Michaela Koschak kennen die meisten Hiesigen aus dem TV, jüngere Mitmenschen eher aus dem Internet und andere Schlaumi-Schlümpfe von Veranstaltungen oder von den Titeln diverser Bücher. Gerade ist auch wieder ein neues Buch erschienen. Hier prangt ihr Gesicht hinten drauf. Ahoi-Redakteur Volly Tanner traf sie während der Premiere des Buches und sprach mit ihr. Über Klimaschutz, Selbstermächtigung und den berühmten Gang herunter, den man nur mal schalten muss, anstatt immer zu rennen und zu rennen und zu rennen …
Ahoi: Guten Tag, Michaela Koschak. Gerade erschien Dein neues Buch „Hitze, Flut und Tigermücke“ bei HERDER. Es geht, wie unschwer am Namen des Buches abzulesen ist, um Klimaschutz. Das nächste mit Zahlenmaterial vollgepackte Buch zum Thema? Oder was macht Dein Buch besonders?
Michaela Koschak: Du hast recht, es gibt schon jede Menge Bücher über das Thema, aber jedes Buch dazu ist wichtig, denn den Klimawandel einzudämmen ist DIE Aufgabe unserer Generation. Wir haben noch etwa 30 Jahre, um unseren Planeten zu retten, um unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Erde zu hinterlassen. Wir müssen es schaffen, dass wir als Gemeinschaft die Transformation zur klimaneutralen Welt schaffen - je schneller wir handeln, desto leichter wird es. Jedes Zehntel Grad zählt, jede Tonne CO2, die wir einsparen, zählt. So vielen Menschen wie möglich muss das klar werden. Jeder Autor hat eine andere Ansprechhaltung, findet seine eigenen Worte, diese Monsteraufgabe zu erklären, somit erreicht jedes Buch andere Menschen. Deshalb ist jedes Buch zum Thema wichtig und meins ist dabei sehr privat, zwar voll Fakten, die aber nicht erschlagen, sondern bildstark die Situation unseres Planeten beschreiben. Das Buch ist optimistisch und voll praktischer Tipps, wie wir nicht nur geerdeter und für uns selbst gesünder, sondern auch umweltverträglicher in Zukunft durch Leben können.
Ahoi: Sven Plöger (TV-Moderator und Diplom-Meteorologe) und Eckart von Hirschhausen sind ebenfalls mit im Buch-Boot, bei Plöger ist das verständlich, schließlich bist Du ebenfalls Diplom-Meteorologin – aber bei von Hirschhausen? Was verbindet Dich mit ihm und welche Rolle spielt er im Buch?
Michaela Koschak: Beides sind gute Freunde und tolle Klimakommunikatoren. Wir sind mit vielen anderen großartigen Kollegen zusammen eine Gemeinschaft und versuchen so vielen Menschen wie möglich, jeder auf seine Art, die Problematik der Klimakrise und der wenigen Zeit, die wir noch haben, an den Mann und die Frau zu bringen. Ich glaube, wir drei ergänzen uns da sehr gut: Plögi kann sensationell komplizierte Zusammenhänge erklären und Menschen für Naturwissenschaft begeistern und Ecki überzeugt mit seinem gesundheitlichen Wissen - Gesunder Mensch, gesunde Erde. Ich bin von beiden Ansätzen überzeugt. Nie wird jeder Einzelne von uns alle erreichen, aber zusammen sind wir ein starkes Team und versuchen so ein bisschen die Welt zu retten und die Menschen zu überzeugen, mitzumachen.
Ahoi: An wen richtet sich Dein Buch? Jedes Buch braucht Adressaten, sonst wäre es nur Liebhaberei.
Michaela Koschak: Es richtet sich durch seine leichte, lockere und private Art des Schreibens vor allem an Menschen, die sich vielleicht bisher noch nicht jeden Tag mit dem Thema Klimawandel beschäftigen. Ich glaube, fast jeder hat mittlerweile gemerkt, dass die Klimakrise nicht nur Eisbären am Nordpol und Menschen in den Fluten von Bangladesch betrifft, sondern das Extremwetter, die Hitze und Tigermücken auch bei uns vor der Haustür angekommen sind. Aber ich glaube, viele sind ein wenig unsicher, wie sie selbst mithelfen können - die großen Hebel sind doch die Wirtschaft und die Politik. Ja, das stimmt, aber auch jeder Einzelne kann etwas tun und mit diesem Buch möchte ich möglichst viele Menschen an die Hand nehmen, genau das zu tun. Ich möchte, dass sie verstehen, wie es um unseren Planeten steht und wie sie sich selbst wieder wohler in der heutigen Zeit voller Krisen fühlen. Zurück zur Natur, nicht immer „höher, schneller, weiter“ sondern miteinander und ressourcenschonender in weniger Hektik seinen Alltag bewältigen, wieder mehr geerdet sein und respektvoller unserer Umwelt gegenüber unterwegs sein. Das geht und ist auch gar nicht so schwer.
Ahoi: Auf dem Nachrichtenportal t-online gibt es seit einigen Jahren Koschaks Klima-Kosmos. Was beschreibst Du dort konkret, wie begann es dort und was verbindet Deinen Klima-Kosmos mit dem Buch?
Michaela Koschak: Richtig, ich bin bei t-online seit 2019 Wetter- und Klimaexpertin und Kolumnistin. In „Koschaksklimakosmos“ erkläre ich möglichst einfach und sehr bildstark regelmäßig komplizierte Klimawandel-Zusammenhänge und neue Studien zum Thema. Im Buch kann man per QR-Codes diese Videos passend zu den Kapiteln anschauen. So wird das Buch noch ein bisschen mehr aufgelockert und lässt die Leser manche wirklich komplizierten Prozesse im Klimawandel besser verstehen.
Ahoi: Und Du selbst? Wie setzt Du selbst Deine Vorschläge an die Menschen um?
Michaela Koschak: Ich versuche, mit meiner Familie schon seit Jahren so klimafreundlich wie möglich zu leben, gebe aber zu, auch ich schaffe es im hektischen Alltag nicht immer. Ich würde noch viel öfter gern in Unverpacktläden einkaufen gehen und häufiger das Rad statt das Auto nutzen. Deshalb habe ich im Buch auch die Idee einer Vier-Tage-Woche eingebaut: Endlich mal Zeit für wichtige Dinge, die einem gut tun und auch dem Umweltschutz dienen. Wir sind alle nicht perfekt und das Leben genießen ist mir sehr wichtig - denn nur, wenn wir glücklich sind, können wir auch Dinge schaffen/erreichen. Gewohnheiten umstellen ist nicht leicht, aber genauso wenig wie man im Schlaf abnehmen kann, geht auch Klimaschatz im Schlaf nicht. Wir müssen dranbleiben und manchmal unsere bisherigen Komfortzonen verlassen. Manchmal merkt man erst danach, wie stur und unkomfortabel man sich verhalten hat. Beispielsweise backe ich nur noch selbst Brot und damit geht es mir viel besser, ich vertrage es einfach besser und ehrlich gesagt, man schafftes, das in seinen Alltag einzubauen. Ich arbeite wirklich viel, aber nehme mir kleine Auszeiten, wie Brot backen, Marmeladen einkochen und die Kinder mit dem Rad in die Schule bringen - das schaffen Andere auch, auch wenn es vielleicht andere Dinge sind, die sie umsetzen. Einfach das Bewusstsein für eine umweltfreundliche Umstellung im Leben schärfen, das ist mir wichtig.
Ahoi: In einem Gespräch bei Hugendubel Leipzig erwähntest Du, dass es nur miteinander und nicht immer gegeneinander geht, die Welt ein bisschen zu retten und sprachst auch über die Rolle der Medien. Nun sind wir beide Medienschaffende. Wie können wir selbst und unsere Kolleginnen und Kollegen besser agieren?
Michaela Koschak: Vor allem, das richtige Informieren und eine sensible Ansprechhaltung sind wichtig. Das Thema ist sehr komplex und vielfältig und greift eigentlich in alle Lebensbereiche. Ich glaube, wir Medienschaffende sollten den Ernst der Lage vermitteln, aber gleichzeitig Mut machen zu Veränderung. Das ist nicht leicht, das ist mir klar - aber mit Panikmache und der Verzichtsdebatte erreichen wir nur Angst und Schrecken in der Gesellschaft. Das führt nicht zum Ziel. Uns als Medien muss klar sein, dass alles, was wir veröffentlichen, beim Empfänger Emotionen auslöst - wir sollten also versuchen, sensibel und behutsam das Thema zu behandeln. Ich glaube, einmal weniger über Klimawandel, Klimakrise, Klimanotstand zu reden, sondern über die Schönheit und Faszination von Mutter Erde und was wir da für einen Schatz haben, bringt manchmal mehr und erreicht mehr Menschen.
Ahoi: Im Titel Deines Buches erscheint die Tigermücke, lat. Aedes albopictus, welche invasiv aus dem Reich der Mitte in unsere Welt hineingeflogen kommt. Nun bricht das Land auch hier schon wieder völlig in Panik aus, auch Zeckenschwarden bekrabbeln todbringend Kinderbeine, sobald man nur die heimatliche Betonburg verlässt. Ist das nicht schlimm?
Michaela Koschak: Ja, genau das finde ich auch schlimm. Nicht jede Zecke bringt FSME oder Borreliose. Das heißt nicht, dass wir unvorsichtig sein sollen, sondern gut geschützt. Das heißt, lange Kleidung, Impfungen und sorgfältiges Absuchen nach einem Waldbesuch sind wichtig. Aber die Menschen sollen raus in die Natur gehen und erleben, wie stark sie ist. Wir waren letztens mal wieder im Elbsandsteingebirge, wo der Borkenkäfer heftig zugeschlagen hat - aber der junge neue Wald, der da entsteht, ist faszinierend und macht Hoffnung - die Natur hat so viel Kraft und ist so stark. Meine Devise lautet: Rausgehen und mal wieder mehr um sich herumschauen und nicht zu Hause hocken und über alle anderen schimpfen. Sondern selbst aktiv werden.
Ahoi: Dass das Klima sich wandelt, ist Fakt. Wie viel Anpassung ist jedoch möglich? Wo ist Schluss?
Michaela Koschak: Ja, da müssen wir das richtige Maß finden: je früher wir Klimaschutz betreiben und je weniger Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, desto besser. Je länger wir warten, desto teurer wird es, denn bis dahin ist schon wieder viel passiert. Klimaschutz kostet Geld, Aufwand und vielleicht auch Einschränkung - aber kein Klimaschutz kostet noch mehr Geld und vor allem Menschenleben - siehe das Ahrtal. Wir müssen uns auf alle Fälle anpassen, denn es ist ja schon 1,1 Grad Celsius wärmer im Durchschnitt in Deutschland im Gegensatz zur vorindustriellen Welt geworden, das werden wir nicht mehr rückgängig bekommen. Das heißt: mehr Hitze im Sommer, was bei unserer alternden Bevölkerung viele Hitzetote bedeuten wird; mehr Dürren, was für die Landwirtschaft ein großes Wassermanagement-Problem bringen wird und regionale Fluten; vielleicht auch ganz andere Pandemien, die wir bisher erlebt haben, wird es geben. Da müssen wir uns anpassen und das Ganze in Kombination mitvorbeugen - ich weiß, das ist eine riesige Herausforderung, deshalb ist es ja so wichtig, möglichst jeden dafür sensibel zu machen, sodass wir alle gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und loslegen.
Ahoi: Veränderung hilft auch im Kleinen, das ist mir bewusst. Doch hilft es eben auch nicht, der Größer-Höher-Weiter-Ideologie einfach zu folgen oder eine andere Ideologie dagegen zu setzen. Es braucht Verständnis, Zusammenhänge, Weitsicht und Menschlichkeit. Vielleicht sogar alternatives Denken, obwohl mir das im Moment sehr verpönt scheint. Was kann ich tun? Wo ich doch immer so zweifle …
Michaela Koschak: Gehe in die Natur heraus und lass sich darauf ein, nimm dir Zeit und beobachte mal mit deinen Kindern zusammen eine halbe Stunde lang einen Regenwurm oder eine Biene. Ich glaube, dann verstehst du meinen Ansatz. Auch, sich mal lange zum Thema mit Omi unterhalten hilft häufig; diese Generation war viel nachhaltiger unterwegs als wir und sie wussten noch nicht, wie schlecht es um unseren Planeten steht. Sie haben teils ums Überleben gekämpft und echt Hunger gehabt. Rede mit ganz vielen Menschen über eine weniger hektische, naturnahere Welt - schalte eine Gang zurück und frage dich, ob Geld und Macht wirklich der Ansporn fürs Leben sein soll. Klar, gibt es viele Menschen, die es wirklich schwer, auch heutzutage, haben und von denen wir keinen Klimaschutz erwarten dürfen. Dafür sollte die Politik mehr Dinge schnell beschließen, um soziale Gerechtigkeit wieder grösser Schreiben zu können. Dann gebe es mehr Zufriedenheit in der Gesellschaft und das würde uns beim Thema Klimaschutz sehr helfen. Respekt der Natur gegenüber und mehr Miteinander, sich helfen und füreinander da sein - im Kleinen wie im Großen, denn nur global schaffen wir unseren Planeten zu helfen, das würde mir gefallen und ich glaube, das würde uns allen in der Seele und im Herzen guttun.
Ahoi: Danke, liebe Michaela, für Dein Engagement, Deine Zeit und Deine Antworten. Und für Deine Tipps.