• Interviews
Die Stimme ist Seele und Charakter

Gespräch mit der Sängerin und Kulturvermittlerin Juliane Harberg

Juliane Harberg, eine großartige Kulturvermittlerin und Künstlerin © Michael Bader

Damit Leipzig als Musikstadt auch weiterhin für Aktualität stehen kann braucht es Enthusiastinnen und Enthusiasten, die neuere Musik auch vermitteln, die für ihre Sache brennen und die im besten Falle all dies auch noch sympathisch in die Welt hinaus kommunizieren. Juliane Harberg ist solch eine Ethusiastin. Und sie brennt lichterloh. Ahoi-redakteur Volly Tanner durfte ihrer Kunst lauschen. Und so entspann sich danach ein Gespräch:

 

Ahoi: Guten Tag, Juliane Harberg. Ich durfte Sie vor einigen Tagen im Leipziger Rathaus dabei erleben wie Sie beispielsweise polnischen Tango sangen – beeindruckend und kraftvoll. Nun erlas ich mir, dass Sie – neben vielen anderen Engagements – auch in der Mieczysław-Karłowicz-Philharmonie in Stettin als Alt-Solistin aktiv waren. Wer jedoch war Mieczysław Karłowicz?

Juliane Harberg: Ja, Ahoi auch von mir. Als Fischkopp (geboren in Schwerin, Abitur in Hamburg, lange Zeit am Opernhaus in Kiel) hört man das in Leipzig recht selten. Also, vielen Dank für die Einladung zum Interview und zur Eingangsfrage nach dem polnischen Komponisten Mieczysław Karłowicz. Es ist traurig, dass, trotz der Nähe zu unserem Nachbarstaat Polen, die wichtigen Vertreter aus Musik und Kunst wenig Relevanz in unserer Kulturlandschaft haben. Für mich als Sängerin ist Mieczysław Karłowicz’s Schaffen im Bereich des Kunstliedes enorm spannend: Hier gibt es viele Edelsteine zu entdecken, die kaum gehört werden. Aber auch das symphonische Werk ist beachtlich, wie die Ewigkeitslieder op. 10: Wundervoll! Ein Aufruf meinerseits, sich im neuen Jahr 2023 gerne mit polnischen Künstlern zu beschäftigen. Allen voran ist da auch die Komponistin und Pianistin Maria Szymanowska zu nennen.

 

Ahoi: Bei Ihrer mehr als faszinierenden Vita stellt sich natürlich die Frage, wie es Sie nach Leipzig verschlagen hat. Deshalb müssen wir sie stellen: Was hat Sie nach Leipzig gezogen?

Juliane Harberg: Nach einer zu kurzen, aber intensiven Studienzeit in Leipzig, führte mein Weg mich zunächst nach Hannover und dann in den Norden nach Kiel. Meine Agentin lebte damals in Leipzig und durch die Musikvereine Grieg-Begegnungsstätte e.V. und forma Leipzig e.V. war ich immer wieder mit Leipzig verbunden. Irgendwann 2014 war es Zeit für eine Erneuerung und ich wollte als Sängerin frei arbeiten. Zunächst schien es Nahe zu liegen, nach Berlin zu ziehen, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen es taten. Dann fühlte es sich aber richtiger an, nach Leipzig zu gehen. Die Stadt hat das große Potenzial einer blühenden, freien Szene, die überschaubar und offen ist. Man kann sich ausprobieren. Ich habe Kontakt zu vielen jungen Komponistinnen und Komponisten. Leipzig ist durch und durch Musikstadt - nicht nur in Bezug auf die hochglänzenden Institutionen wie Gewandhaus und Thomaner. Die zeitgenössische Musik hat es dennoch hier immer schwer und ich mache mir Sorgen, ob Leipzig auch in Zukunft ein Ort ist, der in der Musik für Aktualität steht. Ich beziehe mich da auf einen Artikel, der jüngst in der NMZ erschienen ist mit der Überschrift „Leipziger Malaise“.

 

Ahoi: Um was geht es den eigentlich in „Oper & Leben“?

Juliane Harberg: Seit 2020 bin ich als Podcasterin und Kulturbotschafterin für #sogehtsächsisch aktiv. Im Podcast „Oper & Leben“ gibt es drei Formate. Unter dem Titel „Back to the roots“ spreche ich tagebuchartig über mich, mein Leben als Sängerin, Frau und Selbstständige. Dann gibt es hier auch ein paar „Landpartien“–Folgen, bei denen ich abseits der Großstädte von kleineren Konzertstätten aus berichte und darauf aufmerksam mache, dass es sich auch mal lohnt, aufs Land zu fahren. Das erfolgreichste Format ist allerdings die Interviewreihe „Dialogforum Zukunftsmusik“. Hier sind bereits zwei Staffeln in Leipzig und Chemnitz entstanden, die auch als Videopodcast auf verschiedenen Plattformen ausgestrahlt wurden. Man kann aber auch auf dem Youtube-Kanal von „Oper & Leben“ vorbeischauen, der im letzten Jahr vom MDR Kultur unter die 10 besten Kulturkanälen gewählt worden ist.  In den Startlöchern steht aber nun eine dritte Staffel vom „Dialogforum Zukunftsmusik“. Diese wird auf der WERKSCHAU –  Messe der sächsischen Kreativwirtschaft – in Chemnitz im April gedreht. Hier lade ich in größerer Runde Vertreterinnen und Vertreter aus Kultur, Wirtschaft und Politik zum Gespräch über die freie Musikszene in Sachsen ein. Besonders freue ich mich als frisch gebackenes Mitglied von musicSwomen e.V. auf meine Mädels, die unangenehme Fragen gen Booker und Programmierer der großen Institutionen stellen werden. Zu häufig hört man noch die Antwort „Wir haben ja keine Frau gefunden“.

 

Ahoi: Ich hörte auch von einem Neuen Leipziger Kulturzirkel, bei dem Sie Ihre Stimme und Ihre Finger mittenmang haben. Können Sie da bitte etwas von erzählen?

Juliane Harberg: Oh, da wird der Finger auf eine Wunde gelegt: Leider wurde das Projekt im letzten Jahr auf Eis gelegt. In den entspannteren Zeiten der Pandemie haben wir in unterschiedlichen Wohn- und Musizierzimmern in Leipzig zu Musik und Gespräch geladen. Ziel war es, in einem kleineren Kreis zusammenzukommen und sich ohne viel Aufwand auszutauschen. Der Kulturzirkel fand nur dreimal statt. Auch aufgrund der Lockdowns. Aber als Nachbarschaftsprojekt, bei dem jeder vortragen darf, möchte ich von der Idee noch nicht ganz lassen.

Wer also Lust hat mitzumischen, kann sich gerne bei mir melden.

 

Ahoi: In Stettin und anderswo waren Sie Alt-Solistin. In Ihrer Vita steht, dass Sie als Mezzosoporanistin engagiert wurden. Für unsere Leserschaften, die mit solchen Bezeichnungen nicht so viel anfangen können: Was ist das eigentlich?

Juliane Harberg: Ach ja, stimmt. Das mit den sogenannten Stimmfächern ist dem Nicht-Sänger wahrscheinlich sehr fremd. Jedes Musikinstrument hat eine gewisse Anzahl Töne – den sogenannten Tonumfang oder auch Ambitus. Eine Blockflöte hat einen kleineren Tonumfang als ein Klavier. Als Mezzosopranistin hat man einen großen Stimmumfang, der teilweise den Stimmbereich der Alt- und Sopranstimme umfasst. Damit bewegt sich die Stimme in der Mitte dieser Stimmfächer. Von der Operndiva Maria Callas wird auch behauptet, dass sie eigentlich ein Mezzosopran gewesen sei. Häufig hat das auch mit der Stimmfarbe zu tun, die ein wenig samtiger, voller und dunkler als der Sopran erscheint. Meiner Meinung nach sollte man, gerade in der Ausbildung einer jungen Stimme, diese Einordnung lassen. Was zählt ist das richtige Repertoire oder in der Oper die richtige Rolle. Die Stimme ist im Gegensatz zu anderen Musikinstrumenten nämlich nicht so statisch und vielmehr Seele und Charakter. Aus diesem Grund berührt sie uns Menschen auch so sehr.

 

Ahoi: Mit Katharina Hesse und Eva Meitner sind Sie das Trio TastoCorno. Was ganz speziell bringen Sie denn mit diesem Trio auf die Bühne?

Juliane Harberg: Das Trio TastoCorno besteht aus Katharina Hesse am Horn, Eva Meitner an den Tasten (Klavier, aber auch Harmonium oder Orgel) und mir als Sängerin. Neben einem Programm mit polnischen Tangos, das auch wunderschön mit Harmonium im Grassimuseum zum Klingen gebracht wurde, konnten wir bereits ein Liedprogramm mit Komponistinnen für die Europäische Soiree im Saal der Rahn Stiftung Leipzig aufführen. Nach den schwierigeren Corona-Jahren werden wir nun in diesem Jahr regelmäßig in Leipzig zu hören sein (u.a.  in der Grieg-Begegnungsstätte und im Schumannhaus). Das Besondere an dem Trio ist natürlich die Formation. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, mit einer Hornistin zusammen zu musizieren? Damit auch wunderschöne Musik dabei rauskommt, ist Eva Meitner als unsere Chefin stundenlang beschäftigt, Lieder für unser Trio zu setzen und die Programme zusammenzustellen.

 

Ahoi: Und wo und wie kann man Sie demnächst erleben?

Juliane Harberg: Im Leipziger Raum bin ich mit meinem Projekt „Leipziger Musikgarten“ regelmäßig im Grassimuseum und ab Mai dann auch Open Air in verschiedenen Gartenoasen unterwegs. In diesem Jahr werden wir ein Musiktheater unter dem Titel „(VIP) Oku & Fantasio – ein Singspiel in 5 Stadtteilen“ auf die Beine stellen.  Zunächst stehen aber zauberhafte Konzerte im Februar an: Am Samstag, den 18.02.2023 sind wir im Deutschem Fotomuseum in Markkleeberg zu Gast. Zusammen mit meinem Duo- und Lebenspartner Ermis Theodorakis fangen wir die Sonne des Südens ein. Bei Melodien des Südens kann man sich entspannt zurücklehnen und schon mal vom Sommerurlaub träumen. Für all diejenigen, die unter Winterdepression leiden, also genau das Richtige. Eine Woche später singe ich mit dem Trio TastoCorno ein spannendes Programm im Bläserhaus der Grassistraße im Rahmen der Notenspur-Salons 2023. Hier werden wir als reines Frauenensemble ausschließlich Werke von Komponistinnen präsentieren. Besonders freue ich mich dabei auf die Lieder von Ethel Smyth, die auch hier in Leipzig gewirkt hat.

 

Ahoi: Danke sehr. Und noch viel Erfolg mit Ihrer Kunst.

Juliane Harberg: Vielen Dank und ein genussreiches Musikjahr 2023!

Juliane Harberg im Netz:

www.julianeharberg.com

« zurück
zur aktuellen Ausgabe