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  • Interviews
Es gibt heute alle Möglichkeiten, aber fast keine Chancen.

Gespräch mit dem Barthez-Keyboarder und –produzenten Robin Oppenheimer

Einst sang Feeling B „Das Lied von einer unruhevollen Jugend“, nur, dass diese unruhenvolle Jugend von damals heute schon etwas in die Jahre gekommen ist. So erklärt sich eben auch eine relative Nähe zur Subversion in verschiedenen höheren Altersgruppen. Aus Erfahrung gewachsene Zweifel. Die Leipziger Band Barthez jedenfalls lässt sich nicht vereinnahmen. Und dies ist auch gut so. Irgendwo muss ja der gute echte Stoff produziert werden. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit dem Barthez-Keyboarder und –produzenten Robin Oppenheimer über das Album, seine Sicht auf die Welt und echte Legenden:

Barthez, die ganze Band © Barthez

Ahoi: Guten Tag, Robin. Du bist der Produzent und Keyboarder der Band Barthez. Wieso aber Barthez? Ich kenne nur den Fußballtorwart und Automobilrennfahrer Fabian Barthez. Wo kommt aber euer Barthez her?

Oppenheimer: Guten Tag, Volly. Genau daher. Der Name gefällt mir, da kann eine Rockband, ein Folkbarde, ein Hip Hopper, oder ein französisches Elektroprojekt dahinterstecken. Ich mag es, wenn nicht sofort alles klar ist. Und es passt dahingehend gut zu unserem Projekt.

 

Ahoi: Wenn ich mir so die Bandmemberliste von Barthez so anschaue, ist da ja nur höchstgebildeter Musikantenadel im Betrieb. Kannst Du uns zu den Mannen und der Frau mal was erzählen? Wer ist fest dabei und was haben diese alle schon gemacht?

Oppenheimer: Tom Stephan und Thomas Gumprecht kennt man von der Indie-Legende Die Art. Tom trommelte dort bis zu ihrer vorübergehenden Auflösung 2000. Er ist Gründungsmitglied von dem Vorgänger Die Zucht, der vor drei Jahren anlässlich des Festivals „Heldenstadt anders“ reanimiert wurde. Sie haben dann gleich noch eine tolle Platte aufgenommen und einige Auftritte standen schon fest, dann kam das Virus. Ich hoffe sehr, dass die Konzerte nachgeholt werden. Die Art gibt es ja zum Glück schon eine Weile wieder und ich hörte, da ist einiges geplant. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf Gumprechts wunderbare Gitarrenwände.

Olaf Dix (Bass) und Mathias Schroeter (Gesang, Gitarre) spielen zusammen bei Fagin und New Dunleans. Die Letzteren hatten bei uns im Midas ein paar Songs aufgenommen, daher kenne ich auch Mathias. Olaf kenne ich schon ewig, er ist ein Allround-Bassist, spielt Jazz z.B. bei Market Place, Blues bei Zenit oder eben handgemachte Rockmusik bei den beiden Bands mit Mathias.

Nicole und Tino Hohndorf spielen bei fake for real, einer wirklich guten Coverband. Tino habe ich über die Tontechnik-Schiene kennengelernt, er betreibt in Bitterfeld das Studio Null 5. Wir hatten sehr schnell einen guten Draht zueinander und er hat als Co-Produzent einen großen Einfluss auf die CD genommen.

 

Ahoi: Für das Album „Wrong Turn“ habt ihr auch Gäste im Boot, hochkarätige Gäste, sogar echte Helden. Wen denn so?

Oppenheimer: Der Schauspieler und Musiker Peter Schneider spielt das großartige Saxophon-Solo beim Song Pandora. Ich hatte ihn im Studio kennengelernt bei zwei Produktionen, einmal mit seiner Band Saitlinge und mit einer Theaterband. Damals hatte er gerade „Heimat 3“ abgedreht. Inzwischen ist seine Karriere steil nach oben gegangen, Hauptrollen in den Filmen „Die Summe meiner einzelnen Teile“, „Jedes Jahr im Mai“ und in der Neuverfilmung „Nackt unter Wölfen", dazu die Serienrolle bei „Usedom“ und vieles mehr. Und zuletzt der Ritterschlag: er ist einer der beiden Kommissare im neuen Halle-Polizeiruf.

Ralph Schüller und Nico Schneider habe ich konkret für die Barthez-Produktion kennengelernt; ich suchte für Bridge einen Dobro– und einen Banjo-Spieler. Mit Nico war die Arbeit auf professioneller Ebene, aber aus der Zusammenarbeit mit Ralph ist mehr geworden. Wir sind inzwischen befreundet, ich habe ein Album seiner Band Schuelleraufgenommen und Ralph hat auch an der Covergestaltung mitgeholfen. Apropos Cover, die Gestaltung lag in den Händen von Roger Troks, der mit seiner Band Kulturwille auch beim „Heldenstadt Anders“-Festival aufgetreten war.

Von all den Leuten kenne ich Kerstin Braun am längsten, wir spielten zusammen in einer Schülerband. Später traf ich sie wieder, als sie mit Reel Feelings Aufnahmen bei uns machten. Sie spielte übrigens nicht nur Gitarre und Geige bei Bridge, sondern half mir auch bei den englischen Texten.

Jens Halbauer (Jeans), der aktuelle Drummer von Die Art, hat ebenfalls einen kleinen Gastauftritt. Jeans ist inzwischen der Hauptakteur im Midas und da sehen wir uns öfters. Es ist eine sehr schöne Geste, dass er die Tambourine-Schläge bei Whispers spontan eingespielt hat. Das hat den wunderbaren Nebeneffekt, dass es nun einen Song gibt, auf dem der ursprüngliche und der aktuelle Drummer von Die Art gemeinsam zu hören sind. Aber nicht nur deswegen ist dieser Song einer meiner Favoriten auf dem Album.

Philipp Wiedemann ist ein Rundfunk-Ingenieur, der eine Vorliebe für alte Synthesizer hat. Er hat den Moog bei Whispers gespielt und bei mehreren Songs am Sounddesign mitgewirkt.

 

Ahoi: Euer Album wurde bei MIDAS – der „Samenzelle“ – eingespielt und ist bei MAJOR LABEL erschienen. Wie kommt es zu diesen Collaborationen?

Oppenheimer: Ich habe mehrere Produktionen mit der Band Les Clochards du Monde aufgenommen, bei denen Robert Stieler vom Major Label trommelte. Daraus ist auch eine Freundschaft geworden und Robert sagte mir auf meine Anfrage: „Klar, Robin, wir bringen dich ganz groß raus!“ Ich mag seinen Humor.

Aber wir dürfen den dritten Player nicht vergessen, Tino mit seinem Studio Null 5. Hier wurden alle Songs bis auf Bridge gemixt und gemastert und Tino hat auch die Aufnahmen seiner Gitarren und Nicoles Gesang gemacht.

Bridge hat mein alter Studio-Kompagnon Robert Baldowski gemixt und gemastert.

 

Ahoi: Gibt es auch Live-Ambitionen? Wenn ja wo und wann?

Oppenheimer: Zunächst ist es nur als Studioprojekt geplant und wir wollten immer einen Schritt nach dem anderen gehen. Einige von uns, auch ich, würden gerne live spielen, andere sehen das skeptisch. Die Skepsis ist berechtigt, zum einen ist es ein recht großer Aufwand, wir sind sieben Leute, die man erst mal unter einen Hut bringen muss. Alle sind in ihre Projekte eingebunden. Ich denke, dass diese Hürde zu überwinden wäre. Aber es kommt auch die Situation dazu, all die fantastischen Bands wurden weggesperrt für zwei Jahre und nun wollen alle natürlich wieder spielen. Gleichzeitig ist bei vielen Leuten der Geldbeutel schmaler geworden. Ein unbekanntes Projekt wie wir, noch dazu mit recht hohem Aufwand, wird es da schwer haben, überhaupt Gigs zu bekommen und dann Publikum. Und wie funktionieren die Songs, die von den Gastmusikern geprägt sind, wenn diese nicht können? Alles nicht unlösbar, aber eben auch nicht einfach.

Wir werden uns in der nächsten Zeit alle zusammensetzen und auch über das Live-Spielen reden.

 

Ahoi: „Pandora“ ist die Auskopplung. Nun gab es einst Singleauskopplungen, um damit schon mal etwas Geld zu verdienen. Wozu gibt es dies aber heute?

Oppenheimer: Nur, um ein wenig Reichweite zu bekommen und um das Album zu promoten. Den Song gibt es auch nicht einzeln auf einem Silberling zu kaufen.

Pandora ist dafür der ideale Song, er repräsentiert schon zumindest einen Teil des Albums. Durch Peters Präsenz ist auch die Aufmerksamkeit höher. Es ist übrigens der einzige Song, in dem es um ein gesellschaftliches Thema geht. Der Text ist angelehnt an den Attentäter von Halle. Die ermordete Frau kannte ich flüchtig vom Sehen, unser Sänger Mathias wohnt in dem Viertel, wo die Anschläge stattfanden. Terror war immer irgendwie weit weg und nun plötzlich ganz nah.

 

Ahoi: Und wie geht es jetzt weiter mit „Wrong Turn“ und Barthez?

Oppenheimer: Das Album ist seit Januar auf dem Markt, zunächst nur online. Inzwischen ist es auch im Handel beziehungsweise bei den großen Playern erhältlich. Es gibt erste Radioeinsätze und wir hoffen hier auf mehr.

Bei unserem Treffen in naher Zukunft wird es neben den Live-Ambitionen auch um ein Nachfolge-Album gehen. Wir haben Spaß daran gefunden, zusammen etwas auf die Beine zu stellen. Und ich habe schon 20 neue Songs bzw. Songideen fertig. Also, ich denke, ein zweites Album wird es geben.

 

Ahoi: Das Material auf dem Album könnte auch gut in Studenten- oder Independentradios gesendet werden. Läuft da schon was? Wie kommt euer Material jetzt zu den Menschen?

Oppenheimer: Ich verschicke das Material, der Vertrieb tut es auch. Neben Deiner tollen Sendung, in der wir ja laufen durften, haben wir positive Reaktionen auch vom Mainstream-Radio bekommen. Ein Redakteur von rbb, Radio 1, war interessiert, bei MDR-Kultur lief bereits Bridge.

 

Ahoi: Derzeit scheint es mir, dass alle Musik, die mich noch berührt, von älteren Menschen gemacht wird. Das hätte ich nie gedacht, war doch Punk, Postpunk etc. mal Jugendkultur. Wirst du persönlich noch von Jugendmusik erreicht?

Oppenheimer: Das ist ein schwieriges Thema, welches mich auch beschäftigt. Auf der einen Seite fühle ich mich in meine Jugend zurückversetzt, wo mein Vater, der als Musiker im Jazz, vor allem im Big-Band-Bereich sein Geld verdiente, Probleme hatte mit der Musik, die ich hörte. Er erzählte mir einmal, dass in den 60-igern das Gerücht die Runde machte, dass es in England jetzt Bands gäbe, 4 oder 5 Leute, die mit Verstärkern lautere Musik machen würden als sie mit ihrer Big Band. Das haben sie erst einmal nicht geglaubt und auch etwas Angst vor der Entwicklung gehabt. Ähnlich ist es heute. Für uns ist Musik ein wesentlicher Bestandteil, der Soundtrack zum Leben. Und wir haben das Gefühl, dass in unserer Kernkompetenz jetzt neue Leute alles bestimmen und das meist seelenlos. Aber ich weiß nicht, schlechte Musik gab es auch schon immer. Die ist halt nur vergessen. Was mich ein wenig überrascht ist, dass es eigentlich nichts wirklich Neues mehr gibt. Es wird fast nur noch Vorhandenes verwaltet. Hip Hop war aus meiner Sicht die letzte große Strömung und ihn gibt es ja auch schon lange.

Es gibt aber einen großen Unterschied zu früher. Es gibt keine Wertschätzung für Musik, sie ist da, sie ist für alle da und sie kostet nichts. Warum soll ich mir ein Album kaufen, wenn ich es online kostenlos oder im Monats-Abo anhören kann? Man kann kaum noch Geld mit Produktionen verdienen, also sinkt die Risikobereitschaft. Ein nächstes Problem ist, dass die großen Anbieter (Plattenfirmen, MTV etc.) alle an Bedeutung verloren haben. An deren Stelle sind Algorithmen getreten, die die Promotion steuern. Du wirst dort nur empfohlen, wenn Du so klingst wie jemand anderes. Es gibt heute alle Möglichkeiten, aber fast keine Chancen. Wenn man eine teure Produktion angeht, dann setzt man auf Altbekanntes und scheut neue Wege. Die Medien sind abhängig von Musik-Pools. Sendungen, in denen ein Musikredakteur sich seine Sendung selber zusammenstellt, auch aus dem eigenen Plattenschrank, die gibt es noch, aber sie sind nicht die Regel. Wenn man nicht dem Mainstream angehört, ist es heute noch schwerer als früher.

Die letzte Platte, die mich bewegt hat, ist von Robert Plant und Alison Krauss, 'Raise the roof'. Eine wunderbar handgemachte Platte ohne jeglichen Schnickschnack. Plant könnte jeden Song mit seiner traumhaften Stimme an sich reißen. Macht er aber nicht. Er ist Musiker, er hört zu, er lässt zu, er versteht den Song. Und sie ist genauso. Musik von älteren Menschen eben.

Ich höre ganz gerne Miley Cyrus, finde „Nothing breaks like a heart“ und „Prisoner“ tolle Songs. Sie ist aber eben auch eine Künstlerin, die lange im Geschäft ist. Ich finde sie glaubhaft, es gibt das gewisse Quäntchen Schmutz und Zerissenheit und auch die Verbundenheit zu älterer Musik, wie Metallica, Billy Idol, Fleetwood Mac.

 

Ahoi: Danke, lieber Robin, für Deine Zeit und Deine Antworten.

Oppenheimer: Sehr gerne. Und mach mit Deiner tollen Sendung weiter, es gibt genügend Menschen, die sich nach genau so etwas sehnen.

Barthez – Pandora

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