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  • Interviews
Unsere eigenen, sorbischen Songs sind Teil unserer Heimat

Gespräch mit der Sängerin Lena Hauptmann

Jazz ist eine der wenigen Kulturformen, die wirklich weltweit Grenzen zu sprengen in der Lage sind. In Jazz nun die sorbische Sprache einfließen zu lassen, um Heimat und eigene Kultur in die Welt zu tragen und Menschen zu berühren, hat sich das Leipzig-Cottbuser Duo LeDazzo zusammengefunden. Die Sängerin Lena Hauptmann studiert derzeit in Leipzig und kam so in den Aufmerksamkeitsradar des Ahoi-Redakteurs Volly Tanner, der im Gespräch mit ihr noch viel mehr über Musik, Heimat, Heimatliebe und verbindende Kultur erfuhr:

Lena Hauptmann im Auge vieler musikalischer Orkane © Charlotte Baron

Ahoi: Guten Tag, Lena Hauptmann. Du bist die Stimme des jazzigen Duos LeDazzo und studierst hier bei uns in Leipzig an der HMT. Mit Deinem Gitarristen frönst Du dabei öffentlich der sorbischen Sprache. Das ist ja doch schon extrem einzigartig. Dein Gesang impliziert, dass Du aus der sorbischen Gegend bei Bautzen kommst. Ist das so? Woher denn genau und wie kam es zu LeDazzo?

Lena Hauptmann: Guten Tag, Volly. Hab vielen lieben Dank für die herzliche Einladung zum Interview. Ich bin in Cottbus in der Niederlausitz aufgewachsen, wo auch ein Großteil der Sorben beheimatet ist. Zwar bin ich selber keine Muttersprachlerin, habe aber die sorbische Sprache und Kultur in meiner Schulzeit gelernt und schon immer eine große Faszination für den besonderen, indogermanisch-westslawischen Eigenklang dieser Sprache gehegt.

In meiner Jugend habe ich bereits in vielen Bands gesungen, zuerst hatte ich mit meinem Bruder eine Funk-Rock-Band, mit der wir unsere ersten eigenen Songs schrieben, habe in etlichen Theater- und Musicalproduktionen mitgewirkt und später dann Gesangs- und Klavierunterricht am Konservatorium in Cottbus erhalten.

Dort habe ich dann im Jahr 2014 auch meinen Gitarristen und Duo LeDazzo-Partner Dan Baron kennengelernt. Wir haben zusammen in einer Jazzband gespielt und direkt gemerkt, dass wir unsere Begeisterung für kleine Jazz-Duos á la Tuck & Patti, Ella Fitzgerald & Joe Pass oder Friend´n Fellow teilen. Also fingen wir an, die klassischen Jazz & Swing Standards zu spielen, entdeckten später auch die brasilianische Musik & Literatur von Baden Powell de Aquino & Vinicius de Moraes für uns sowie französische Chansons von Charles Trenet oder arrangierten einfach bekannte Pop-Klassiker neu. Irgendwann wollten wir aber auch unsere eigene Musik schreiben, zunächst auf Englisch, und all die musikalischen Einflüsse und Themen, die uns bewegen, darin verarbeiten.

Im Winter 2017 kam dann der Anruf vom Sorbischen Rundfunk des RBB mit dem Auftrag, ob ich etwas auf Sorbisch singen und komponieren könnte, das dann regelmäßig im Radio gespielt werden sollte. Dieser Aufgabe nahmen wir uns gemeinsam an und haben beim Ideensammeln schnell gemerkt, dass sich der westslawische Eigenklang dieser Sprache ganz fantastisch mit unseren musikalischen Ideen verbinden lässt und eine sehr besondere, eigene Klangfarbe erzeugt.

Dann dachten wir uns: Wenn ich auf unseren Konzerten schon auf verschiedensten Sprachen singe, wie auf Englisch, Brasilianisch, Französisch oder Deutsch, warum dann eigentlich nicht auch noch auf Sorbisch? Schließlich tragen wir mit jedem unserer eigenen, sorbischen Songs nicht nur einen Teil unserer persönlichen Gedanken, sondern auch ein Stück unserer Heimat und einer einzigartigen Kultur an ein immer wieder neues Publikum heran.

 

Ahoi: Wie finden denn die Menschen in den nicht sorbisch sprechenden Gebieten LeDazzo? Oder ist sorbisch auch nur ein anderes Englisch und die Musik vermittelt sich über die Töne und Emotionen?

Lena Hauptmann: In den letzten Jahren traten wir mit unserem Duo LeDazzo nicht mehr nur in der Lausitz auf, sondern wurden auch immer häufiger auf größere Festivals eingeladen wie z. B. zum Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg und Potsdam, zu den „Jazztage Dresden“ in die Ostra-Studios, zum „27. Rock & Chanson Festival“ nach Köln, zur „Lange Nacht der Kultur“ nach Kaiserslautern oder auch der brasilianische Radio Sender „MR Easy“ aus São Paulo hat im vergangenen Jahr unsere Songs im Radio in Brasilien spielen wollen.

Bei unseren Konzerten haben wir häufig gemerkt, dass wir mit unserer Musik, insbesondere mit unseren eigenen, sorbischen Songs beim Publikum ein großes Interesse geweckt haben.

Viele Leute wissen gar nicht, dass es die sorbische Sprache und Kultur als Minderheit in Deutschland überhaupt gibt und sind häufig ganz gerührt, wenn wir ihnen davon erzählen und über unsere Musik ein Stück unserer Heimat und Kultur mit ihnen teilen. Ich glaube, das ist auch ein wichtiger Punkt beim Musikmachen: Musik als Medium von Emotionen, Gedanken, Erinnerungen oder verschiedenen Kulturen und Sprachen. Selbst wenn man nicht jedes Wort einer Sprache versteht, kann man über die Musik eine Stimmung einfangen, Klänge auf sich wirken lassen und ein Gefühl der Verbundenheit schaffen. So wie uns eben auch Instrumentalmusik berührt, obwohl es gar keinen Text dazu gibt. Ich glaube, neben Worten gibt es noch viele andere Wege, um von Etwas emotional berührt werden zu können. Eine tolle Erfahrung war für uns, als wir 2019 beim deutsch-polnisch-französischen Chansonwettbewerb „Köln-Breslau-Paris“ in Köln den 2. Platz belegten und den Publikumspreis per Zuschauer-Voting gewannen mit unseren eigenen Songs, darunter auch auf Sorbisch. Das hat uns sehr fasziniert, weil es uns irgendwie gezeigt hat, dass wir das Publikum mit unserer Musik erreichen konnten, ohne dass sie jedes Wort dazu verstehen mussten.

 

Ahoi: Warum aber Jazz? Und wie viel sorbische Kultur ist in eurem Jazz drin?

Lena Hauptmann: Ich würde einfach sagen, wir bringen unsere jazzigen, musikalischen Einflüsse durch unsere Songs in die sorbische Kultur mit hinein. Mit traditionellen, sorbischen Volksliedern hat unsere Musik ja nichts zu tun.

Ich denke, eine Kultur ist wie eine Gesellschaft im stetigen Wandel, entwickelt sich über die Jahre und durch nachfolgende Generationen weiter, gewinnt über die Jahre an Vielfalt, Diversität und Toleranz, wird aber auch immer kontrovers sein.  So geben wir mit unserer Musik eben unsere ganz persönlichen Erfahrungen in die sorbische Kultur, und schildern die Welt wir sie heute erleben.

 

Ahoi: Wenn ich mir euren Auftrittskalender anschaue, ist der doch recht gut gefüllt. Selbst in der kulturentwöhnten Corona-Phase konnte man euch an vielen Orten erleben. Wie ist es denn derzeit auf dem Life-Markt? Man hört ja schlimme Dinge von halbleeren Konzerten und sich nicht rechnende Veranstaltungen. Wie ist Deine Erfahrung derzeit?

Lena Hauptmann: Derzeit läuft es bei uns wieder ganz gut an. Auch bei uns hat es natürlich in den vergangenen zwei Jahren durch Corona viele Konzertabsagen gegeben. Jedoch gab es zum Glück auch Veranstalter, die ihre Events trotzdem realisieren konnten, sodass es für uns dennoch Möglichkeiten gab, Konzerte zu spielen. Nichts desto trotz ist die Lage für uns Kulturschaffende natürlich nach wie vor schwierig ...

 

Ahoi: Kannst Du uns bitte ein bisschen etwas zu Deinem musikalischen Partner erzählen?

Lena Hauptmann: Dan Baron hat an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar Gitarre studiert. Er ist Gitarren- und Basslehrer für Jazz- und Popularmusik am Konservatorium in Cottbus und leitet verschiedene Jazzensembles. Außerdem ist er deutschlandweit als Theater- und Orchestermusiker unterwegs und wirkt als Gitarrist und Bassist in verschiedenen Musical-, Musiktheater- und Schauspielproduktionen mit z.B. am Staatstheater Cottbus, Gerhardt Hauptmann Theater Görlitz, am Hans Otto Theater Potsdam, Theater Eisleben, oder im brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt/Oder.

In unserem Duo LeDazzo spielt er Nylongitarre, Jazzgitarre und Baglama und ist der Ruhepol unseres Duos. In einer so minimalistischen Duo-Besetzung, in der ich als Sängerin nur von einer Gitarre getragen werde, ist im Konzert höchste Konzentration gefragt und ich weiß, dass ich mich komplett auf ihn verlassen kann.

Wir sind gut eingespielt, wissen, wo es den Anderen musikalisch hin verschlägt und folgen uns gegenseitig. Wir sind ein gutes Team. Das ist ein großes Geschenk.

 

Ahoi: Und wie kommt der interessierte Leipziger an Eure Musik heran?

Lena Hauptmann: Am besten besucht man uns einfach direkt bei einem Konzert und erlebt uns live. Ansonsten gibt es erstmal weiterhin nur Aufnahmen auf Youtube und beim sorbischen Rundfunk des rbb, da unsere erste offizielle CD gerade noch in Arbeit ist. Ende des Jahres wird es einige Veröffentlichungen von uns geben. Auf unserer Website und auf Facebook kann man auf jeden Fall auf dem Laufenden bleiben, wann und wo man uns in den kommenden Wochen hören und sehen kann.

 

Ahoi: Es gibt ja auch noch Die Lenas. Wie seid ihr denn zusammengekommen? Es trafen sich drei Lenas an der Theke?

Lena Hauptmann: Die Lenas, das sind noch die Sängerinnen Lena Neumann, Anna-Lena Panten und unser Pianist Elias Vollmer. Wir haben uns alle während unseres Jazzstudiums an der Hochschule für Musik & Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig kennengelernt. Wir hatten alle direkt einen besonderen Draht zueinander und eine gemeinsame Vorliebe für chorischen Satzgesang, den wir in Swing-Klassikern á la Andrew Sisters, aber auch in modernen Miles Davis-Arrangments oder eigenen Pop- und Soul-Titeln auf die Bühne bringen.

 

Ahoi: Und was ist mit dem TrioVoyage?

Lena Hauptmann: Das ist mein neustes Projekt mit dem Dresdener Jazz-Posaunisten Micha Winkler und meinem Bruder Chris Hauptmann an der Gitarre. Wir haben uns durch die Dresden Big Band kennengelernt mit der wir regelmäßig Auftritte spielen. Wir hatten Lust, etwas ganz Neues auf die Beine zu stellen und so ist unser aktuelles Trio-Programm „Lausitz-Rio und zurück, ein musikalisch-lyrischer Trip“ mit Songs von Manfred Krug, Baden Powell, Karussell & Lift entstanden, das am 15. Juli 2022 um 20 Uhr Premiere im Dresdner FriedrichstaTT Palast feiert.

 

Ahoi: Zurück zu Deinem Studium in Leipzig. Ich kann mir immer gar nicht so richtig vorstellen, was man hier an der HMT so studiert? Was lernst Du hier und wie und wie lange und bei wem? Und mit wem?

Lena Hauptmann: Ich studiere derzeit noch Jazzgesang im künstlerischen Hauptfach bei der Jazzsängerin Pascal von Wroblewsky und Professorin Evelyn Fischer. In der Regel dauert so ein Studium acht Semester für den Bachelor of Music Jazz/Popularmusik.

Wir haben ein recht umfangreiches Pensum an Unterrichtsfächern, Projekten und Prüfungen. Neben Fächern wie Jazzklavier, Jazzharmonielehre und Gehörbildung, Improvisation, Komposition, Vokalensemble sowie verschiedenen Jazz-Ensembles, haben die Sänger noch zusätzlich Schauspiel, Tanzen und Sprecherziehung. Dann gibt es immer mal wieder größere Projekte z.B. ein „Ella Fitzgerald – Tribute“ oder Big Band-Abende unter der Leitung des Jazzsaxophonisten Rolf von Nordenskjöld oder dem WDR Big Band-Arrangeur Ansgar Striepens. Im April habe ich beim HMT-Jazz-Festival gemeinsam mit Kommilitonen ein improvisiertes Konzert mit dem Echo Jazz-Gewinner und Trompeten-Legende Markus Stockhausen spielen dürfen. Mit dem Filmschauspieler und Regisseur Frank Leo Schröder und Arrangeur Juan Garcia als musikalischen Leiter, haben wir vor einigen Jahren die Musicalshow „Songs in the Key of Life“ mit neuaufgearbeiteten Songs von Stevie Wonder, Prince und Michael Jackson auf die Beine gestellt. Die künstlerische Ausbildung an der HMT Leipzig ist also recht vielumfassend.

 

Ahoi: 2020 hast Du den Deutschen Rock & Pop-Preis eingeheimst. Es gab aber irgendwie kein richtiges Siegerinnenkonzert. Was war geschehen?

Lena Hauptmann: Eigentlich sollte es in der Siegerlandhalle im nordrhein-westfälischen Siegen ein großes Preisträgerkonzert mit viel Publikum geben. Aufgrund von Corona musste dieses jedoch leider ersatzlos ausfallen. Das war sehr schade ...

 

Ahoi: Wir wünschen Dir auf jeden Fall weiterhin viel Wind unter den Flügeln. Danke für Deine Zeit und Deine Musik.

Lena Hauptmann: Vielen lieben Dank für das sehr nette Interview. Es war mir eine Freude. Alles Gute für Dich.

Lena Hauptmann im Netz:

www.lenahauptmann.de

 

Duo LeDazzo im Netz:

www.ledazzo.de

 

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