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Feine Sahne Fischfilet kommen im Dezember nach Leipzig

„Wir sind eine Projektionsfläche für Faschos“

Von Reinhard Franke

Feine Sahne Fischfilet © Julia Hoppen

Feine Sahne Fischfilet feierten 2018 mit dem Album „Sturm & Dreck“ ihren endgültigen Durchbruch. In den vergangenen Jahren ist das Quintett aus Mecklenburg-Vorpommern zu einer der publikumsstärksten Bands aus der Punk-Szene geworden. Als sie 2022 endlich wieder live spielen konnten, war der Zuspruch riesengroß. Allerdings auch die Ablehnung. Feine Sahne Fischfilet ist nämlich für ihr politisches Engagement bekannt. Am 17.11. erscheint das erste Livealbum „Alles glänzt - Alles Live“, am 16. und 18.12. kommen Feine Sahne Fischfilet nach Leipzig (Haus Auensee). Unsere Redaktion hat mit Sänger Jan „Monchi“ Gorkow und Gitarrist Hauke Segert gesprochen. 

Herr Gorkow, wie kam es eigentlich zu dem witzigen Bandnamen Feine Sahne Fischfilet? 

Jan „Monchi“ Gorkow: Kiffen, in unserem Dorf zum Aldi gehen und Feine Sahne Heringsfilet essen. Und dann sagen ‚Das ist der Bandname‘. Das haben wir damals mit 18, 19 mega genial gefunden. 

Aus was für einem Gefühl heraus ist die Band 2004 gegründet worden?

Gorkow: Ich wurde von Kai, unserem Basser, angesprochen, ob ich Bock hätte in einer Band zu singen und bei Punkrock musst du nicht viel können. Für mich war es einfach das Gefühl rauszukommen aus der Provinz. Die Musikrichtung war mir scheißegal. Hätten die Jungs mich gefragt, ob ich Techno machen will, hätte ich Techno gemacht. Es war einfach geil irgendetwas Neues zu machen und sich den Arsch darüber abfreuen, wenn du das erste Mal außerhalb deines eigenen Landkreises spielst. Das war für mich das Besondere daran. Musik war mir bis dahin eigentlich völlig egal. 

Wie war es bei Ihnen?

Hauke Segert: Bei mir war es anders als bei Monchi. Ich kam ja auch erst vor zwei Jahren in die Band. Musik nimmt, seit ich zwölf bin, einen großen Teil in meinem Leben ein. Erst habe ich Gitarre gespielt, dann habe ich mit 17 angefangen zu singen. Ich war in verschiedenen Bands. Ich habe Sonderpädagogik auf Lehramt studiert. Mit 33 bekam ich dann den Anruf, ob ich bei Feine Sahne mitmachen will. Und seit zwei Jahren sind wir jetzt unterwegs. 

Gorkow: Lehrer wird er jetzt nicht mehr. (lacht)

Feine Sahne Fischfilet haben sich 2004 gegründet, warum kam der Durchbruch erst 2018? 

Gorkow: Jeder prophezeite uns mit jedem neuen Album den Durchbruch. Der Hammer war schon, als wir zum ersten Mal außerhalb von Mecklenburg-Vorpommern gespielt haben. Schon 2013 waren es 300 bis 500 Leute, die zu unseren Konzerten kamen. Man kann das mit dem Durchbruch nicht so genau sagen. Wir sind einfach immer am Ball geblieben. Es gab nicht den einen, großen Durchbruch mit dem einen Song. Wir haben immer alles gegeben. Ich habe keine Lehre gemacht und auch nicht Abi auf dem zweiten Bildungsweg. Das wollte ich alles mal machen. Auf Sicherheit stehen doch alle, aber es wäre nicht möglich gewesen, so, wie wir in Feine Sahne rein geackert haben. Wir waren manchmal 150 bis 200 Tage unterwegs. Wir sind keine gecastete Band mit dem einen Hit, sondern haben bis zur Selbstaufgabe alles für die Band gegeben. Das, was wir erleben dürfen, ist etwas richtig Tolles. 

2004 waren Feine Sahne noch eine Schülerpunkband. Kann man da Parallelen ziehen zu den Toten Hosen? Oder passt Ihnen so ein Vergleich nicht?

Gorkow: Doch. Es gibt schlimmere Komplimente. Es gibt Bands, zu denen sagt man ‚Hallo und tschüss‘. Aber zu den Hosen haben wir eine intensive Beziehung. Die Jungs haben uns schon oft mitgenommen und wir konnten sie um Rat und Tat fragen. Die Typen sind so alt wie mein Vater, aber sie machen ihr Ding mit Herzblut. Das ist das, was es geil und authentisch macht. Wenn jemand den Vergleich ziehen will, sage ich Dankeschön. 

Gab es mal den einen Rat von Campino, der die Band bis heute weitergebracht hat? 

Gorkow: Den einen Ratschlag gab es jetzt nicht, aber, was Campino für mich verkörpert, ist, dass er bis heute authentisch geblieben ist. Dem einen ist er zu konservativ, anderen zu liberal oder zu links. Campino ist aber immer bei sich geblieben und hat sein Ding gemacht. Das ist etwas, was viele Leute sich nicht trauen. Ich finde das beeindruckend, wie Campino drauf ist. Ab dem Moment, wo er auf der Bühne steht, powert er. Campino macht Kilometer links und rechts und das finde ich einfach geil. Die Hosen spielen nicht bloß ihre Show runter. 

Zu den Feine-Sahne-Konzerten feiern Politaktivisten und Fußballfans, Normalos und Freaks, Hippies und Hooligans, Prolls und Professoren. Jung und Alt eben. Macht das Ihr Ding aus? 

Segert: Genau das. Wenn wir vor den Konzerten mit den Leuten reden, dann gibt es da eine herrlich bunte Mischung im Publikum. Die Leute kommen aus verschiedenen Szenen und es ist nicht so eine Suppe, die sich selbst bestätigt. Das ist einfach schön. 

Gorkow: Das kommt auch ganz vielen Leuten abhanden. Viele suchen doch nur noch Bestätigung an ihren eigenen, kleinen Stammtischen. Egal, aus welchen politischen Richtungen, egal, aus welchen Subkulturen. Jeder ist moralisch sowieso der Schlauste. Die Leute bewegen sich teilweise nur noch in ihren eigenen Blasen. Ich liebe Fußball und wenn ich mal im Stadion bin, dann sehe ich so viele verschiedene Menschen. Dieses Gefühl habe ich nur bei der Musik und beim Fußball. Auf unserem aktuellen Album gibt es eine ganz wichtige Zeile: ‚Lass uns schauen, was uns verbindet, nicht, was uns trennt. Lass uns nicht verbittern, auch, wenn es kälter wird’. Zu unseren Konzerten kommen die verschiedensten Leute, die sich im Alltag nicht mit dem Arsch angucken würden. Wie bei den Konzerten auf unseren Dorf-Festen. Da steht der Bürgermeister neben dem Seenot-Rettungskapitän. Das macht Feine Sahne für mich aus. 

Herr Gorkow, Sie sind Fan von Hansa Rostock. Zu Ihren Konzerten kommen auch Hooligans. Waren Sie früher in dieser Szene mit dabei? 

Gorkow: Ich war in der Ultra-Szene aktiv, hatte fünf Jahre Stadionverbot und 30.000 Euro Schulden, weil ich ein Polizei-Auto abgefackelt habe. Meine Eltern haben sich damals für mich grade gemacht und ich habe ihnen jetzt erst das ganze Geld zurückgezahlt. Dafür habe ich mich schon geschämt. Es war dennoch eine tolle Zeit. Und Pyro finde ich nach wie vor geil. Hansa-Fan bin ich seit meiner Jugend. Durch die Band habe ich so viele Leute aus anderen Städten kennengelernt und konnte den Hass auf andere Fans nicht mehr aufrechterhalten. Ich gehe da jetzt viel entspannter ran. Vor dem Champions-League-Spiel von Union Berlin wurde eines unserer Lieder gespielt. Da ist mein Handy explodiert. Früher hätte ich mich darüber nicht freuen können, heute schon. 

Herr Segert, Sie sind erst seit zwei Jahren in der Band. Warum polarisieren Feine Sahne so krass?

Segert: Vor allem aufgrund von Texten auf alten Alben, also der Vergangenheit. Und natürlich wegen der Musik. Wie Monchi schon sagte, musste man für Punkrock nicht viel können. Und die Jungs haben von der Pike auf alles gelernt. Das hat sich mit jedem Album musikalisch weiterentwickelt. Viele denken noch an Rumpelpunk und das polarisiert erstmal. Manch einer gönnt diesem Genre auch nicht, dass es erfolgreich ist. Doch wir machen keinen Rumpelpunk, sondern ganz authentische Lieder, die nicht hoch komplex und virtuos sind, aber wir sprechen Themen an, die uns wichtig sind. Wir benutzen die Musik als Vehikel. Es geht nicht darum puristischen Punk oder Rock zu machen, sondern wir machen das, was wir können. Und wir wollen mit unseren Songs die Leute erreichen und berühren. 

Gorkow: Die Leute können auch ganz schwer damit umgehen, wenn man nicht mehr in eine Schublade passt. Die Menschen da draußen brauchen ihre krassen Schubladen. Wenn jemand in mir nur den Proll sieht, dann werde ich nicht den Proll geben, sondern über meine Eltern singen oder über Themen, die mich berühren. Es passt für viele wenig zusammen, was wir machen. Aber das ist das, was uns ausmacht. Wir in der Band sind schon sehr unterschiedlich. Aber ich bin keine 20 mehr und muss nicht ständig irgendwelche Parolen dreschen. Viele mögen das, sonst wären nicht so viele Leute bei unseren Konzerten.  

Konzerte fanden anfangs hauptsächlich in den ländlichen Gebieten Mecklenburg-Vorpommerns statt, auf denen sich immer mehr Neonazis einfanden. Doch Sie haben sich gegen Neonazismus positioniert und wurden dafür angefeindet. Hat sich das Blatt etwas gewendet? 

Gorkow: Anfeindungen und Morddrohungen gibt es immer noch. Leider sind die eher alltäglich als besonders. Da sind wir inzwischen auch abgestumpft. Im Song „Angst zu erfrieren“ geht es um Bombendrohungen und Todeslisten, also nicht Dinge, die wir vor zehn Jahren erlebt oder in einer Netflix-Serie gesehen haben, sondern, die wir selbst erleben. Wenn ich da über Patronen im Briefkasten singe, dann denke ich an einen Freund, als Faschos Patronen in dessen Briefkasten gelegt haben. Wir sind eine Projektionsfläche für Faschos, das hat sich nicht verändert. Verändert hat sich, dass wir als Band den Fokus nicht mehr nur auf Faschos legen, sondern dass wir auch umsonst in armen Vierteln spielen. Wir werden keinen Faschos hinterherlaufen. Da haben wir keinen Bock drauf. Wir machen weiter unser eigenes Ding. 

Haben Sie eigentlich Angst davor, dass die AfD irgendwann irgendwo in Deutschland eine absolute Mehrheit erreichen könnte?

Gorkow: Ich habe vor allem Angst davor, dass die regierenden Parteien gefühlt nicht mehr viel hinbekommen und die Leute gar nicht mehr abholen. Das ist ein Riesenproblem. Umso mehr ich gereist bin, umso mehr weiß ich, was für ein Privileg es ist in Deutschland geboren worden zu sein und in einer Demokratie leben zu dürfen. Wenn Leute nur die AFD wählen, weil sie von den etablierten Parteien abgegessen sind, ist dass eine schwache Erklärung dafür, diese Partei zu wählen. Leider ist es nicht unrealistisch, dass die AfD irgendwann an der Regierung sein wird. Wie willst du auf dem Land nicht mit den AfD-Leuten reden, wenn 30, 40 Prozent die da wählen? Das kannst du in deinem chicen Studenten-Viertel sagen, aber doch nicht in der Realität. Es ist extrem beschissen, leider habe ich nicht das Gefühl, dass es gerade besser wird. 

Segert: Leider bevorzugen viele Leute diese scheinbar einfachen Lösungen der AfD im Gegensatz zu den regierenden Parteien, die zerstritten sind. Wir müssen viel mehr Leute mitnehmen. Ich hoffe einfach, dass es vielen Menschen auffällt, dass diese Haltung der AfD menschenunwürdig ist. Und dass die Lösungen dieser Partei keine Lösungen sind, sondern nur Populismus. 

Wann spielt Hansa Rostock wieder in der Bundesliga?

Gorkow: Ganz ehrlich? Ich hoffe erst in drei, vier Jahren. Momentan finde ich die Zweite Liga viel geiler als die Bundesliga. Gerade ist die Erste Liga gar nicht so reizvoll. 

Am 17.11. erscheint das erste FSF-Livealbum „Alles glänzt - Alles Live“. Wie fühlt sich das an?

Gorkow: Für mich ist das richtig geil. Ich habe damals das Livealbum von Die Ärzte und ‚Blechdosen‘ von Terrorgruppe auf dem Dorf rauf und runter gehört. Diese Liveplatten hatten immer etwas für mich. Dass wir jetzt selber eine Liveplatte machen, finde ich echt fett. Und als wir zusammen saßen und alles hörten, merkten wir, wie geil das klingt. Liveplatten machen doch nur die Großen. Ich freue mich richtig, wenn das Teil draußen ist. 

Segert: Du hörst als Musiker auf der Bühne nicht annähernd das, wie die Leute vor der Bühne. Und dann hörst du, wie laut die Songs mitgesungen werden. Die Liveplatte zeigt das, was uns ausmacht. Nämlich, dass wir tierisch Bock haben live zu spielen. Wir sind extrem stolz drauf. 

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