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Interview: Instagram-Fotografin Clara Rogowski

Flucht aus dem täglichen Chaos

Clara Rogowski ist Leipzigerin und Beobachterin hiesiger Architektur © Clara Rogowski privat

Die Zeiten sind hektisch. In den Menschen brodelt es. Gut, dass in Leipzig Frauen und Männer leben, die dem ganzen unsicheren Kuddelmuddel etwas entgegensetzen wollen. Clara Rogowski versucht dies in ihren Fotografien auf dem Internetportal Instagram. Und hat damit Erfolg. Ahoi-Redakteur Volly Tanner fragte sie aus.

Ahoi: Guten Tag, Clara Rogowski. Du betreibst auf Instagram die Seite „ostblock.aesthetik“. Warum eigentlich?

Clara: Hallo Volly! Es hat damit angefangen, dass ich nach ein paar Jahren zurück in mein schönes Grünau gezogen bin. Ich war zunächst nicht begeistert und fand die Blocks und die ganze Atmosphäre nicht schön. Ich fotografiere gern analog und kam irgendwann, als das Licht besonders schön stand, auf die Idee, einfach Fotos von den Blöcken aus verschiedenen Perspektiven zu schießen. Als ich diese dann entwickelte war ich überrascht, wie schön Plattenbauten doch sein können. Ich zeigte die Bilder einem Bekannten und der brachte mich auf die Idee, die Bilder auf Instagram hochzuladen. Das mache ich jetzt seit ein paar Monaten und es macht wirklich Spaß.

Ahoi: Gibt es denn einen Unterschied zwischen der Ostblock- und Westblockästhetik, gar der Südblock- oder Nordblockästhetik? Was macht für Dich die Ästhetik der „Ostblocks“ aus?

Clara: Das ist eine gute Frage. Ich bin im Osten von Deutschland aufgewachsen und bin mit dem warmen Graubraun der Neubauten hier sehr vertraut. Ich denke nicht, dass ich den „Ostblock“ über eine spezielle Bauweise definieren würde. Architektur ist ja nicht nur eine Verpackung. In den Hochhäusern sind so viele Wohnungen mit so vielen verschiedenen Menschen und Geschichten. Der Dialekt, den die Menschen zum Beispiel hier in Leipzig sprechen, ist für mich auch ein Teil der Atmosphäre. Die Menschen in und um die Hochhäuser, das ganze soziale Umfeld, sind also ein wichtiger Bestandteil des Gesamtbilds der Ostblockästhetik.

 

Ahoi: Du fotografierst ja selber - hast Du Dir das selber angeeignet oder wo hast Du Deine „Skills“ her?

Clara: Schon seit ich denken kann male ich sehr gern und experimentierte da auch schon immer sehr gern mit verschiedenen Medien. Irgendwann bekam ich meine eigene analoge Kamera und übertrug dann meine Begeisterung für verschieden Farbkombinationen und Bildkompositionen auf Fotos. Mein Papa hatte früher auch oft eine analoge Kamera dabei und hat vor allem viele Sonnenuntergänge fotografiert, das hat mich künstlerisch sehr geprägt.

Ahoi: Was machst du denn noch so neben Deinen Insta-Seiten?

Clara: Ich studiere an der Uni Leipzig Deutsch als Fremd- und Zweitsprache und Anglistik. Außerhalb von der Uni habe ich jetzt, da man aufgrund der Pandemie mehr Zeit Zuhause verbringt, mein altes Hobby, das Malen „wiederentdeckt“ und verbringe damit viel Zeit. Beim Malen höre ich viel Musik und entdecke immer wieder neue Künstler, die mich faszinieren und inspirieren. Sonst gehe ich gern spazieren und erkunde Leipzigs, besonders Grünaus, schöne Ecken.

 

Ahoi: Wenn ich das Internet nach Dir durchsuche, finde ich ein Bild aus dem Jahr 2013, auf dem Du mit dem Statement „Love Love Love“ und Fritz, dem Sänger des Liedes „Thüringer Klöße“ zu sehen bist. Jetzt bin ich irritiert. Wo hing dann da dein Herz? An den Klößen, an Fritz oder an der Musik?

Clara: Ein großer Teil meiner Familie lebt in Thüringen, dort gehören die Klöße zu jedem Festtagsessen. Das Lied dazu wurde zu einem Party-Klassiker unter meinen Thüringer Freunden und als ich Fritz zufällig begegnete, musste ich einfach ein Foto mit ihm haben. Meine Liebe gilt in diesem Fall vor allem Thüringen, aber natürlich auch den Klößen.

 

Ahoi: Viele Internetseiten, Social-Media-Kanäle etc. werden derzeit hauptsächlich genutzt, um Emotionen aufkochen zu lassen und Menschen dauerhaft in Erregung zu halten, auch, damit sie nicht zur Ruhe kommen, und diese ruhige Zeit nutzen, um an ihrer eigenen Stärke zu arbeiten, sich dieser bewusst zu werden und ins Geschehen einzugreifen. Du jedoch arbeitest mit Ästhetik und Wärme. Gibt es Resonanz? Wenn ja, welche?

Clara: Ich denke, dass einige Menschen in der Kunst einen Ruhepunkt, eine Ausflucht aus dem täglichen Chaos suchen. Es freut mich sehr, dass ich mit meiner Seite auf Instagram ein solcher Ruhepunkt sein kann. Die meisten meiner Follower kommen selbst aus Leipzig und Umgebung und sehen in meinen Bildern mehr als nur die Hochhäuser oder Statuen, die ich fotografiere. Sie sehen Orte, an denen sie als Kind gespielt oder Häuser, an denen sie immer vorbeigelaufen sind.

Nostalgie ist für viele etwas sehr Beruhigendes und ich finde es schön, dass ich die Möglichkeit habe, dieses Gefühl in anderen zu wecken. Mir haben schon ein paar andere Menschen mit Fotografie-Accounts geschrieben, die mir sehr positive Rückmeldungen gegeben haben. Am meisten überrascht und gefreut hat es mich, als mir Testo, einer meiner liebsten Musiker, schrieb, dass er es cool findet, meine Bilder zu sehen, weil seine Großeltern hier in der Nähe wohnen und er als Kind oft hier war. Bisher habe ich wirklich nur positives Feedback bekommen. Das motiviert mich natürlich, weiter zu machen.

Ahoi: Und was sagt Dein direktes Umfeld?

Clara: Auch da bekam ich bisher nur positive Rückmeldungen. Aus meiner Familie wissen die wenigsten von dem Account aber meine Freunde, vor allem diejenigen, die vertrauter mit der Gegend hier sind, sehen die Bilder gern und unterstützen mich. Ich bekomme von ihnen immer wieder Tipps, an welche Orte ich zum Fotografieren gehen sollte, welche Techniken ich probieren kann und ich werde auch oft auf meinen Suchen nach ästhetischen Motiven begleitet.

 

Ahoi: Danke, liebe Clara, für Deine Zeit und Deine Antworten.

Clara: Es war mir eine Ehre!

Clara Rogowski

ostblock.aesthetik
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