Das immer mehr und immer schneller, immer lauter und immer erbarmungslosere Weiterhetzen mach Menschen krank. Krank an Körper, Geist und wenn man daran glauben mag: Seele.
Doch es gibt immer Möglichkeiten selbstfürsorglich dagegen zu steuern. Nichts ist in Stein gemeißelt. Die Zukunft ist noch nicht geschrieben.
Die Sängerin Anna Stiny zeigt als Therapeutin und Lehrerin Wege auf, wieder etwas mit sich selbst ins Reine zu kommen. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit ihr:
Ahoi: Guten Tag, Anna Stiny. Ich durfte Dich vor Zeiten im Gewandhaus mit dem Tangoorchester Leipzig erleben. Und so kommt es, dass ich einfach etwas nachfragen muss: Seit 2015 bist Du als freischaffende Sängerin tätig, mittlerweile aber auch therapierend und seit diesem Jahr in Ausbildung zur Meditationslehrerin. Wie muss ich mir diese Meditationen vorstellen? Und vor allem eine Ausbildung zur Meditationslehrerin? Ich dachte, da reicht viel OHHHM und Schneiderinnensitz …
Anna Stiny: Guten Tag und danke für die spannende Einstiegsfrage!
Das ist richtig. Seit einigen Jahren bin ich als Musikpädagogin und als Musiktherapeutin tätig. Meine Ausbildung zur Meditationslehrerin werde ich im Februar kommenden Jahres abschließen.
Wir lernen die verschiedenen Traditionen, Methoden und Techniken kennen und praktizieren. Wir erfahren, was Meditation bedeutet, wie wir sie ins Leben integrieren und wie wir unsere Schüler auf dem Weg der Meditation begleiten können.
Es gibt viele Methoden der Meditation und was ich an der Ausbildung besonders schätze ist, dass sie einen integrativen Ansatz bietet.
Meine Meditationsstunden versuche ich immer mit dem Schüler/der Schülerin gemeinsam zu gestalten. Das heißt, dass wir zu Beginn schauen, welche Themen präsent sind, in welcher Lebenssituation er/sie sich befindet, was er/sie mit der Meditation entwickeln möchte. Dann kann ich die Stunden ganz individuell je nach Intention gestalten. Einige wollen sie zur Stressbewältigung und zum Achtsamkeitstraining nutzen und für andere steht die Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund. Manche Menschen möchten sie allumfassend ins Leben integrieren, manche, um kleine Pausen im Alltag zu schaffen. Zu Beginn leite ich oft eine Meditation an, die Raum für geistige und körperliche Ruhe schaffen kann. Dabei stehen Atem und auch Körperempfindungen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Es ist wichtig, die Stunden im Sinne des Schülers zu gestalten und nicht an ihm vorbei.
Ahoi: Du bist auch Musiktherapeutin. An wen wendest Du Dich hier mit Deinem Angebot?
Anna Stiny: Als Musiktherapeutin war ich die letzten Jahre vor allem in klinischen Einrichtungen tätig, die sich mit der Psychosomatik des Menschen beschäftigen. Dort habe ich wichtige Erfahrungen sammeln dürfen und viel über das Zusammenspiel von Körper und Geist lernen können, was mir auch in meiner Unterrichtstätigkeit von großem Nutzen ist.
Seitdem ich aber selbständig arbeite, nutze ich ausschließlich einzelne Elemente aus der Musiktherapie. Das können Anregungen zur Improvisation sein, aber auch zur Körperwahrnehmung , zum Selbstausdruck etc.
Musiktherapeutische Impulse gebe ich also, wenn ich spüre, dass es den Schüler in seiner Entwicklung fördert und nicht, um Störungsbilder zu behandeln.
Ahoi: Man kann bei Dir auch Gesang und Klavier lernen. Wie muss ich mir hier den Unterricht vorstellen?
Anna Stiny: Gesang und Klavier sind meine zentralen Unterrichtsfächer. Ich vermittle eine Gesangstechnik, mit der die Schüler lernen, ihre Stimme gesund und ausgeglichen zu führen. Wir suchen gemeinsam Songs, Lieder, Arien etc., an denen sie Freude haben und sich entwickeln können.
Das Klavier gehört, seitdem ich 5 Jahre alt war, zu meiner musikalischen Ausbildung dazu und ich unterrichte Anfänger und auch Fortgeschrittene, Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
Auch hier wird man sicher den Einfluss meiner Ausbildungen wahrnehmen können. Es geht mir nicht darum, einfach eine Technik überzustülpen und mit Druck zum Üben zu bringen, sondern aus der Begeisterung und Hingabe heraus, wird die Lust auf das Instrument und die Musik geweckt.
Ahoi: Du bist in Zeitz geboren (da bin ich oft im MuggeFUCK aufgetreten). Gibt es noch Kontakte dorthin? Wie siehst Du als Langleipzigerin die Entwicklung der Stadt Zeitz. Es gibt ja auch Menschen aus Leipzig, die in den letzten Jahren nach Zeitz gezogen sind und dort jetzt Kultur machen …
Anna Stiny: Tatsächlich habe ich nur mein erstes Lebensjahr in Zeitz verbracht. Dann sind meine Eltern mit mir nach Leipzig gegangen. Dennoch war ich als Kind noch viele Jahre regelmäßig dort, um meine Großeltern zu besuchen. Zeitz ist für mich also auch ganz eng mit meiner Kindheit verknüpft.
Als ich 2020 nach vielen Jahren nochmal da war, habe ich wieder gesehen, dass Zeitz eine wirklich schöne Stadt ist und es total schade ist, dass das Kulturleben dort so lange brach lag.
Es freut mich umso mehr, dass Zeitz durch die verschiedensten Künstler, die ihre Programme dort anbieten, wieder neues Leben bekommt.
Ahoi: Wie kam es eigentlich, dass Du Dich in Richtung Meditation bewegt hast?
Anna Stiny: Meine erste Begegnung mit der Meditation hatte ich zu Studienzeiten. Ein Freund war damals regelmäßig in Tibet, um die Meditationspraxis zu erlernen. Das hatte mich sehr inspiriert und ich wurde neugierig. Aber erst in den letzten paar Jahren wurde sie tatsächlich fester Bestandteil in meinem Leben. Sie hat mir in Krisenzeiten Halt gegeben und ich konnte mich durch sie immer wieder neu ausrichten und Kraft schöpfen. Wir sind heutzutage viel im Außen und im Machen und die Gesellschaft suggeriert uns häufig, wenn wir nichts leisten, sind wir nichts wert. Alles muss schnell und noch schneller gehen. Die Meditation bietet mir die Möglichkeit, den bewertenden Verstand, der in schwarz und weiß einteilt, loszulassen. Ich kann in der Meditation tiefe Stille und Frieden in mir selbst erfahren und mich besser kennen und wahrnehmen lernen und damit auch meine Umwelt. Zudem ist es ja kein wissenschaftliches Geheimnis mehr, dass Meditation das Immunsystem und die Konzentration stärkt.
Meditation ist wirklich etwas für das alltägliche Leben der Menschen – mit all seinen Schwierigkeiten und Herausforderungen.
Ahoi: Der Stress der Zeit, das Krisen- und Kriegsgebrüll, die Unsicherheiten – all dies macht Menschen krank. Was kann man für sich selbst tun, um all den Fremdeinflüssen möglichst wenig Raum zu geben?
Anna Stiny: Ich denke, dass es hilfreich ist, genau nachzuspüren (das geht besonders gut in der Stille oder der Natur) wie viel man von der Informationsflut der heutigen Zeit wirklich tragen kann und ab wann es erheblich das eigene Wohlbefinden stört. Der Körper gibt uns oft schon die richtigen Signale dafür.
Pausen zu schaffen, in denen mal nichts zu uns eindringen kann, sind sicher wichtig. Sich auch immer wieder den kraftspendenden Dingen des Lebens zuzuwenden, mal weg vom „muss“, hin zum, „was würde mir gerade gut tun“ und das kann für jeden etwas anderes sein. Nicht immer kann man die äußeren Umstände durch Handlungen verändern, aber man kann versuchen, Einfluss auf die innere Haltung zu nehmen.
Ahoi: Und gibt es Dich demnächst auch mal wieder auf einer Bühne? Wenn ja wo?
Anna Stiny: Es sind zwei Liederabende mit einer wunderbaren befreundeten Pianistin geplant. Ein Brecht-Programm und ein klassisches Programm mit Liedern der Romantik von Schubert, Schumann und Brahms.
Beide Programme sind aber noch im Entstehungsprozess und Ort und Zeitpunkt noch nicht festgelegt.
Ahoi: Und wie begehst Du Weihnachten?
Anna Stiny: Heiligabend werde ich im ganz kleinen familiären Kreis verbringen. Das große Beschenken haben wir abgeschafft. Wir genießen einfach das gemütliche Beisammensein mit gutem Essen.
Ahoi: Danke für Deine Zeit und Deine Antworten.
Anna Stiny: Ich bedanke mich auch ganz herzlich für das Interview und Deine inspirierenden Fragen.