wo geht es denn hin und wie kam es zu dieser Tournee?
Gunter Schwarz: Oh ja, darauf freuen wir uns sehr. Diese Konzertreihe wird liebevoll organisiert vom Verein LIEDER-TOUR e.V. rund um deren umtriebigen Impresario Frank Oberhof. Jeden Monat wird ein Künstler, eine Künstlerin oder eine Band auf musikalische Reise quer durch Mitteldeutschland geschickt. Und zwar an wunderbare, verträumte und manchmal verzauberte Orte. Dort gibt es liebevolle Veranstalter:innen und ein tolles Publikum. Schöne Abende und Begegnungen sind vorprogrammiert. Rund um die Record Release Party im Horns Erben besuchen wir dann unter anderem auch Querfurt, Jena und Bad Schmiedeberg.
Ahoi: Es gibt auch Gastauftritte anderer Bühnenhelden. Wer ist denn mittenmang?
Gunter Schwarz: Für die erste Single „Katapult“ machen wir gemeinsame Sache mit dem renommierten Leipziger Liedermacher Ralph Schüller. Mit ihm verbindet mich eine lange Freundschaft. Außerdem spiele ich in seiner Band seit ein paar Jahren E-Gitarre. Ralph hat auf „Katapult“ nicht nur Akustik-Gitarre gespielt und gesungen, sondern auch ein wunderbares Lyric Video für das Lied gezeichnet.
Zwei weitere Titel bereichert wie schon beim Erstling Christoph Schenker mit seinem virtuosen Cello-Spiel. Mit ihm habe ich schon Mitte der Neunzigerjahre gemeinsam musiziert – in genau der Band, aus der dann fünfundzwanzig Jahre später KARO NERO werden sollte.
Der Saxofonist Henning Plankl, vielen sicher von den Firebirds bekannt, ist ein weiterer guter Freund, der wunderbare Bläsersätze geschrieben und mit seinen Bläser-Kollegen eingespielt hat. Ein weiteres persönliches Highlight ist die Mitwirkung des Berliner Gitarristen Michael Niedzwetzki, der auf einem Song Pedal Steel Guitar spielt.
Ahoi: Eine Frage, die sich mir ganz oft stellt, schließlich habe ich ja auch eine kleine Radioshow: warum macht man das alles eigentlich heutzutage? – Deshalb die Frage an Dich: Warum machst Du Musik, warum Rock, warum gerade diese Musik?
Gunter Schwarz: An dieser Stelle zitiere ich Nietzsche: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“. Daran glaube ich fest. Da geht es nicht um Ruhm oder Reichtum. Es geht darum, etwas auszudrücken, das auf andere Weise nicht gesagt werden kann. In erster Linie für einen selbst. Und wenn das dann auch noch in anderen Menschen etwas auslöst. Perfekt. Etwas weniger blumig: Musik ist für mich eine der schönsten Sachen auf der Welt. Ich möchte gern möglichst viel Zeit mit ihr verbringen. Gegen alle Widerstände.
Und warum genau diese Musik? Wir spielen Lieder für Erwachsene und alle, die es werden wollen. Deutschsprachigen Pop-Rock mit Poesie. Das ist sicher nicht bahnbrechend neu, aber in meinen Augen eben zeitlos schön. Und durchaus gedacht als alternatives Angebot in Zeiten zunehmender Vereinfachung, Verrohung und Belanglosigkeit in Radio, Internet und anderen Medien. Unsere Musik zielt auf Bauch und Beine, die Texte eher auf den Kopf. Ich hoffe, wir treffen irgendwo genau dazwischen - nämlich mitten ins Herz.
Ahoi: Bei der Entstehung des Albums haben Barthez-Robin und Tobi Fiedler nicht unwesentliche Teile beigesteuert. Welche denn und wie kam es zur Zusammenarbeit?
Gunter Schwarz: Beide haben tatsächlich einen großen Anteil am Sound des Albums. Mit Robin haben wir im Midas-Studio in der Baumwollspinnerei aufgenommen. Er ist nicht nur eine Szene-Legende, sondern auch sehr erfahren. Der Klang der Bänder war schon exzellent, als wir die Aufnahmeräume verlassen haben. Außerdem behält er nach unzähligen Produktionen auch in hitzigen Studio-Situationen einen kühlen Kopf. Und mit Tobi haben wir bereits beim Erstling zusammengearbeitet. Er hat Zauberhände und ein unglaubliches Paar Ohren. Auch dieses Mal hat er wahnsinnig viel Zeit und Liebe in das Mixing und Mastering für die Platte gesteckt. Ich denke mal, er hat die Songs genauer und öfter angehört als wir anderen alle zusammen. Er hat unsere Musik absolut verstanden und für meine Begriffe das Optimum herausgeholt. Auf das Ergebnis können wir meiner Meinung nach allesamt sehr stolz sein.
Ahoi: Ich fand ja die Veranstaltungen „Musik gegen jeden Anlass“ großartig. Schon die Idee fand ich äußerst charmant. Kannst Du unseren Leserschaften etwas dazu erzählen? Worum ging es, wer war dabei und wie kam es dazu?
Gunter Schwarz: Wie manche vielleicht wissen, war ich mein halbes Leben lang Gitarrist bei der sagenumwobenen Maria König Kapelle. Als letztes Jahr klar wurde, dass wir unsere Karriere nach fünfundzwanzig gemeinsamen Jahren beenden würden, fühlte ich mich inspiriert, eine Art Band-Biografie zu schreiben. Schließlich war die Kapelle eine gewisse Zeit lang – vor allem in den Jahren nach dem Mauerfall – nicht nur für uns, sondern für viele Leipziger:innen Teil der gemeinsam erlebten lokalen Geschichte. Das wollte ich unbedingt konservieren. Tatsächlich konnte ich kreuzer books von der Idee überzeugen. So entstand mein Buch „Musik gegen jeden Anlass“ - eine großartige Zeitreisemaschine. Es geht um Leipzig, seine Subkulturszene, den Aufbruch, die Nachwendezeit, das Erwachsenwerden und vor allem natürlich um die Musik.
Das Buch feierte schließlich Premiere auf dem großen Abschiedskonzert der Maria König Kapelle zu Ostern letzten Jahres. Seitdem bin ich mit Maria auf Lesetour. Wir lesen lustige Texte vor und spielen dazu im Akustik-Duo das Beste und zurecht Vergessenes von Siebziger-Kult über Achtziger-Trash bis Neunziger-Perlen. Dabei entstehen neben vielen schönen Erinnerungen auch überraschend andere Versionen großer Hits.
Ahoi: „In den Korallen“ gibt es auch eine weibliche Stimme – wer ist das denn?
Gunter Schwarz: Das ist Konstanze Gerlach, eine Sängerin und Violinistin aus Leipzig. Ich würde sagen, sie gehört neben Henning Plankl und dem Hamburger Gitarristen Timo-Andreas Wolff zu so einer Art erweitertem Nukleus der Band. Wenn wir live spielen, ist mindestens einer von den dreien in der Regel mit an Bord. Auf dem neuen Album hat sie konsequenterweise bei allen zwölf Titeln mitgesungen - manchmal im Background, manchmal als zweite Stimme im Duett. Ich finde, ihre Stimme fügt unserer Musik eine weitere wunderbare Komponente hinzu. Außerdem ist sie auch selbst Songwriterin mit ihrem eigenen Projekt „Seelenherz“.
Ahoi: Danke für Deine Zeit. Ich wünsche uns allen, dass Euer Album allerorten gehört wird. Diese Welt braucht Wärme.
Gunter Schwarz: Vielen Dank, lieber Volly. Vielleicht sehen wir uns ja auf der Record Release Party am 15. September. Wir würden uns freuen.