Wenn der Ahoi-Redakteur Volly Tanner gefragt wird, was er gern zu Weihnachten haben möchte, sagt er in der Regel: „... von allem die Hälfte“ und meint damit, dass weit weniger auch reicht. Die Wohnungen sind verstopft, die Straßen und Herzen mit Dingen überrieselt.
Hier könnte die Kreislaufwirtschaft ein Weg heraus sein – und der Leipziger Tauschmarkt im November. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach deshalb mit Franziska Balke, die das Projekt in Leipzig organisiert:
Ahoi: Guten Tag, Franziska Balke. Im November geht der SRL-Tauschmarkt in die zweite Runde. Wo findet dieser denn diesmal statt? Und wann ganz genau?
Franziska Balke: Wir freuen uns sehr, dass der Tauschmarkt wieder im Stadtbüro im Burgplatz 1 (Zugang über Markgrafenstraße 3) stattfinden kann. Leipziger Bürgerinnen und Bürger haben im Rahmen der Europäischen Woche der Abfallvermeidung ab dem 18.11.2023 bis zum 24.11.2023 (außer Sonntag und Mittwoch) immer von 10:00-18:00 Uhr die Möglichkeit, aktiv Ressourcen zu schonen, Kreislaufwirtschaft zu leben und aussortierten, noch gut erhaltenen Gegenständen ein zweites Leben zu schenken – ganz im Sinne von „Mein Leipzig schon´ ich mir“ (www.mein-leipzig-schon-ich-mir.de). Gleichzeitig ist der Tauschmarkt ein Ort der Begegnung, wo sich die Bürgerinnen und Bürger zum Thema Zero-Waste und Kreislaufwirtschaft informieren können.
Ahoi: Und wo kommt das Tauschbare alles her? Wer kann teilnehmen?
Franziska Balke: Zum einen können Bürgerinnen und Bürger vom 23.10.-3.11.2023 noch gut erhaltene, aussortierte Gegenstände und Kleinstmöbel auf dem Wertstoffhof der Stadtreinigung Leipzig in der Geithainer Straße 13 zu den Öffnungszeiten abgeben. Weiterhin können auch in der Tauschwoche ab dem 18.11.2023 vor Ort im Stadtbüro Gegenstände abgegeben werden. Teilnehmen können alle, die Lust haben. Nicht angenommen werden Kleidung und Schuhe, Bücher (außer Kinderbücher), Elektrogeräte und Gegenstände, welche über das Maß von Kleinstmöbeln hinausgehen.
Ahoi: Ich hörte, dass gleichzeitig eine Ausstellung besuchbar ist. Was ist das denn für eine Ausstellung?
Franziska Balke: Das Thema der diesjährigen Europäischen Woche der Abfallvermeidung lautet „Clever verpacken“. Mit dem Nutzen von Mehrwegalternativen oder dem bewussten Verzicht auf Verpackungen kann man seinen Alltag nachhaltiger gestalten und wertvolle Ressourcen schonen, getreu nach dem Motto „Weniger ist mehr“ und „Mein Leipzig schon´ ich mir“. Bürgerinnen und Bürger finden in einem der Schaufenster des Stadtbüros hierzu einige Anregungen für ihren Alltag. Gleichzeitig wird es im Stadtbüro einige Plakate zur Thematik geben und unser Bildungs- sowie ServiceTeam steht für Fragen rund um die Themen Abfallvermeidung sowie Kreislaufwirtschaft zur Verfügung. Hier kann man ins Gespräch kommen oder sein eigenes Wissen im Zero-Waste-Quiz unter Beweis stellen.
Ahoi: Die Kreislaufwirtschaft wird ja von Ihnen und Ihrem Team immer wieder nach vorn gestellt. Jetzt weiß – glaube ich – nicht jeder, was Kreislaufwirtschaft ist. Können Sie das bitte etwas erläutern?
Franziska Balke: Kreislaufwirtschaft bedeutet, dass Ressourcen nicht verschwendet, sondern bestmöglich (weiter)genutzt werden. Hier kann jede/-r Einzelne sehr viel tun. Zum einen können durch Abfallvermeidung wie z. B. Reparatur und Wiederverwendung, wertvolle Ressourcen geschont werden. Es wird weniger Abfall erzeugt und Energie verschwendet. Die Nutzungsdauer von Gegenständen wird verlängert, sie werden im Kreislauf gehalten. Ganz konkret kann man das dann in unserem Tauschmarkt ausprobieren. Das schont den Geldbeutel und die Umwelt, eine Win-Win-Situation. Zum anderen schlummern in unserem Abfall wertvolle Primärrohstoffe und damit endliche Ressourcen. Damit diese nutzbar bleiben und als Sekundärrohstoff wieder für die Produktion neuer Gegenstände genutzt werden können, braucht es eine gute Abfalltrennung, damit so viele Stoffe wie möglich gut recycelt werden können. Wer unsicher bei der Abfalltrennung ist, findet auf der Website der Stadtreinigung Leipzig eine Suchleiste mit dem Titel „Was kann ich wo entsorgen“. Hierüber erhält man schnell die richtige Antwort. Des Weiteren berät die Stadtreinigung Leipzig auch gern zur Abfalltrennung. Wir haben eigens dafür konzipierte Bildungsangebote, über die man sich auf unserer Internetseite informieren kann (https://stadtreinigung-leipzig.de/wir-sind-fuer-sie-da/bildungsangebote-und-fuehrungen/bildungsangebote-im-ueberblick). Unser Bildungsteam ist mit den Themen Abfallvermeidung, Abfalltrennung, Kreislaufwirtschaft etc. viel in Kitas, Schulen aber auch bei Unternehmen vor Ort, um für diese wichtigen Themen zu sensibilisieren und aufzuklären.
Ahoi: Der Tauschmarkt im letzten Jahr war, so hörte ich, ein großer Erfolg. Was heißt das aber? Wie bemisst man denn bei solch einem Projekt den Erfolg?
Franziska Balke: Rund 2.500 Bürgerinnen und Bürger waren vor Ort und es gab eine sehr große positive Resonanz schon während der Aktion. Unzählige Gegenstände haben neue Besitzerinnen und Besitzer gefunden, sind zu Lieblingsstücken geworden und wurden vor allem vor der Abfalltonne gerettet - das ist großartig. Viele “. Bürgerinnen und Bürger waren auch von dem Solidaritätsgedanken begeistert. Eine ältere Dame sagte, dass ihr der Tauschmarkt ermöglicht hat, ihren Enkelkindern ein Geschenk zu machen. Das sind Gänsehautmomente, die für sich sprechen. Im Rahmen unserer Bürgerbeteiligung für die Leipziger Zero-Waste-Strategie schrieb eine Bürgerin: “Den Tauschmarkt der Stadtreinigung finde ich eine sehr schöne Sache und sowas sollte öfter angeboten werden“. Die Spendenbereitschaft der Leipzigerinnen und Leipziger war so enorm, dass gar nicht alles in der einen Woche getauscht werden konnte. So spendeten wir im Nachgang eine LkW-Ladung voll Gegenstände für soziale Projekte, die für Nachhaltigkeit und Recycling stehen. Des Weiteren muss man sich bewusst machen, wie viele illegale Ablagerungen im Stadtbild, die beispielsweise durch Tauschkisten vor Häusern in Leipzig entstehen, dadurch evtl. verhindert wurden. Die Gegenstände konnten mit dem Tauschmarkt sauber und trocken weitergegeben werden. All das zeigt, dass es einen großen Bedarf an Tauschmärkten und -läden gibt, die ganz unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragen, aber am Ende immer ein Ziel haben: Abfall zu vermeiden und Ressourcen zu schonen.
Ahoi: Gerade wachsende Städte wie Leipzig haben allzu oft Probleme mit der Vermüllung, der sozio-psychologische Dichtestress und die Entwurzelung urbaner Menschen vom öffentlichen Raum als ihren eigenen Raum sorgen dafür, dass hier schwierig gegenzusteuern ist. Welche Konzepte gibt es?
Franziska Balke: Aktuell entwickeln wir unter dem Slogan „Mein Leipzig schon´ ich mir“ zusammen mit der Fachöffentlichkeit und Bürgerinnen und Bürger aller Altersstufen eine Zero-Waste-Strategie für die Stadt Leipzig. In unseren Fachworkshops und Bürgerbeteiligungen werden Maßnahmen für verschiedene wichtige Handlungsfelder gesammelt. In jedem Handlungsfeld wird auch das Thema öffentlicher Raum diskutiert, wie z. B. im Bereich Events, Kultur, Sport oder private Haushalte. Weiterhin ist die Thematik Mehrweg für uns sehr wichtig. Hier unterstützen wir bei der Aufklärung und der Etablierung von Mehrwegsystemen.
Des Weiteren geben die Beschäftigten der Stadtreinigung Leipzig tagtäglich ihr Bestes, um der Vermüllung entgegenzuwirken. In den Sommermonaten werden zusätzliche Abfallbehälter in den Parks der Stadt bereitgestellt. Unser Projekt Stadtsauberkeit ruft auch regelmäßig zu Sauberkeitsaktionen, sogenannten Cleanups auf, an denen sich Bürgerinnen und Bürger tatkräftig beteiligen können. Wer selbst ein Cleanup organisieren möchte, kann sich bei uns Greifer, Handschuhe und Abfallsammelsäcke ausleihen. Des Weiteren sind Umweltdetektive in Leipzig unterwegs, um illegale Ablagerungen im Stadtbild zu reduzieren. Ein wichtiger Punkt ist auch die Information, Sensibilisierung und Aufklärung zu den Themen Abfallvermeidung und -trennung in unseren Bildungsangeboten oder auf Veranstaltungen, auf denen wir präsent sind.
Ahoi: Die Erkenntnis, dass ältere, gebrauchte Dinge etwas wert sind, ist ja zutiefst logisch, setzt sich leider trotzdem sehr langsam durch. Auch ältere Menschen werden ja in vielfältigen Diskursen abgewertet und ausgegrenzt. Wie wollen Sie Menschen aller Altersstrukturen für „Mein Leipzig schon` ich mir“ begeistern?
Franziska Balke: In unseren Bürgerbeteiligungen zur Entwicklung der Zero-Waste-Strategie für Leipzig können alle Bürgerinnen und Bürger teilnehmen, die Interesse an der Thematik haben und sich einbringen möchten. Im Austausch erfahren wir, dass Menschen aller Altersstrukturen wertvolle Ideen und Ansätze haben, um an einer auch in Zukunft lebenswerten Stadt zu arbeiten. Gerade ältere Menschen haben durch ihre umfangreiche Lebenserfahrung viel Erfahrung mit knappen Ressourcen und alternativen Konzepten zu unserer Überflussgesellschaft. Die lange Nutzung von Produkten sowie Reparatur waren früher gang und gäbe. Dieses Wissen und diese Erfahrungen sind auf unserem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft von großem Interesse und Wert. Am 11.11.2023 laden wir von 14:00-17:00 Uhr zum großen Bürgerforum in den Festsaal im Neuen Rathaus ein. Wir stellen die bisher im Rahmen von „Mein Leipzig schon´ ich mir“ gesammelten Ergebnisse zum neuen Maßnahmenkatalog der zukünftigen Leipziger Zero-Waste-Strategie vor. Leipzigerinnen und Leipziger sind herzlich willkommen, sich aktiv zu beteiligen und Rückmeldungen zu geben. Alle Informationen zur Anmeldung findet man auf unserer Website www.mein-leipzig-schon-ich-mir.de unter dem Reiter Termine.
Ahoi: Zurück zum Tauschmarkt. An wen wendet sich das Angebot ganz konkret und wie wollen Sie Ihr Publikum erreichen? Gerade auch, dass nicht immer dieselben Menschen partizipieren?
Franziska Balke: Das Angebot richtet sich an alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig, das ist unsere Zielgruppe. Für uns zählt der Gedanke der Abfallvermeidung und Ressourcenschonung. Alle, die Lust haben dabei zu sein, sind herzlich willkommen. Wir bewerben die Aktion auf unserer „Mein Leipzig schon´ ich mir“-Website und auf unseren Social-Media-Kanälen. Des Weiteren werden die lokalen Medien informiert, auf den Screens der Bürgerbüros kann man die Aktion finden und wir haben dieses Jahr auch lokale Akteure sowie Bloggerinnen und Blogger zu Nachhaltigkeitsthemen gewonnen, für unseren Tauschmarkt Werbung zu machen.
Ahoi: Sie selbst, liebe Frau Balke, arbeiten im Team Umweltbildung & nachhaltige Entwicklung der Stadtreinigung Leipzig. Was haben Sie denn davor gemacht? Wo haben Sie Ihre Skills zum Thema her?
Franziska Balke: Ich komme aus dem Bildungssektor und habe viele Jahre unterrichtet, allerdings mit einem anderen Schwerpunkt. Das wollte ich ändern und meine Passion für Nachhaltigkeit in den Fokus meiner Bildungsarbeit stellen. Bei der Stadtreinigung Leipzig habe ich nun alle Möglichkeiten dazu.
Ahoi: Dann wünschen wir Ihnen im November natürlich einen riesigen Erfolg. Danke für Ihr Engagement für eine lebenswerte Stadt.
Franziska Balke: Herzlichen Dank!