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Interview mit H-Blockx-Sänger Henning Wehland

„Ich werde diese Band nie aufgeben"

H-Blockx-Sänger Henning Wehland kommt mit seiner Band am 22. Oktober nach Leipzig © Ronja Hartmann

Mit dem Debütalbum „Time To Move" wurde die Münsteraner Band H-Blockx 1994 zu Vorreitern des Crossover. Songs wie „Risin' High" oder „Move" wurden zu Hits. In diesem Jahr feiert die Platte ihr 30-jähriges Jubiläum. Am 22. Oktober kommt die Band nach Leipzig. Sänger Henning Wehland ist von Anfang an dabei. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 52-Jährige über das Revival des Debütwerks, die Band und dunkle Zeiten.

Herr Wehland, wie kam es zu der Idee mit dem Revival? 

Henning Wehland: Im Jahr 2019 organisierte ein Freund ein Festival in Münster und sprach uns an, ob wir zum 25-jährigen Jubiläum von "Time To Move" dort spielen wollen. Also waren wir Headliner, es kamen 10.000 Leute auf den Domplatz und es war ein totaler Flash für uns alle. Wir merkten, dass uns die gemeinsame Zeit und das Musik machen auf der Bühne viel bedeutete. Und dann sagten wir uns: „Lass uns das doch nochmal zum 30-jährigen Bühnenjubiläum 2020 versuchen."

Und dann? 

Wir wurden im In- und Ausland oft gebucht, aber dann musste alles wegen COVID verschoben werden. 2021 haben wir zwei Konzerte nachgeholt und 2022 waren es bereits 15 Shows. 2023 ging es weiter. Es waren keine großen Hallen. Wir haben einfach immer noch unfassbar viel Spaß zusammen, egal ob im Proberaum oder auf der Bühne. Schließlich haben wir darüber nachgedacht, ob wir nicht einfach nochmal eine Tour spielen sollten. Wir wollten kein neues Album veröffentlichen, sondern nur zwei neue Songs herausbringen und im Herbst diese Tour spielen. Wir freuen uns tierisch.

Ein neues Album kommt erstmal nicht? 

Nein. Wir nehmen uns die Freiheit, Songs zu produzieren, wenn wir Lust drauf haben. Entsteht eine Nummer, die uns gefällt, veröffentlichen wir sie. Wir möchten deshalb eigentlich nur noch Singles veröffentlichen.

Von 2012 bis 2019 gab es die große Pause. War das schwer für Sie? 

Also, der erste große Einschnitt war, als unser Trommler 'Mason' (Johann-Christoph Maass, d. Red.) 1996 ausgestiegen ist. Als dann auch noch 'Gudze' (Stephan Hinz, d. Red.), unser Bassist, der für viele Songs verantwortlich war, die Band verlassen hat, dachten alle: 'Das wird nichts mehr!' 'Tinte' (Tim Humpe, d. Red.) und ich hatten damals schon ein Büro gegründet und kümmerten uns um unser Management und den ganzen Business-Kram. Die Chemie innerhalb der Band stimmte nicht mehr. Wir haben auch kein Album hinbekommen, weil wir mit anderen Dingen beschäftigt waren.

Was haben Sie in dieser Zeit gemacht? 

Ich habe mein Soloalbum „Der Letzte an der Bar" veröffentlicht, war bei den Söhnen Mannheims dabei, habe zehn Jahre das Management für Pohlmann gemacht und zwei Jahre The Boss Hoss betreut. Außerdem habe ich viel Fernsehen gemacht, hier und da moderiert und war Coach bei  „The Voice Kids". 2014 habe ich mich aus allem zurückgezogen und mich nur noch um meine Solokarriere gekümmert. Es kam jedoch auch eine schwierige und dunkle Phase, in der ich die Öffentlichkeit ausblenden musste. Es hat lange gedauert, bis ich das verstanden habe.

Was war los? 

Ich habe nicht verstanden, was ich eigentlich tue und warum ich die Dinge tue. In den vergangenen 25 Jahren ist jeden Tag so viel passiert, dass mich dieser Rock'n'Roll-Zirkus fasziniert hat. Aber dadurch habe ich nicht auf mich selbst geachtet. 2017 stellte ich mir die Frage: 'Was willst du wirklich?' Ich war total unglücklich und seitdem bin ich auf der Suche und das macht mir großen Spaß.

Sie waren all die Jahre trotz des Erfolgs nicht glücklich? 

Wann ist man glücklich? Das ist ein Zustand, der rückblickend betrachtet Sinn macht. Aber Glück ist kein System. Das sind Momente, und Zufriedenheit sowie Gelassenheit. Für mich kommt das aus einer tiefen, inneren Ruhe heraus. Und sie zu finden, ist das Schwierigste im Leben.

Hatten Sie Depressionen? 

Ja, ich habe bereits einige Therapien gemacht und befinde mich derzeit auch in Behandlung. Es gibt zwar keinen akuten Anlass, aber ich lerne bei jeder Sitzung dazu. Vor einigen Jahren war ich auch für mehrere Wochen stationär in Behandlung. Zudem habe ich leider auch viele negative Erfahrungen mit Therapeuten gemacht. Vor zwei Jahren jedoch habe ich eine Therapeutin gefunden, die mir geholfen hat, einen besseren Zugang zu mir selbst zu finden. 

Wie wurden Sie depressiv? 

Ich habe unfassbar viel Alkohol getrunken; das war sicher nicht zielführend. Seit zwei Jahren trinke ich keinen Tropfen mehr. Alkohol hat mir sehr viel Trauer und Depressionen eingebracht. Aber ich verteufle diese Zeit nicht. Wenn bestimmte Wege enden, muss ich umkehren. Jetzt kann ich alles besser annehmen. Ich hatte das Gefühl, traurig zu sein und durchlebte sehr dunkle Zeiten. Damals hätte ich nie so offen darüber sprechen können. Es ging um Beziehungen, in denen ich mich nicht frei verhalten habe. Ich habe mich selbst nicht genug wertgeschätzt.

Ist es da nicht gefährlich sich den Stress mit einer Tour wieder anzutun?

Nein, denn wir machen kein Business daraus. Wir würden darauf jetzt keine Existenzen aufbauen. Wenn wir Geld mit den H-Blockx verdienen, dann ist das Geld, mit dem ich nicht gerechnet habe. Wir treffen uns und anstatt ein Bier trinken zu gehen, gehen wir eben ins Studio. Im vergangenen Jahr gab es einen Moment, da saßen wir 24 Stunden in einem Raum und haben nichts hinbekommen. Aber wir sind nach Hause gefahren und waren irgendwie glücklich. Vor zwei Jahren konnte ich zu einem Freund auf einen Bauernhof in der Nähe von Münster ziehen und hatte sehr wenig Stress. Ich handle jetzt sehr bewusst, was Termine angeht. Früher war alle zehn Minuten irgendwas los bei mir. Ich merke mit den H-Blockx, dass die Schlagzahl höher geht, aber Stress ist das gar nicht.

2024 steht ganz im Zeichen der H-Blockx. Das, was Fanta 4 für den Hip Hop sind, sind die H-Blockx für den Crossover. Macht Sie das stolz? 

Es erfüllt mich schon mit Stolz, dass wir ein Phänomen geprägt haben, das später als Crossover bezeichnet wurde. Wir betrachteten uns damals als Rockband und wollten uns nicht in eine Schublade pressen lassen, gerade weil wir Einflüsse aus Hip-Hop, Rap, aber auch Metall und Popmusik hatten.

Damals gab es den Begriff Crossover nicht. 

Stimmt. Obwohl es viele bedeutende Bands vor uns gab, sowohl international als auch aus Deutschland wie Urban Dance Squad oder die Freaky Fukin Weirdoz, waren die Red Hot Chili Peppers und Faith No More sehr wichtig. Wir waren sicher nicht die Vorreiter, haben aber definitiv unseren Beitrag geleistet. Wir haben Crossover massentauglich gemacht, sind aber gleichzeitig sperrig geblieben. Leider polarisiert Crossover nicht so stark wie Punkrock oder Rock'n'Roll. Damals spielten wir auf Hip-Hop-Jams, Metal-Festivals und sogar auf Pop-Festivals. Unsere erste Tour haben wir mit den Spermbirds gemacht, der Hardcore-Band schlechthin in Deutschland. Wir hatten keine feste musikalische Heimat, also keine Schublade, in die man uns stecken konnte.

Sie haben mal gesagt „Wir haben viele Fehler gemacht". Was war der größte? 

Wir haben viele falsche Entscheidungen getroffen, und oft standen uns unsere Emotionen im Weg. Obwohl wir eine enge soziale Verbundenheit zueinander hatten, waren wir damals schon sehr unterschiedliche Charaktere, die nicht nur wegen ihres gemeinsamen Musikgeschmacks zusammen waren. Wir haben uns geliebt, mussten jedoch 30 Jahre lang lernen, um heute voller Leidenschaft auf der Bühne zu stehen. Als wir in Amerika Treffen mit den Chefs großer Plattenfirmen hatten, dachte ich, wir wären die heißeste Nummer. Doch oft dachten sie dann: "Wen habe ich mir hier eingeladen?" Nach dem großen Erfolg von "Time To Move" fragte ich mich, was ich als Nächstes tun sollte, was den Leuten gefallen würde. Ich habe nicht wie ein Künstler gedacht und hätte bestimmte Entscheidungen treffen müssen, die weniger kommerziell orientiert waren. Doch wer weiß, ob wir dann dort angelangt wären, wo wir heute sind. Ich lebe seit 30 Jahren davon, und ich bereue nichts.

„Wir haben Freundschaft mit Geschäft verwechselt" - das haben Sie auch mal gesagt. Wie war das gemeint?

Wir haben mit 17, 18 Jahren die Band gegründet und spielten zu dieser Zeit 150 Konzerte pro Jahr. Ich bemerkte, wie alles immer größer wurde. Wenn wir am Club ankamen, gab es immer eine 100 Meter lange Schlange. Ich dachte: 'So geht das!' Ich habe im Tourbus gelebt. Doch dann kam der Moment, als das Geld und der Kommerz uns einholten, und es wurde ernst. Ich konnte Emotionen und Geschäft nicht gut voneinander trennen. Deshalb bin ich auch kein guter Geschäftsmann. Ich konnte nie gegen meine Emotionen argumentieren.

Haben die Emotionen der Band oft im Weg gestanden?

Nein. Emotionen machen uns aus. Wir sind immer noch eine der besten Livebands. Stoppok, Niels Frevert oder BAP würden nie den Status eines Ed Sheeran erreichen, weil es ihnen einfach zu doof ist, bestimmte Kompromisse einzugehen. Ed Sheeran ist ein cooler Typ, aber er weiß halt, wer er ist und welchen Knopf er drücken muss.

Gab es bei Ihnen mal den Gedanken die H-Blockx aufzulösen?

Nein, ich bin nie ausgestiegen, weil ich wusste, dass es ein dynamischer Prozess ist. Die H-Blockx sind mein Lebenswerk und werden es auch bleiben. Die Band war immer der rote Faden in meinem Leben und hat mich davor bewahrt, berufliche Entscheidungen treffen zu müssen.

Ist der Spirit in der Band heute anders als beim letzten Album 2012?

Ja, auch anders als 1994. Es ist die reinste Form dessen, was ich als Musiker erleben durfte. Jeder ist mit 100 Prozent dabei. Wir haben immer Spaß auf der Bühne. Es ist eine reine Form der Freude. Dafür bin ich sehr dankbar. Auch, wenn ich der Letzte bin, der die H-Blockx-Fahne hochhält, ich werde diese Band nie aufgeben.

Worauf dürfen sich die Fans auf der Tour freuen?

Im Prinzip stehen da vier Jungs auf der Bühne, die den Laden abreißen. Wenn ich zu einem AC/DC-Konzert gehe, erwarte ich nicht, dass sie nackt auf der Bühne stehen und die B-Seiten der unveröffentlichten Alben spielen. Da weiß ich, dass eine Rockshow mit vielen Songs, die ich kenne, kommt.

Weitere Infos zu H-Blockx unter https://www.facebook.com/HBLOCKXofficial/

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