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Stadtgeschichte Teil 36: Charlottenhof

Verschwundenes Vergnügungsreich

Auf dem Charlottenhof in Lindenau stand um die Jahrhundertwende ein Fabelreich: Leipzigs erster Vergnügungspark. Das in die Mode gekommene Natureis machte es möglich.

Mondänes Ausflugsziel Charlottenhof
Mondänes Ausflugsziel Charlottenhof © Zeno.org

Der Leipziger Westen ist durch die Kleinmesse mit ihrer 117-jährigen Tradition als Vergnügungsstandort weithin bekannt. Doch dass bereits zuvor in der direkten Nachbarschaft Leipzigs erster Vergnügungspark stand, wissen die wenigsten: der Charlottenhof. Auf dem Areal des heutigen Sportvereins-Geländes des SV Lindenau 1848 an der Erich-Köhn-Straße befanden sich einst Lehmgruben der nahegelegenen Ziegelei. Die wurden geflutet, sodass auf dem Gelände ein großer Teich mit einer Insel in der Mitte entstand. Dort wurde nun das in die Mode gekommene Natureis gewonnen und im Winter in einem Eiskeller gelagert.
Das Geschäft brummte, jedermann wollte seine Lebensmittel und Getränke mit großen Eisblöcken kühlen und nach und nach entstanden neben den Eiskellern auch ein Ausflugslokal samt Gondelbetrieb.

Gondelfahrt durch den Rachen eines Ungeheuers

1891 wurde der Charlottenhof als Vergnügungspark eröffnet, mit Kaffeeterrasse und Musikpavillon auf dem Wasser, illusionistischen Gebäuden wie einer Schlossfassade, einem Aussichtsturm, einem Felsengang zum Lustwandeln und einer Fantasielandschaft mit nachgebildeten antiken Statuen. Die Durchfahrt zum Damm der Insel war als Rachen eines Ungeheuers gestaltet.
Ein Fabelreich und beliebtes Ausflugsziel für die Leipziger, das um die Jahrhundertwende etwas hermachte.

Sportpark statt Vergnügungsanlage

Die Inflation und das Ende der Natureisproduktion bedeuteten auch das Aus für den Vergnügungspark, der so schnell verschwand, wie er entstand. 1923 erwarb der bereits damals traditionsreiche Sportverein das Gelände und schüttete die Teiche zu. 1925 wurde der Sportpark Charlottenhof mit Halle, Bad, Fechtanlage und Spielplätzen eingeweiht.
Von der einst spektakulären Vergnügungsanlage zeugen heute nur noch zahlreiche Postkarten (siehe Abbildungen). Im Archiv des Stadtmuseums Leipzig befinden sich etwa 40 Einträge mit Exponaten dazu.

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