Machen statt Motzen

Guten Tag, Dr. Andreas Mattern. Du bist Vorstandsvorsitzender bei „Die Quernetzer“. Hui, jetzt bekommen Menschen, die sich gerne triggern lassen, gleich ganz aufgeregte Herzschläge. Euch gibt es aber schon weit länger als die Querdenker. Was macht ihr Quernetzer denn eigentlich? Und seit wann?

Ja, wir werden in letzter Zeit häufiger darauf angesprochen, dass unser Name wie „Die Querdenker“ klingt, aber bis jetzt hat sich keiner bei uns beschwert. Uns gibt es auch schon etwas länger und zwar seit Anfang 2017. Allgemein gesagt, wollen wir die Welt ein kleines Stück besser machen. Wie unser Name schon verrät, bringen wir Menschen und Organisationen zusammen (quernetzen), die im gleichen Bereich tätig sind, aber noch nicht zueinander gefunden haben. Den Tag der Wohnungslosen haben wir z.B. organisiert. Uns ist es wichtig, kreative Lösungen für Probleme zu finden, die jeder umsetzen kann (z.B. die Abfall-to-go-Beutel).

Ich mag ja euren Slogan „Machen statt Motzen“ sehr. Wie muss ich mir aber eure Struktur vorstellen? Seid ihr ein gemeinnütziger Verein oder ein Wirtschaftsunternehmen oder was seid ihr eigentlich ganz genau? Und wie viele Menschen sind denn mit was für Aufgaben bei euch dabei?

Anfangs waren wir nur eine Initiative von Freunden, die ihre Projekte noch aus eigener Tasche bezahlen konnten, aber über die Jahre haben wir dann erkannt, dass wir Fördermittel für die Umsetzungen unserer Ideen benötigen. Deswegen haben wir dieses Jahr den Verein „Die Quernetzer e.V.“ gegründet. Das Kernteam besteht aus acht Leuten, dann haben wir noch 14 Personen, die ab und zu bei unseren Projekten mithelfen und über 45 Organisationen, die wir schon zusammenbringen konnten.

Welche Projekte konntet ihr denn 2020, im Jahre Corona, umsetzen?

Im Jahr 2020 haben wir uns hauptsächlich auf die Gründung des Vereins konzentriert. Heißt: eine Satzung schreiben, Gemeinnützigkeit vom Finanzamt anerkennen lassen und ins Vereinsregister eintragen lassen. Wir haben in Zusammenarbeit mit der HTWK das „Quernetz“ erstellt, welches die Vernetzung von Projekten und Organisationen darstellt. An dieser Stelle wollen wir Fabian, Max und Basti dafür danken, dass sie auch über ihre studentische Projektarbeit hinaus das Quernetz weiter programmieren und verbessern. In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule haben wir einen Podcast gestartet, der zweiwöchentlich aktuelle Themen mit Experten diskutiert.

Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es deinem Team und dir darum, eine zukunftsfähige – auch enkelgerechte – Demokratie mitzugestalten. Werdet ihr wahrgenommen? Wie viel Einfluss habt ihr?

Wir wollen Menschen Möglichkeiten an die Hand geben, ihre Umwelt mitzugestalten, seien es demokratisches Grundverständnis oder ökologische Wissensvermittlung. Ich denke, dass wir ein paar hundert Menschen über unsere Arbeit erreichen können. Damit sind wir zwar noch recht klein, aber unsere Stärke liegt auch eher im quernetzen, d.h. in unseren vermittelnden Fähigkeiten zwischen z.B. der Volkshochschule, dem Ökolöwen oder der Stadtreinigung, so Dr. Andreas Mattern.

Und wie bist du selber zu den Quernetzern gekommen? Was hast du im Vorfeld gemacht und was hat den Ausschlag gegeben, dass du dich mit Quernetzern eingelassen hast?

Ende 2016 hatte ich meine Promotion abgeschlossen und sehr viele negative Zeitungsartikel zu steigender sozialer Ungerechtigkeit, größer werdenden Umweltproblemen und dem Klimawandel gelesen. Ich hatte zwar eine Patenschaft für ein Kind in der Mongolei übernommen und ab und zu an gemeinnützige Organisationen gespendet, aber das reichte mir nicht aus. Zu diesem Zeitpunkt habe ich erkannt, dass ich selber anfangen muss, die Welt besser zu machen. Anstatt einer bestehenden Organisation beizutreten oder in die Politik zu gehen, habe ich mit sechs Freunden die Quernetzer gegründet.

Wie kann man sich denn bei euch engagieren? Manchmal hat man ja das Gefühl, dass einige engagierte Gruppen schon Sektencharakter haben, nach dem Motto: „Wir sind die Besseren und alle Anderen sind doof und müssen bekehrt werden.“ Wie haltet ihr euch offen?

Ganz einfach, schreibt uns über unsere Social Media Kanäle oder unter die-quernetzer@gmx.de. Egal, ob ihr eigene Ideen habt, die ihr umsetzen wollt oder einfach nur mal reinschnuppern wollt. Außerhalb der Pandemie erhaltet ihr dann eine Einladung zum nächsten Treffen, jetzt einen Link zur nächsten Videokonferenz. Da kann sich dann jeder ein Bild von unserer Arbeit machen.

Wir würden uns schon als selbstkritisch bezeichnen, da wir oft auch lange diskutieren, wie wir uns zu bestimmten Sachverhalten positionieren. Uns ist bewusst, dass wir nicht den heiligen Gral der Wahrheit besitzen und uns geht es nicht darum, jemanden zu belehren, sondern wirklich zu informieren und einfache Lösungsansätze zu bieten. Nach dem Motto: Wenn alle eine kleine Sache ändern, ändert das schon sehr viel. Unser Verein ist weltoffen, tolerant und steht für Werte der Demokratie ein. Gleichzeitig lehnen wir jegliches diskriminierendes Gedankengut ab.

Derzeit gehen ja Treffen nicht so wirklich. Wie agiert ihr in der Pandemie? Du hast es ja schon leicht anklingen lassen.

Hauptsächlich digital, nur unsere Gründung im April mussten wir in Persona abhalten, natürlich mit Maske und Abstand. Zum Glück konnten wir ein 500qm Büro für unser Gründungstreffen nutzen, wodurch die Abstandsregeln gut einhaltbar waren. Ansonsten fehlen uns die persönlichen Kontakte zu uns untereinander als auch zu anderen Menschen schon sehr. Aber als Quernetzer sieht man immer positiv in die Zukunft und ab Sommer 2021 wird es hoffentlich wieder mehr Präsenzprojekte von uns geben.