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Im Gespräch mit Daniela Scholz von Miniherzchen e.V.

Frühchen, Sternchen, Kuscheltiere

Nähen für den guten Zweck: Daniela Scholz hilft Eltern von Frühchen und Sternchen mit speziell gefertigter Kleidung.
Nähen für den guten Zweck: Daniela Scholz hilft Eltern von Frühchen und Sternchen mit speziell gefertigter Kleidung. © Uwe Scholz

Der Drang zu helfen, wohnt vielen Menschen inne. Trotzdem liest, hört und sieht man in den Medien zumeist Menschen, die die Gesellschaft torpedieren und im Eigennutz versinken. Ahoi möchte den Fokus auf jene legen, die sich für ein Miteinander einsetzen. Menschen wie Daniela Scholz, die sich für Frühchen- und Sternchen-Eltern stark macht  –  und sich dafür ihre Leidenschaft zum Nähen zu nutze macht. Redakteur Volly Tanner traf sie zum Gespräch.

Ahoi: Daniela, du bist Teil des Miniherzchen e.V. in Leipzig. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, etwas Gutes für Eltern zu tun, deren Kinder zu früh auf die Welt kommen und um das eigene, kleine Leben kämpfen. Was konkret könnt ihr für Frühchen-Eltern tun?

Daniela Scholz: Je nachdem, in welcher Woche die Frühchen zur Welt kommen, sind sie so zart und wirken unglaublich zerbrechlich. Die Eltern haben gerade am Anfang Berührungsängste. Mit unserer passgenauen, farbenfrohen Kleidung helfen wir, diese Ängste abzubauen. Außerdem können wir die Kleidung bedarfsgerecht mit Öffnungen für die lebenswichtigen Versorgungsschläuche nähen. Die Frühchen-Eltern können uns auch ganz direkt anschreiben und wir versuchen, zu helfen.

Ahoi: Ihr kümmert euch auch um Sternenkinder, oder Sternchen, die den Weg ins Leben nicht schaffen und schon während der Schwangerschaft versterben. In was für einer Situation befinden sich die Eltern und wie könnt ihr helfen?

Leider passiert es öfter als man denkt, dass Kinder in der Schwangerschaft versterben und dann still geboren werden. Dies ist ein sehr trauriger und höchst emotionaler Moment für die Eltern und deren Familienangehörigen und es gibt keine bundeseinheitlichen Regelungen über die Bestattung von Sternenkindern. Im Sächsischen Gesetz wird sie über das Friedhofs-, Leichen- und Bestattungswesen in den Paragrafen 9 und 18 geregelt. In jedem Fall wünscht man sich aber einen würdevollen Abschied für sein verstorbenes Kind.

Für Eltern ist die Trauer sehr belastend, weil sich in der Schwangerschaft bereits eine starke emotionale Bindung zum Kind entwickelt hat. Diese besteht natürlich auch über den Tod hinaus. Da möchte man sein Kind nicht einfach nackt beerdigen. Bestattungsunternehmen haben oft keine Kleidung in so kleinen Größen und Puppenkleidung passt von den Proportionen nicht  – und hier setzen wir an. Wir nähen Sternchensets, bestehend aus Einschlagdeckchen, kleinen Hosen, Mützen und Jäckchen. Und aus dem Stoff der Kleidung fertigen wir noch drei Erinnerungsstücke – ein Herz, einen Stern oder einen Teddy. Eines davon wird dem Kind ins Grab mitgegeben und zwei sind für die verwaisten Eltern.

Ahoi: Nicht selten kommt ehrenamtliches Engagement durch eigene Betroffenheit zum Vorschein. Was hat dich zu den Miniherzchen gebracht?

Das ist eine ziemlich private Frage, dennoch will ich sie beantworten. Vor etlichen Jahren verlor ich im zweiten Schwangerschaftsdrittel ein Kind. Das kleine Herz hörte einfach auf zu schlagen. Das war für mich sehr traurig und ab und zu kommen auch die Gedanken, was wäre wenn. Eine Bestattung gab es damals nicht. Ich glaube aber, dass es emotional geholfen hätte, einen Platz, an dem das Kind beerdigt ist, zu haben.

Ahoi: Wie sind denn die Reaktionen auf dein Engagement beziehungsweise das des Vereins? 

Ganz unterschiedlich. Sie reichen von ,Warum machst du das? Die Krankenhauskonzerne verdienen genug, sie sollen die Kleidung und die Näharbeiten bezahlen' bis hin zu ,Das könnte ich nicht, so klein, das würde mich belasten'. Die meisten finden es aber gut, dass es solche Vereine gibt.

Ahoi: Wie kann man eurem Verein am besten helfen?

Im Grunde brauchen wir alles, was man zum Nähen,Stricken und Häkeln braucht. Zunächst natürlich schöne, kinderfreundliche Jerseystoffe, also nichts mit Totenköpfen. Meistens fehlen uns aber Jersey-Druckknöpfe – die gehen richtig ins Geld. Für einen Einteiler oder einen Wickelbody brauchen wir bis zu fünf davon. Bündchen und Nähgarn für die Overlock- und Jerseynadeln kaufen wir auch immer vom eigenen Geld. Bei Wolle haben wir auch ein paar Anforderungen. In jedem Fall muss sie maschinenwaschbar sein und am besten „Ökotex 100“ zertifiziert. Da kann man davon ausgehen, dass sie den Sicherheitsanforderungen entspricht. Wir häkeln zum Beispiel auch kleine Kraken oder Fische mit Tentakeln, die die Kinder an die Nabelschnur erinnern und davon abhalten sollen, an den lebensnotwendigen Versorgungsschläuchen zu ziehen. Dafür brauchen wir 100% Baumwollgarn. Es ist wichtig, dass wir bei Stoffen, Garnen und Wolle die Zusammensetzung kennen, weil wir zur Kennzeichnungen der Zusammensetzung verpflichtet sind.

Ahoi: Und wie kann man bei euch mitmachen? 

Aktiv mitmachen kann im Prinzip jeder, der nähen, stricken oder häkeln kann. Speziell hier in Leipzig suchen wir noch Aktive. Dazu muss man auch nicht Mitglied in unserem Verein sein. Natürlich würden wir uns darüber freuen, denn die 24 Euro Mitgliedsbeitrag im Jahr kommen den Allerkleinsten zu Gute.   

Ahoi: Du hast 2020 einen zuckersüßen Adventskalender ins Netz gestellt, mit tollen Tipps und Rezepten. Wie kamst du auf die Idee? Und planst du für 2021 ein neues Projekt dieser Art?

Nähen ist ja nur ein Hobby. Im Leben 1.0 unterrichte ich Deutsch und Finnisch und stehe im Klassenzimmer. Normalerweise bastle ich für meine deutschlernenden Schüler einen Adventskalender oder wir hängen ganz traditionell einen Schokoladenkalender im Kursraum auf. Das war ja wegen des zweiten Lockdowns nicht möglich und so dachte ich, dass es doch toll wäre, jeden Tag ein individuelles Kalendertürchen zu gestalten. Ich erhielt viele positive Rückmeldungen, sodass es sicher auch in diesem Jahr einen virtuellen Adventskalender geben wird. Ideen dafür habe ich jedenfalls.

Ahoi: Worüber ich wirklich schmunzeln musste: Du organisierst Sprach- und Kulturreisen für Kuscheltiere. Das ist ja großartig. Was genau hat es damit auf sich?

Die Kuscheltiere reisen mit mir in der Regel im Sommer und im Winter sicher verpackt nach Finnland. Dort angekommen, bekommt jedes einzelne einen Schlafplatz und wird in den Alltag eingebunden. Am Morgen steht eine Stunde Sprachunterricht auf dem Programm und dann geht es los. Die Kuscheltiere erleben dabei die unterschiedlichsten Dinge –  sie lernen schwimmen, rudern, Essen kochen, gehen ins Museum oder besuchen den Weihnachtsmann. Eben alles, was das Reiseland näher bringt. Alle Aktivitäten werden natürlich fotografisch festgehalten und wer will, bekommt auch zur Erinnerung ein kleines Fotobuch für sein Kuscheltier. 

Ahoi: Noch einmal zurück zu den Miniherzchen: Wie kommen eure Kleidungsstücke zu den Betroffenen? Mit wem arbeitet ihr zusammen?

Zurzeit betreuen wir sechs Kliniken vom Norden bis zum Süden der Bundesrepublik. Wir haben im Verein Klinikansprechpartner, die meistens zu einer Krankenschwester Kontakt in der Klinik halten. Meistens sagen die Schwestern, was sie benötigen und dann starten wir einen Aufruf unter den Näh-, Strick- und Häkelmädels. Wir orientieren uns so, dass alles innerhalb von einem Monat fertig gestellt wird und zum Klinikansprechpartner des Vereins geschickt wird. Dieser kontrolliert alle genähten, gestrickten und gehäkelten Sachen, nimmt gegebenenfalls Ausbesserungsarbeiten vor oder näht Fehlendes nach. Das alles ist wichtig und sehr verantwortungsvoll, da es um die Sicherheit und das Leben geht. Dann werden die Sachen verpackt und mit der Post an das jeweilige Krankenhaus oder die Hebammenpraxis verschickt. Da unser Verein noch zahlenmäßig wachsen soll, wäre es perspektivisch toll, mehr regional arbeiten zu können, um so Transportwege zu vermeiden und einen ebenso wichtigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

Interessierte können sich direkt per Mail, d.scholz@miniherzchen.de, oder telefonisch unter 0176/ 55397301 bei Daniela Scholz melden.

Mehr über die Arbeit des Miniherzchen e.V. unter www.miniherzchen.de

Daniela Scholz im Netz: www.scholz-daniela.de

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