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Line Dance kommt aus den Anfängen der Discoszene in Amerika.

Gespräch mit dem Line Dance Weltmeister Ü60 Jens Tobias von den Parthe Boots aus Taucha

Jens Tobias bei der WCDF World XV © World CDF

Line Dance, da haben viele Menschen ein Bild von, sogar etwas Musik klingt sofort auf. Dass Taucha jedoch ein Hotspot dieser Sportart im Tanz ist, wissen die wenigsten Personen. Jens Tobias von den Parthe Boots ist sogar Weltmeister. Ahoi-Redakteur Volly Tanner traf ihn und fragte ihn aus:

 

Ahoi: Guten Tag, Jens Tobias. Erst einmal Trommelwirbel und Glückwunschberge: Sie haben im „Wunderland Kalkar“ bei der WM im Line Dance in der Kategorie „Line Classic“ in der Gruppe Ü60 WM-Gold geholt. Das ist echt der Hammer. Wie fühlt es sich denn an, der Allerallerbeste zu sein?

Jens Tobias: Erst einmal vielen Dank für die herzlichen Glückwünsche. Die fünf Tage in Kalkar waren wirklich sehr erfolgreich. Und das nicht nur in Bezug auf die Wettbewerbe, sondern die gesamte Veranstaltung, mit ihren Workshops, abendlichen Partys, Galadinner etc. war ein tolles Erlebnis. Und natürlich die Tatsache, endlich wieder bei einer WM tanzen zu können – nach zwei Jahren Corona-Pause – war allein schon ein Grund zur Freude. In dieser doch sehr langen Zeit gestaltete sich das Training nicht immer einfach. Die Fragen, wann werden wieder Turniere stattfinden oder wie kann man über einen so langen Zeitraum das sportliche Level halten, denn immerhin habe ich mich auch auf verschiedene Wettkämpfe final vorbereitet, die dann Corona bedingt nicht stattfanden, machten das tägliche Training auch nicht gerade leichter. Umso schöner fühlt sich jetzt dieser Erfolg an.

 

Ahoi: Nun sind Sie ja kein einsamer Tänzer, sondern im Team der Parthe Boots. Und mit denen haben Sie bei der WM auch noch Bronze in der Kategorie „Line Open“ geholt. Das bedeutet ja Doppelerfolg. Können Sie uns da etwas darüber erzählen? Wie viele Menschen tanzten da „Open“? Was für Tänze gibt es dort und was ganz konkret ist dieses „Open“?

Jens Tobias: Also, wenn Sie so fragen, dann war ich bei der WM schon ein einsamer Tänzer, der Einzige aus Leipzig. Auch wenn Line Dance im Allgemeinen natürlich gemeinsam getanzt wird, so gibt es beim wettkampfmäßigen Tanzen doch einige Unterschiede zum Hobbytanzen. Das sind zum Beispiel verschieden Wettkampfkategorien. Die bedeutendste Kategorie ist „Line Classic”, in der ich auch Weltmeister geworden bin. Hier stehen zwar auch mehrere Tänzer gemeinsam auf dem Parkett, aber jeder tanzt gegen den Anderen und wird entsprechend auch einzeln bewertet. Also so ähnlich wie beim Standardtanz, nur eben als Solotänzer. Daneben gibt es Wettkämpfe im Partnertanz, Formationstanz – hier treten Gruppen mit ihren eigenen Choreografien gegeneinander an, im Rollstuhl Line Dance – eine ganz tolle Sache, Modern Line Dance und im Showdance an. Neu, und damit zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft, wurde in der Kategorie „Line Open” getanzt. Hier treten Frauen und Männer in einer Kategorie gegeneinander an. Das ist schon ziemlich spannend. Denn bisher gab es bei den Einzelwettbewerben nur den Wettkampf nach Männern und Frauen getrennt. Eigentlich habe ich meine Teilnahme in dieser Kategorie mehr als ein Experiment gesehen, denn es war ja quasi ein Sprung ins kalte Wasser. Umso erfreulicher war für mich dann natürlich der „Sprung aufs Treppchen”.

Und um die Frage bezüglich der Tänze zu beantworten: während eines Wettkampfs tanzen wir sechs verschiedene Tänze. Das sind Polka bzw. East Coach Swing (so genannte Lilt-Tänze), Night Club bzw. West Coach Swing (Smooth Tänze), Walzer, Cha Cha, Funky und einen Noveltly Tanz. Beim Noveltly ist, im Gegensatz zu den anderen fünf Tänzen, die Motion, also der Tanzstil, nicht vorgegeben und es werden die vorgegebene Choreographien zur Musik individuell vertanzt. Das kann Rock´n Roll, Charleston, Blues oder Musik aus Musicals sein. Hier sieht man übrigens auch immer die schönsten und kreativsten Kostüme.

 

Ahoi: Und Ihre Parthe Boots? Seit wann gibt es die und wo und wer macht alles mit und warum?

Jens Tobias: Den Verein “Parthe Boots Linedance Taucha e.V.” gibt es seit 2012. In ihm tanzen hauptsächlich Breitensport- und Hobbytänzer. Wir treffen uns immer dienstags 20:00 Uhr in der Mehrzweckhalle in Taucha. Daneben gibt es auch Mitglieder, die zusätzlich bei Turnieren tanzen, bzw. das im November zum ersten Mal vorhaben. Dazu findet immer mittwochs ein zusätzliches Training in Leipzig, in der Döllingstraße statt. Uns verbindet alle natürlich die Liebe zum Line Dance und die Möglichkeit, unserem Hobby gemeinsam in einer Gruppe nachgehen zu können. Dazu kommen noch die vielen Möglichkeiten, mit anderen Line Dancern auf den vielen Line Dance Partys zu tanzen. Denn Leipzig hat wirklich eine große und ganz tolle Line Dance Szene.

 

Ahoi: Im November finden die Sachsenmeisterschaften statt. Da gibt es doch bestimmt nur ein Ziel: Den Sieg – oder? Oder geht es vielleicht gar nicht so zwingend um die Medaillen?

Jens Tobias: Der nächste Höhepunkt, auf den wir uns vorbereiten, sind die sächsischen Meisterschaften am 26. November 2022 in Pirna. Das ist schon seit vielen Jahren für uns ein absolutes „Muss” und für die meisten von uns der Abschluss eines anstrengenden Trainingsjahres. Diese Veranstaltung ist natürlich nicht so groß wie eine WM, aber vielleicht auch deshalb umso herzlicher. Sie wird immer mit sehr viel Herzblut vom TSC Silberpfeil e.V. Pirna ausgerichtet. Vielen Dank an dieser Stelle an die Organisatoren und die vielen ehrenamtlichen Helfer. Und natürlich geht es bei einem Wettkampf auch immer um Leistung und Erfolg. Vor allem, da einige Tänzerinnen von uns dort ihren ersten Wettkampf bestreiten werden. Da ist auf jeden Fall Herzklopfen kostenlos angesagt. Und das nicht nur bei den Teilnehmerinnen, sondern auch bei mir, als dem verantwortlichen Trainer.

 

Ahoi: Aufgrund Ihrer Arbeit und der herausragenden Leistungen der Parthe Boots in der Vermittlung des Kulturguts Line Dance, werden die Europameisterschaften 2023 in Taucha stattfinden. Das ist ein großer Gewinn für die Region. Wie waren Sie in die Entscheidungsfindung involviert? Wer hat entschieden? Und was heißt das eigentlich ganz konkret, wenn die EM nach Taucha kommt?

Jens Tobias: Da habe Sie vollkommen Recht: Die Europameisterschaften vom 19. bis zum 21. Mai 2023 in Taucha austragen zu dürfen, ist ein ganz großer Gewinn und ein toller Erfolg für alle Line Dancer der Region in und um Leipzig. Und es war auch schon eine Menge Vorarbeit nötig, um die WCDF – den Weltverband des Line Dance – von Taucha als Veranstaltungsort zu überzeugen. Denn Leipzig kennen viele – aber Taucha? Dazu kommt, dass die EM das erste Mal nach Deutschland kommt. Jetzt hoffen wir natürlich auf entsprechende Unterstützung, sowohl der Stadt Taucha, der gesamten Line Dance Szene der Region und möglichst vieler weiterer Unterstützer und Sponsoren. Denn allein kann unser Verein so ein Event natürlich nicht ausrichten. Wir machen das ja alles gemeinsam im Ehrenamt und aus Liebe zu unserem Sport. Dazu kommt, wenn diese Veranstaltung ein Erfolg wird, und davon gehen wir ja aus, ist für Leipzig ein jährlich stattfindendes offenes nationales Turnier geplant. Und das ist natürlich noch ein weiterer Ansporn mehr für uns.

 

Ahoi: Braucht es eigentlich noch Mittanzende? Oder sind die Parthe Boots schon gut gefüllt? Wer kann sich bei Ihnen melden und wo und wie?

Jens Tobias: Mittänzer sind bei uns natürlich immer gerne gesehen. Und das Schöne am Line Dance ist ja, dass es hier keine Altersbeschränkung gibt und jeder, der Spaß am Tanzen hat, mitmachen kann, egal ob Anfänger oder schon erfahren. Für diejenigen, die gerne auch einmal an einem Turnier teilnehmen möchten, ist natürlich Tanzerfahrung – egal, ob nun im Line Dance, Standard und Latein, Breakdance oder Contemporary – von Vorteil, aber eben kein Muss. Am besten per - unter line-dance@online.de eine Kontaktanfrage stellen und ich melde mich dann zurück.

 

Ahoi: Zurück zum Line Dance an sich: Wo kommt denn die Faszination für den Line Dance bei Ihnen her?

Jens Tobias: Eigentlich ist es schon verrückt, denn obwohl sehr viele Menschen eine eher falsche Vorstellung vom Line Dance haben, sind sehr Viele davon fasziniert und wollen es wenigstens einmal ausprobieren. Ich denke, dass liegt daran, dass, außer der Tatsache, dass Tanzen ja sowieso eines der ältesten und quasi grundlegenden Bedürfnisse der Menschen, sich körperlich auszudrücken ist, es hier die Möglichkeit gibt, alleine, aber dennoch gemeinsam in einer Gruppe zu tanzen. Und mit alleine meine ich auch Paare, die zwar zusammen tanzen möchten, dies aber aus beruflichen, familiären oder anderen Gründen nicht immer können. Und dann spielt natürlich auch die Musik eine wichtige Rolle. Line Dance ist eben viel mehr als Country, Cowboyhut und Stiefel. Eigentlich ist es das vom Ursprung her gesehen auch gar nicht. Denn Line Dance kommt aus den Anfängen der Discoszene in Amerika. Und entsprechend vielfältig ist die Musik, nach der wir tanzen, von aktuellen Hits über Schlager, Hip-Hop, Rock`n Roll und und und … ist alles dabei. Das waren auch meine Gründe, warum ich Line Dance unbedingt einmal ausprobieren wollte.

 

Ahoi: Und was ist der Unterschied zwischen Line Dance und Country Dance?

Jens Tobias: Country Dance sind eigentlich alle Tänze, die zu Countrymusik getanzt werden. Am bekanntesten ist hier sicher der Square Dance. Dazu kommen verschiedene Arten des Contra Tanzes (von dem sich übrigens der Begriff Country Dance ableitet) wie Scamperdown, Double Shuffle, Western Swing und Half Moon. Es gibt zwar auch Line Dance-Gruppen, die sich ebenfalls rein auf Countrymusik spezialisiert haben, aber in der Regel wird doch zu sehr unterschiedlicher Musik getanzt.

 

Ahoi: Danke für die Aufklärung und Ihnen noch weiterhin viel Freude und Erfolg beim Tanzen.

Jens Tobias: Vielen Dank für Ihre guten Wünsche und vielleicht sehen wir uns ja nächstes Jahr bei den Line Dance Europameisterschaften in Taucha. Sie dürfen auch gerne bei dem einen oder anderen Workshop für Line Dance Neugierige mittanzen.

Kontakt Jens Tobias:

line-dance@online.de

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