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Längerfristig planen, kurzfristig entscheiden

Gespräch mit dem Beatmasters M Allstars-Beatmaster Stephan Mühl

Beatmaster M Allstars mit Aktivisten © Andreas Kretzschmar

Music is more than entertainment, sang eine wilde Band in der Zeit vor dem Konzerte-Aus durch die Bundesregierung. Glücklicherweise gibt es weiterhin Bands, die ihr Schaffen unter den guten Zweck bringen. Ahoi-Redakteur Volly Tanner traf Stephan Mühl von den beatmaster M Allstars und sprach mit ihm. Beispielsweise über Krebs.

 

Ahoi: Guten Tag, lieber Stephan Mühl. Du bist mittendrin bei den Beatmaster M Allstars. Was ist das denn für eine Kapelle? Und wer ist sonst noch dabei?

Stephan Mühl: Die Beatmaster M Allstars machen Brachial-Pop und bestehen eigentlich nur aus mir und meinem langjährigen Freund Rachid aus Berlin. Ich bin der „Beatmaster“ an Gesang und Gitarre, er ist die „Allstars“ an Gesang und Schlagzeug. Dann wird’s meistens sehr laut. Mittlerweile gibt es aber weitere „Allstars“, welche uns bei unseren akustischen Liveshows unterstützen. U. a. mein langjähriger Freund Ian Cox von „Cox and the Riot“. Da sitze ich gewohnheitsmäßig hinter der Schießbude. Wir hatten also dieses Jahr bereits ein paar großartige Abende in großer Besetzung, der „Beatmaster M Allstars Big Band“ sozusagen.

 

Ahoi: Ich erfuhr, dass es zu einer Spendenshow mit Euch gekommen ist – zum Thema Krebshilfe. Kannst Du uns bitte erzählen, wer das organisiert hat, wo es statt fand, wann und wer dabei war?

Stephan Mühl: Da ich als Schlagzeuglehrer im Leipziger Land arbeite, habe ich sehr viele Verbindungen dorthin. Die Eltern (Heidi und André) eines Schülers (Hugo) haben mich aufgrund persönlicher Betroffenheit bezüglich des Spendenthemas einfach angesprochen und das Ding war eigentlich eingeloggt. Also gab es am 26. Juni dieses Jahres ein Terrassenkonzert im privaten Garten in Greifenhein! So ziemlich jeder Beteiligte hatte einen großartigen Abend, somit ist eine Wiederholungstat 2023 bereits beschlossene Sache.

 

Ahoi: Und was ist für die Krebshilfe hängengeblieben?

Stephan Mühl: Immerhin 950 €! Das ist für so ein eher kleineres Event schon eine relativ große Summe.

 

Ahoi: Unser steinreiches Land, welches mal aus der Kalten einfach ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zaubern kann, steht im Gesundheitswesen nicht wirklich gut da. Die Menschen sind überarbeitet, die Krankenhäuser im Griff der Gewinnmaximierungskrake. Was könnte man tun, um da etwas zu verbessern? Ihr könnt ja nicht täglich und abendlich auf Spendenveranstaltungen auftreten …

Stephan Mühl: Ja, vielleicht hätten wir alle irgendetwas mit „Panzer“ studieren sollen. Bei mir stand aber was mit „Kultur“ im Diplom. Ich bin ja ein gnadenloser Optimist. Die Kultur- und Musikbranche ist ja dank Corona schon völlig zusammengebrochen. Man hatte keine Auftrittsmöglichkeiten. Jetzt haben wir wieder Auftrittsmöglichkeiten ohne Gage. Das ist doch eine klare Verbesserung der Situation. Und dank Wladimir setzen wir jetzt vermehrt auf Akustikkonzerte, dann treffen wir uns halt alle am Lagerfeuer wieder. Das geht dann auch im Winter, wenn Corona wieder am Start ist. Musik wird es immer geben, denn sie tut den Menschen gut! Jeder von uns kann sicher am meisten in dem Bereich helfen, in dem er besonders gut ist, daher bleibe ich eher beim Musizieren, als beim Kuchen backen.

 

Ahoi: Und was gibt es so musikalisch bei den Beatmasters? Wo kommt man an euer Material heran?

Stephan Mühl: Wir schreiben regelmäßig neue Song, ab und zu machen wir lustige Videos und spielen dann Konzerte. Das ist es, was Musiker machen sollten. Wir sind keine Promoter, Rechtsanwälte, Verleger oder ähnliches. Die Beatmaster M Allstars kann man überall dort sehen und hören, wo heutzutage Musik für umsonst zu bekommen ist. Beispielsweise kann man sich auch auf unserer Homepage www.beatmastermallstars.de informieren.

 

Ahoi: Du spielst aber auch anderswo. Wo denn überall?

Stephan Mühl: Ich bin derzeit relativ divers unterwegs, eine Konsequenz der letzten zwei Jahre. Auf einem Bein kann man schlecht musizieren. „Cox and the Riot“ habe ich bereits erwähnt, obwohl es hier tatsächlich eine zweijährige Schaffenspause gab. Im Oktober spiele ich mal wieder eine Akustikshow mit den Jungs von „100 Kiloherz“ als Perkussionist. Da waren wir letztes Jahr schon im Gewandhaus zu Leipzig. Außerdem habe ich meine Jungendsünde Roxette aus dem Keller geholt und eine Cover-Duo gegründet: „Silverblue Joyriders“. Momentan spiele ich tatsächlich mehr Shows als Sänger und Gitarrist, als als Schlagzeuger. Keine Ahnung wie viele Gigs mir auf diesem Planeten noch zur Verfügung stehen, also zitiere ich hier gerne meinen Freund Rob Cox: „Treasure the moment“! Wenn man über vierzig ist, gewinnt dieser kurze Satz mehr und mehr an Bedeutung.

 

Ahoi: Langsam wird es wieder kalt, die Angst vor Konzertraumschließungen schwelt. Was denkst Du, wie wird der Winter für Livebands?

Stephan Mühl: Ich denke gar nicht mehr viel drüber nach, sondern wir arrangieren uns mit dem, was möglich sein wird. Darin steckt sicher nicht ganz so viel Optimismus, aber eben eine Portion Realismus. Das heißt, man plant längerfristiger, entscheidet aber kurzfristig. Für den nächsten Sommer planen wir eine „Tour der besonderen Orte“ mit der Bigband. Terrasse, Scheune und Garage sind bereits gebucht. Clubs und Hallen kann ja jeder. Theoretisch. Wer hier noch tolle Ideen bzw. Orte (Dach, Dampfer, Waschküche etc.) hat, darf sich jederzeit bei uns melden.

 

Ahoi: Wie ist die Liveszene denn derzeit in Leipzig aufgestellt? Ich hörte davon, dass es immer weniger Orte gibt, um Live zu rocken.

Stephan Mühl: Das ist wohl wahr und traurig! Ich bin ja noch mit einer Klubszene in Leipzig, Dresden und Berlin musikalisch aufgewachsen, da konnte man jedes Wochenende spielen, wenn man nicht komplett talentbefreit war. Und selbst dann ging was. Bei den wenigen Klubs frage ich gar nicht mehr an, sondern weiche eher auf neue Orte aus. Oder man schließt sich mit anderen Künstlern zusammen und organisiert selbst. Auf welche Art und Weise der Musiker am Ende des Tages kein Geld verdient hat ist tendenziell egal. Ich ziehe die vor, die mir persönlich mehr Freude bereitet…

 

Ahoi: Danke, lieber Mühli. Und Euch allen nur das Beste.

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