Ahoi: Guten Tag, liebe Tatjana Meissner. Ich freue mich, dass du am 13. und 14. August wieder nach Leipzig kommst. Interessanterweise hast du dein Programm „Die pure Hormonie“ mit im Gepäck. Was soll dies jedoch bedeuten? Klingt schlüpfrig … oder ist es eine ironisch formulierte dystopische Kritik?
Tatjana Meissner: „Dystopisch“ klingt sehr intellektuell, stimmt aber. Denn ich widme mich in meinem Programm nicht nur den allgemeinen Fortpflanzungsritualen meiner Mitmenschen, sondern vor allem dem Fortbestand der Menschheit. Wie auch in meinem gleichnamigen Familienroman, ärgere ich mich über eine innerfamiliäre Fehlentwicklung, die auf einer Drei-Generationen-Kreuzfahrt zu Auseinandersetzungen führt. Der Grund dafür ist, dass meine Tochter mit über 30 noch keinen Gedanken an eigenen Nachwuchs verschwendet, wogegen sich die ständig betroffenen Bio- und Ökonerds in meiner Nachbarschaft permanent vermehren. Trotz aller Aufregung ist meine Show eine eher leichte Sommerunterhaltung, in der ich die Zuschauer in einen sonnigen Urlaub entführe und damit von eventuell befürchteten Worst-Case-Szenarien unseres Alltags ablenken kann.
Ahoi: Das wahre Leben ist voller Absurditäten, da braucht die gut informierte Kabarettistin ja kaum noch Fantasie, um Programme zu schreiben. Woher beziehst du deine Inspiration, liebe Tatjana? Woher ganz konkret?
Tatjana Meissner: Natürlich ist es viel schwerer, mit ironischen, unvorstellbaren und darum lustigen Überhöhungen auf der Bühne zu punkten, wenn das Publikum, aufgrund seiner in letzter Zeit gemachten Erfahrungen, meine Äußerungen nicht mehr für eine lustige Phantasie, sondern für eine wahrhaftige, zeitnahe Ankündigung halten könnte. Da bleibt das Lachen im Hals stecken. Darum brauche ich derzeit etwas mehr Fantasie bei der Auswahl der Themen und suche mir die aus, die länger Relevanz haben als eine Ampelschaltung. Im Moment lese ich ein populärwissenschaftliches Buch über das menschliche Gehirn. In dem Thema liegt viel Potenzial.
Ahoi. Du bist auch erfolgreiche Buchautorin – ich weiß von neuen Werken, die aus der Corona-Wegschließ-Phase heraus entstanden. Kannst du uns über die Bücher etwas erzählen?
Tatjana Meissner: In der Buchreihe „Sechs Quadratmeter Leben“ beschreibe ich jeden einzelnen Tag meines aus den Fugen geratenen Lebens. Dabei versuche ich so ehrlich, nachvollziehbar, geistreich, gewitzt und offen zu berichten, als hätte ich nie einen Mundschutz getragen. Dieses Buch ist ein emotionales Zeitdokument, aber auch ein Rückblick auf mein Leben als ostdeutsch sozialisierte Tochter, Mutter und Entertainerin und natürlich auch eine Komödie, wie sie nur in Krisensituationen geschrieben werden kann.
Ahoi: Und wo kann man diese Bücher kaufen?
Tatjana Meissner: Es sind acht schmale Bücher entstanden, die man als E-Book überall kaufen kann, wo es E-Books gibt. Möchte man, so wie ich immer noch, gern beim Lesen Papier fühlen, dann bekommt man die Tagebücher über Amazon. Ich weiß, dass das den einen oder anderen empören könnte, aber nur dort konnte ich ohne Vorkosten veröffentlichen. Und obwohl die Bücher erst bei Bestellung gedruckt werden, kommt die Lieferung zwei Tage später.
Ab September werde ich eine gekürzte Zusammenfassung aller acht Teile unter dem Titel „Die fabelhafte Welt der Pandemie“ bei meinen Veranstaltungen verkaufen.
Ahoi: In deinem Programm geht es auch – wie ich las, aus küchenpsychologischer Sicht – ins Politische. Ist dies heutzutage nicht Glatteis, wobei Herden von Aufpass-Menschen und Imnetz-Denunzianten schon mit ihren Spitzhacken und Eispickeln warten?
Tatjana Meissner: Man sollte in meinen Programmen politische Satire eher im Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Studien erwarten. Wenn ich zum Beispiel in meinem Sommerprogramm in Leipzig über Krieg und Frieden philosophiere, dann geht es hauptsächlich um den Einfluss sexueller Handlungen auf Krisen und Konflikte jedweder Art und Größenordnung. Zwar hatte ich durchaus schon mit Aufpass-Menschen zu tun, allerdings nur online, nicht in meinen Veranstaltungen. Meine Zuschauer kommen zu mir, weil sie entweder meine Meinung teilen oder akzeptieren. Ich glaube, wenn man einander in die Augen sieht, hilft das beim Verstehen und bei gegenseitiger Akzeptanz.
Ahoi: Was bestimmt die wenigsten Menschen wissen: Du hast an der Leipziger Handelshochschule studiert. Aber was denn und wann denn und warum denn und was ist daraus geworden?
Tatjana Meissner: Anfang der 80-er Jahre war das. Zu einer Zeit, als wir noch am Leuschner Platz im Merkur-Haus unsere Seminare und in der Karl-Marx-Uni die Vorlesungen besuchten. Merkur ist der Gott der Händler und Diebe. Das hat mir wahrscheinlich bei meinem Abschluss als Diplomökonom geholfen. Und auch, wenn ich nicht lange im Großhandel gearbeitet habe, bin ich bis heute glücklich, diese spannende Zeit in Leipzig erlebt zu haben. Mit losem Birnenwein im Eimer, mit BA-HU-Fasching, Konzerten in der Moritzbastei und Partys in der DHfK. Auch das Studieren ökonomischer Zusammenhänge, betriebswirtschaftlicher Grundlagen und politischer Ökonomie war nicht ganz umsonst. Bis heute kann ich gut rechnen, sodass mir mein Beruf nicht nur Spaß macht, sondern ich auch davon leben kann.
Ahoi: Zum Schluss noch einmal zurück zur Hormonie. Du trittst zum ersten Mal in der Leipziger Pfeffermühle auf. Warum sollten die Menschen unbedingt und unter allen Umständen auch mal in die Pfeffermühle kommen?
Tatjana Meissner: Zum einen, weil die Pfeffermühle in diesem Sommer erstmalig eine Bühne in Webers Hof in der Hainstraße bespielt. Man kann also in lauschiger Freiluft-Atmosphäre bei einem Bier oder Wein Kabarett genießen und bei schlechtem Wetter gleich nebenan ins Haus der Pfeffermühle ausweichen. Und zum anderen, weil ich beim „ersten Mal“ auf die Unterstützung vieler Zuschauer angewiesen bin. Damit sich das herumspricht, dass ich ab jetzt in der Pfeffermühle für gute Laune und entspannte Abende sorge.
Ahoi: Danke, liebe Tatjana, für deine Zeit und deine Antworten. Und lass dir das Kommen nicht schlechtreden.