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"Frauen und Kinder zuletzt. Das muss sich ändern!" von Sabine Rennefanz

Von Frauen, Männern und der Care-Arbeit

Seit ihrem Bestseller „Eisenkinder. Die stille Wut der Wendegeneration“ avancierte Sabine Rennefanz zur Expertin für Familien- und Gesellschaftspolitik. In ihrem neuen Buch Frauen und Kinder zuletzt beschreibt sie gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen nach dem Mauerfall aus ihrer Sicht: „Als ich aufwuchs, brach die Gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin, zusammen. Die Folgen beschäftigten Deutschland in den vergangenen 30 Jahren, und ich erinnere mich noch, wie lange es dauerte, bis dieser Zusammenbruch der ostdeutschen Gesellschaft überhaupt artikuliert wurde. Solidaritätszuschlag hieß treffenderweise eine Abgabe, die 1991 eingeführt wurde, um die Kosten der Wiedervereinigung zu bezahlen. Einen Zuschlag an Solidarität hatten sich auch viele zu Beginn der Pandemie erhofft. Ich beschreibe, warum daraus nichts wurde und was − das über den Zustand unserer Gesellschaft aussagt.“

In ihrem neuen Buch „Frauen und Kinder zuletzt“ beschreibt Rennefanz drei Probleme, die sich durch Corona verschärften und die bleiben werden: die fehlende Gleichberechtigung, die Frauen stark benachteiligt. Eine Gesell-schafts- und Familienpolitik, nicht die Kinder, sondern die Alten und Kurzportrait im Blick hat und eine unterfinanzierte Bildungspolitik, die gesellschaftliche Nachteile und Ungerechtigkeiten früh zementiert. Schon vor der Pandemie verdienten gleichqualifizierte Frauen weniger als ihr männlichen Kollegen, arbeiteten vor allem Frauen in der „Teilzeitfalle“ und steuerten damit in die Altersarmut. Mit dieser schlechten Verhandlungsposition gingen Frauen in die Krise. Sie übernahmen mehr Care-Arbeit, zerrissen sich beim gleichzeitigen Homeoffice und Homeschooling. Jede fünfte Frau musste ihre Arbeitszeit reduzieren, bei den Vätern waren nur fünf Prozent. Außerdem zielten fast alle Corona-Maßnahmen darauf, die „vulnerablen“ Alten zu schützen. Maßnahmen für Kinder? Waren Privatsache der Eltern! Eltern besorgten Luftfilter für Kitas und Schulen, Masken, Tests und Impfungen für ihre Kinder unter 12 Jahren. Dazu gabs chaotische Bestimmungen von Bund und Ländern. Im öffentlichen Diskurs tauchten plötzlich Verzweiflung, Aggression und Wut auf, viele Menschen (vor allem Frauen und Mütter) fordern von der Politik Gleichberechtigung und Solidarität.

Die Regierung der Kanzlerin Merkel war stets im Krisenmodus: Finanzkrise, Eurokrise, Ukraine- Krise, Flüchtlingskrise, Brexitkrise, Klimakrise, Corona. Merkel verstand sich vor allem als Kanzlerin einer Industrienation, ihre „alternativlose“ Politik zeigte wenig Zukunftsoptimismus, eröffnete kaum Spielräume politischer Gestaltung. Alle Lebensbereiche wurden zunehmend nach ökonomischen Kriterien bewertet und hierarchisiert, die Menschen standen im permanenten Wettbewerb miteinander, es gab scheinbar nur Verlierer und Gewinner, Solidarität und Gemeinsinn entstand so nicht, es fehlte das positive Projekt, für das man sich engagieren konnte. Und wo blieb das Positive? Die Coronakrise zwang die Menschen, sich selbst und ihre Prioritäten im Leben zu hinterfragen. Sabine Rennefanz kündigte beispielsweise ihre Festanstellung der Zeitung: und verspürt seitdem weniger Druck: „Eine solche Entscheidung beruht stets auf einer Vielzahl von Gründen, doch mir scheint, als hätten erst die durch die Pandemie veränderten Lebensbedingungen diesen Schritt ermöglicht.“

Rennefanz, Sabine: "Frauen und Kinder zuletzt. Das muss sich ändern!" | Ch. Links Verlag | 2022 ISBN: 978-3962891497 | Paperback | 144 Seiten | 18 €

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