//
//
  • Interviews
Eine Vision all der Dinge, die möglich sein könnten

Gespräch mit der Schriftstellerin Tea Löwe

Tea Löwe mit ihrem Buch © Löwe

Die Welt befindet sich in einem Transformationsprozess. Wirklich? Die grundlegenden Fragen werden dabei nicht einmal ansatzweise berührt. Die, die ganz unten an der Tafel sitzen und die Reste bekommen, werden dies auch weiterhin. Und die, die massenhaft verbrauchen, machen dies eben auch weiterhin, nur eben in ein grünes Mäntelchen gehüllt. SF hat da die Aufgabe Visionen weiterzudenken und Probleme aufzuzeigen, die durch ein zu euphorisches fanatisches Nachbrüllen neuer Wahrheiten auf uns zukommen können. Tea Löwe ist SF-Autorin und entließ gerade ein neues, sehr lesenswertes Buch in die Welt. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit ihr:

 

Ahoi: Guten Tag, Tea Loewe. Dein neues Buch „Die Macht des Avain“ ist gerade erschienen. Ein klassischer SF-Roman, der Themen wie Flucht, Heimkehr, Sehnsucht, eine veränderte Welt und Fremdherrschaft in die Zukunft transferiert. Und spannend ist das Buch auch noch. Das Buch entstand während der Phase der Homeschooling-Zeit, also in der Pandemie. Wie hat es sich damals so geschrieben?

Tea Löwe: Während der Homeschooling-Zeit konnte ich wider Erwarten regelmäßig schreiben, da ich damals kurzzeitig arbeitssuchend war. Die Kinder durften bis 8:00 Uhr schlafen und ich habe mich 6:00 Uhr vor den Laptop gesetzt und zwei Stunden lang mit Kaffee vor der Nase in die Tasten gehauen. Durch das tägliche Schreiben bin ich effektiv vorwärtsgekommen. Der restliche Tag gehörte dann den Kindern, der Heimbeschulung, dem Zubereiten der Mahlzeiten, dem Haushalt usw.

 

Ahoi: Ein geheimes Artefakt spielt eine maßgebliche Rolle im Buch. Kannst Du uns dazu etwas mehr erzählen, ohne zu spoilern?

Tea Löwe: Das ist tatsächlich schwierig. Was ich sagen kann, ist, dass nicht nur das Artefakt, sondern auch die finnische Bronzezeit eine entscheidende Rolle für das Buch spielt, obwohl der Roman in der Zukunft gelagert ist. Dabei geht es in keiner Weise um Zeitreisen. Für das Buch habe ich umfassend zur bronzezeitlichen Grabstätte in Sammallahdenmaki recherchiert und einen regen Austausch mit einer finnischen Archäologin geführt. Sie hat sogar Teile des Buches gegengelesen. An dem dort verankerten Interpretationsspielraum setzt auch das Artefakt an.

 

Ahoi: Die Hauptperson ist Jü van Oak. Gibt es ein Vorbild, eine Figur, an der Du Jü angelehnt hast? Wie findest Du Deine erzählenden Personen? Wie machst Du sie farbig?

Tea Löwe: Es gibt nicht direkt ein Vorbild, aber im Gegensatz zu anderen Charakteren war Jüs akutes Gefühlserleben an meinem eigenen angelehnt. Ich war zum Zeitpunkt des Schreibens des Romans selbst in einer Phase, in der ich aus einer vermeintlichen Sicherheit herausgetreten bin, mich beruflich verändern wollte und förmlich einen „Griff ins Klo" gemacht habe. Dieses Gefühl, von einer aus guten Gründen getroffenen Entscheidung plötzlich so durchs Leben geworfen zu werden, war die perfekte Grundlage für Jü. Ansonsten ähneln wir uns eher weniger. Thematisch habe ich es daher bei Jü andersherum aufgezogen, denn sie will zurück zu ihrer Familie, sucht nach ihren privaten Gefühlswelten und kommt damit plötzlich ins Straucheln. Dazu eine Welt, in der durch die Shaterra Bedrohungen allgegenwärtig sind.

Da ich mich hauptberuflich ständig in andere Menschen hineinversetze, mit deren Vergangenheiten konfrontiert bin und mich einfühle, habe ich einen großen Pool an Themen und Hintergründen, mit denen Personen sich im Laufe ihres Lebens auseinandersetzen müssen. Das stattet mich demnach mit mannigfaltigen Gefühlswelten aus, die ich in Büchern und Charakteren gut mischen und auch kanalisieren kann, ohne dass es sich bei den Figuren um einzelne konkrete „Vorbilder" handelt.

 

Ahoi: Und die Shaterra? Wie bist Du zu ihnen gekommen?

Tea Löwe: Früher habe ich die Serie „Stargate – SG1" hoch und runter geschaut. Das Fan-Fähnchen geschwenkt. Dort gab es Aliens mit dem Namen Replikatoren. Das waren kleine Maschinen in Spinnenform, ziemlich aggressiv, intelligent und wahrlich ekelhafte Gegner. Die Idee mit den intelligenten Maschinen habe ich aufgegriffen und die Shaterra entwickelt – eine rein auf Technologie basierende Spezies, die jedwede Form annehmen kann und im Grunde als Zellzusammenschluss agiert. Da Jü ein emotional zwar recht aufgeräumter aber auch intensiv fühlender Mensch ist und die Beziehung zu ihrem Bruder ebenfalls von vielen Gefühlen durchdrängt ist, fand ich es passend, einen durch und durch rationalen Gegenspieler auf den Plan zu holen. Einen, der die Welt in Zahlen denkt; für den Menschen nur eine billige Arbeitsmasse sind; bei dem Verschleiß dazugehört und mit einkalkuliert wird.

 

Ahoi: Du bist eine Mutter, Berufstätige und Autorin. Wie findest Du Zeit? Schreiben ist ja in der Regel eine einsame Sache, da braucht es kein Rumoren in der Wohnung und kein: „Mama, Mama, kannst Du mir mal bitte helfen?“

Tea Löwe: Das ist tatsächlich die größte Herausforderung und es gibt Phasen, in denen ich über Wochen kaum ein Wort aufs Papier bringe. Den Bügelkorb kann ich weggucken, die Kinder nicht. Und das ist mir auch wichtig. Da hilft nur bedingungslose Akzeptanz und die regelmäßige Suche nach Schreibroutinen, die zur Lebenslage passen. Früher saß ich ein oder zweimal die Woche im Café und habe noch ein Stündchen geschrieben, bevor ich die Kids aus der KiTa geholt habe. Seit den Einschulungen funktioniert das nicht mehr. Aktuell schreibe ich viel am Handy, vor allem in der Straßenbahn mit Kopfhörern im Ohr auf dem Weg zur Arbeit, weil ich da die meiste Ruhe habe. Das geht prima für Rohmanuskripte, für die Überarbeitung ist das weniger geeignet.

 

Ahoi: Das Buch ist bei dp erschienen. Was ist das denn für ein Verlag?

Tea Löwe: dp oder auch digital publishers ist ein vornehmlich digital arbeitender Verlag, für den ich die Empfehlung einer befreundeten Autorin erhalten habe. Sie vertreiben Bücher und Hörbücher vor allem digital und sind auch auf diesen Vertrieb spezialisiert, was in Zeiten sinkender Ressourcen, steigender Papierpreise und fortschreitender Digitalisierung durchaus Sinn macht. Der Verlag bot mir an, neben dem E-Book auch ein Hörbuch vom Roman zu machen. Das fand ich großartig, weil ich damit bislang keine Erfahrungswerte habe, und so habe ich deswegen und auch wegen der warmherzigen Empfehlung zugesagt.

 

Ahoi: Und wie geht es weiter? Hast Du schon die nächste Story in der Pipeline?

Tea Löwe: Ja! Ich habe einen Highfantasy-Roman geschrieben, der sich aktuell in der Überarbeitungsphase befindet und dafür bei einer Testleserin liegt. In der Zwischenzeit arbeite ich wieder an einem Sciencefictionroman, bei dem die ersten 25.000 Wörter auf dem Papier stehen. Die Grundlage bildet hier eine zu lang geratene Kurzgeschichte, die mich förmlich angeschrien hat, bitte ein Roman zu werden. Weitere Ideen liegen in der Schublade, aber eins nach dem anderen.

 

Ahoi: SF war viele Jahre etwas in der stiefmütterlichen Ecke ausgegrenzt, obwohl gerade SF sich kritisch mit Themen der Jetztzeit auseinandersetzen kann und neue Impulse einbringen kann. Was, glaubst Du, ist der Trend? Geht es wieder aufwärts, gar in ein neues Golden Age der SF hinein?

Tea Löwe: Das wäre in jedem Fall sehr wünschenswert. Früher war Sciencefiction eine Vision all der Dinge, die einmal möglich sein könnten. Ich denke, in den vergangenen zwanzig Jahren ist dann die Technik mit so einem Tempo aus dem Boden geschossen, dass die Sciencefiction gar keine Zeit mehr hatte, sich fortschrittliche Dinge auszudenken. Zudem gibt es aktuell einen Hype um emotionale Themen und zwischenmenschliche Beziehungen. Da kommt die Sciencefiction mit ihrer Vorliebe für technische Details ins Hintertreffen. Wobei ich dazu sagen kann, dass mein Roman mit technischen Details spart und auch wissenschaftlich nach heutigem Stand keinen Preis gewinnen würde - man denke nur an die Wurmlöcher, die meine Protagonisten nehmen. Die Sciencefiction-Regale in Buchhandlungen sind in jedem Fall geschrumpft, und das finde ich sehr schade. Ich hoffe sehr, dass Belletristik, die ins Weltall entführt, wieder attraktiv wird und einen neuen Aufschwung erhält.

 

Ahoi: Danke, liebe Tea, für Deine Zeit, Deine Bücher und Deine Antworten.

Tea Löwe im Netz:

www.tealoewe.de

« zurück
zur aktuellen Ausgabe