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Gespräch mit Musikkultur-Bewahrer Mike Demmig

Was wäre, wenn es die Weltkriege nicht gegeben hätte?

Mike Demmig, Kulturmensch & Vernetzer © Walter Le Kon (Foto) Mike Demmig (Rechte)

Mike Demmig ist seit vielen Jahren ein fleißiger Bewahrer und Gestalter, dem die Musikkultur unserer Stadt am Herzen liegt. Seit 2010 kennen ihn Enthusiasten der Open-Air-Freuden im Clara Zetkin Park als Veranstaltungsleiter des Leipziger Musikpavillons. Da gilt es aber auch noch ein „Gert-Triller-Preis“ zu vergeben und Mike Demmig erzählt Ahoi-Redakteur Volly Tanner gern dazu etwas ins Notizbüchlein:

Ahoi: Guten Tag, lieber Mike Demmig. Ich erfuhr gerade, dass Du Mitauslober und Jury-Mitglied vom „Gert-Triller-Preis für Musikkultur“ bist. Wer war denn Gert Triller? Und was hat der Preis mit dem Palmengarten in Leipzig zu tun?

Mike Demmig: Ja, das stimmt. Die Auslobenden sind der Notenspur Leipzig e.V. und die Betreiber des Bier & Cafégartens am Leipziger Musikpavillons im Clara-Zetkin-Park. Wir haben den Preis 2017 ins Leben gerufen, um einen Anreiz zu schaffen, sich mit der ‚Musikkultur im Grünen‘ zu befassen, diese zu erforschen und die Erkenntnisse zu verschriftlichen. Es gibt hier viel zu entdecken und prinzipiell geht es darum, Informationen zu sammeln, die das bestehende Wissen und den aktuellen Forschungsstand vertiefen. In diesem Jahr richten wir unseren Fokus auf die Geschichte des Leipziger Palmengartens, dessen Anlage 2024 ihr 125-jähriges Jubiläum feiert.

Der Namensgeber und so genannte Widmungsträger war ein Mann, ein ehemaliger Kranfahrer, der ganz unverhofft und ohne sich als passionierter Musikliebhaber darzustellen, den Verein in seinem Testament als Teilerben eingesetzt hatte. Er war sein Leben lang sparsam und nun ein stiller Wohltäter, der wahrscheinlich wie viele Leipzigerinnen und Leipziger nie im Rampenlicht stand, aber sich dennoch unbemerkt für seine Stadt engagierte. Das Ziel ist es, mit dem Preis, dieses private Engagement in Ehren zu halten.

Ahoi: Und Du selbst: In welcher Position zum Palmengarten befindest Du Dich?

Mike Demmig: Ich bin ein Parkbesucher wie jeder andere auch im Palmengarten. Und wahrscheinlich wie jeder andere frage ich mich wie wäre die Anlage wohl heute, wenn das Gesellschaftshaus 1939 nie gesprengt worden wäre und es die zwei Weltkriege mit all den schlimmen Auswirkungen niemals gegeben hätte. Was würden wir heute dort erleben? Oder was haben die Menschen dort zu jener Zeit erlebt? Welche Veranstaltungen, Festivitäten und Anlässe gab es überhaupt und welche Persönlichkeiten waren hier? Mein Interesse ist durch das über 10-jährige Engagement als Veranstaltungsleiter des Leipziger Musikpavillons bestimmt eingefärbt, aber ich denke tatsächlich, dass der heutige Ort im Clara-Zetkin-Park viel von dem hat, was die Menschen damals dort erlebt haben.

Ahoi: Wer ist denn beim Preis noch mit im Boot?

Mike Demmig: Wir haben eine Zusammenarbeit mit dem Notenspur Leipzig e.V., dem Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig und der Hochschule für Musik und Theater Leipzig. Demzufolge ist auch die Jury mit diesen Vertretern besetzt. Ich war so frei und habe unter anderem direkte Einladungen an Vereine wie den Pro Leipzig e.V., den Leipziger Geschichtsverein e.V., den Verein für Industriekultur Leipzig e.V., den Lindenauer Statteilverein e.V., die Hieronymus-Lotter-Gesellschaft oder an die Deutsche Gesellschaft für Militärmusik e.V. versandt, in der Hoffnung, dass sie die Möglichkeit der Teilnahme ihren Mitgliedern nicht vorenthalten. Der Wunsch ist hierbei natürlich Vater des Gedankens.

Ahoi: Welchen Schwerpunkt hat der Preis in diesem Jahr?

Mike Demmig: In diesem Jahr konzentrieren wir uns auf die Geschichte einer kunstgärtnerischen Parkanlage, die seit ihrer Eröffnung im Jahr 1899 nicht nur die Stadt Leipzig sondern auch weit über ihre Grenzen hinaus Menschen begeistern konnte. Bei der Auswahl eines Themas können beispielsweise einzelne Musikdirektoren ihrer Zeit wie G. Curth, W. Radecke, W. Wolf, J. Kapitain, G. Sabac-el-Cher, K. Giltsch oder G. Coblenz im Mittelpunkt der Recherche stehen. Alternativ ist auch eine Betrachtung einzelner oder mehrerer Zivil-, Stadt- oder Militärkapellen möglich oder aber verschiedene Anlässe wie Jahresfeiern, Subskriptions-, Elitebälle oder andere Festivitäten und Konzerte innerhalb eines bestimmten Zeitraums bis 1914. Das Thema bleibt jedem selbst überlassen.

Ahoi: Wer kann sich mit was ganz konkret für den Preis bewerben?

Mike Demmig: Wir möchten den Kreis der Teilnahmeberechtigten weit gestalten und ermutigen sowohl Einzelarbeiten von Personen mit musikwissenschaftlichem oder kulturgeschichtlichem Fach-, oder Hobbywissen als auch Gruppenarbeiten, beispielsweise von Studierenden oder Arbeitsgruppen der Vereine, im Aufsatz und Hausarbeiten-Stil (10-20 Seiten) mit Quellenangaben einzureichen. Wir laden alle Geschichts-Enthusiasten gerne dazu ein, die musikalischen Aspekte des Leipziger Palmengartens zu erkunden.

Ahoi: Es gab ja in den vergangenen Jahren schon Preisträgerinnen und Preisträger. Welche Themen waren denn hier von Interesse? Und was ist mit den Arbeiten geschehen? 

Mike Demmig: Es gab mehrere Preisträgerinnen: 2017 war es Alexandra Alt für ihre Arbeit „Die grüne Konzertlandschaft Leipzigs: Musik in Leipziger Gärten im 19. Jahrhundert.“ 2019 war es die Gruppe namens „Mandarin“ mit Zhu Yi und Chia-Ling Chang für ihre Gemeinschaftsarbeit „Musik bei Leipziger Vergnügungsfeiern im Freien zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ und 2021 übergaben wir Preise an Viola Meny für ihre Arbeit „Musik in Wirtshausgärten im Leipziger Westen“ und an Noomi Johanna Bacher für ihre Arbeit „Ein Einblick in sechs Jahre Gartenmusik in Leipzig“. Das Gremium berät noch, wann und in welcher Form die Erkenntnisse aus den Arbeiten veröffentlicht werden. Es gibt dazu verschiedene Ideen.

Ahoi: Gibt es Schlüsselfragen, auf die sich in den Einreichungen bezogen werden soll – und wenn ja, welche sind dies?

Mike Demmig: Die eingereichten Arbeiten können sich auf folgende Schlüsselfragen konzentrieren: Welche Primärquellen und Darstellungen existieren zum Thema? Wie wurde im Palmengarten die Gastwirtschaft mit Musik betrieben? Welche Bevölkerungsschichten bevorzugten diese oder jene Veranstaltungen? Was wissen wir über das musikalische Repertoire, das im Palmengarten präsentiert wurde?

Ahoi: Und bis wann ist Einsendeschluss?

Mike Demmig: Die Bewerbungsarbeiten können bis zum 31.06.2024 in digitaler Form per Mail oder auf einem Datenträger sowie als Printversion eingereicht werden. Die Arbeiten sind unter dem Stichwort „Gert-Triller-Preis für Musikkultur 2024“ einzureichen. Gliederung und Formatierung sind dabei nicht vorgeschrieben. Für weitere Details verweise ich gerne auf die Teilnahmebedingungen der Ausschreibung.

Ahoi: Dann hoffen wir, dass möglichst viele Menschen ihr Interesse auf den Leipziger Palmengarten lenken. Viel Freude bei der Bewertung der Einreichungen.

Zur Ausschreibung: https://notenspur-leipzig.de/musik-in-der-stadt/musikkultur-im-gruenen/gert-triller-preis-fuer-musikkultur/auslobung-20

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