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„Letzte-Instanz“-Frontmann Holly Loose im Interview

Ich hoffe leise, dass meine Ängste nicht wahr werden

Die Zeiten sind gerade nicht kunterbunt. Einen Lichtschimmer sendet Holly Loose, Autor, Sprecher und Frontman der Rockband „Letzte Instanz“. Solo und mit seinen Freunden vom „Kabinett des Glücks“ hat er ein Lied gemacht: „Gegen den Wind“. Setzen wir Segel. Und beginnen wir endlich wieder, gemeinsam einen Kurs zu bestimmen. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit Holly.

Musiker Holly Loose am nördliche Rande Deutschlands © Stephan Klement

Guten Tag, Holly. Die meisten Menschen kennen dich ja als Frontmann der Band LETZTE INSTANZ – aber auch solo und in anderen Kooperationen wie „Reinhard Mey & Freunde“ (Nein, meine Söhne geb ich nicht …) hinterlässt du Spuren. Und jetzt gerade die zutiefst berührende Single „Gegen den Wind“. Warum gerade jetzt? Du säst Hoffnung, Holly.

Guten Tag, lieber Volly. Wir haben schon lang nichts mehr gehört voneinander! Toll, dass wir uns mal wiedersehen! Um gleichmal beim „Säen“ zu bleiben: Wenn ich Hoffnung säe, ist mein Schaffen ja noch um so schöner und sinnstiftender. Wir kennen ja alle die Situation und ich will da gar nicht weiter drauf herumreiten. Lieber nutze ich die Zeit des faktischen Berufsverbotes, halte mich anderweitig, zum Beispiel mit meinem Shop, über Wasser und schreibe neues Zeug. Parallel und immer, wie es mir gerade durch die Finger kommt.

Du sagst, die Single wäre eine von drei Lebenszeichen vor dem nächsten Solo-Album. Das bedeutet, dass dazwischen noch etwas von der Instanz kommt? Und was für Solo-Lebenszeichen kommen da denn noch auf uns zu?

Genau. So meinte ich das gerade. Alles läuft parallel. Momentan sitze ich zusammen mit meinen Kollegen von „Letzte Instanz“ an einem neuen Instanz-Album. Dann schreibe ich gerade einen neuen Kurzgeschichtenband und dann arbeite ich natürlich mit meinen Freunden und Familienmitgliedern aus dem „Kabinett des Glücks“ an meinem dritten Soloalbum.

Auch du hast 2020 intensiv mit den Auswirkungen von Corona zu kämpfen gehabt. Erzähl mal bitte, wie du mit der Pandemie umgehst.

Tja. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass es momentan faktisch einem Berufsverbot gleichkommt. Im Hauptsächlichen geht es hierbei um alle abgesagten Auftritte, die mir ein Einkommen sichern hätten können. Aber ich will da gar nicht so sehr jammern. Auch wenn’s scheiße ist. Ich schaue mich halt um, arbeite in vielen mir berufsfremden Zweigen für Freunde oder versuche eben, für die Zukunft zu agieren, insofern, dass ich schreibe, Sprecheraufträge annehme und so weiter.

Und: Ich bleibe einfach zu Hause. Rasenmähen muss ich jetzt ja nicht mehr, dafür rieselt verstärkt Laub zweier großer alter Eichen herab, was mir eine fast tägliche Sporteinheit von je knapp zwei Stunden beschert. Auch lerne ich grad Kochen. Nicht nur vor Wut, sondern auch zum Sattwerden. Zumindest kommt immer mehr Lob seitens meiner Familie und die Teller werden zunehmend leerer gegessen. Ein Zeichen des Appetits und nicht des Hungers wohlbemerkt.

„Gegen den Wind“ bedeutet ja auch, dass das Kämpfersein dir und den dich umgebenden Menschen Wesenskern ist. Wenn ich dann Lieder von dir wie „Irgendwann“ höre, ist deine Sicht auf die Menschheit ja nicht unbedingt freudetrunken. Wohin reist unsere Spezies, deiner Meinung nach?

Tja... auch wenn ich mir Gedanken mache und diese in Texte fließen, kann ich leider auch nicht in die Zukunft schauen. Auch fällt es mir immer schwerer, zwischen all diesen Diskussionen und Theorien die Wahrheit zu erkennen. Mir fehlt mehr und mehr Wissen. Alles wird komplexer. Das fängt bei meinem Auto an, welches ich früher noch fast selbst zusammenschrauben konnte. Und nun, wenn es kaputt ist, kann ich nur noch dumm dreinschauen. Weiter geht es mit der Komplexibilität bis zu den uns aktuell beherrschenden Themen. Corona, Klima, Konflikte. Ich blicke da null durch. Verlasse mich dabei jedoch einfach auf Kant und seinen kategorischen Imperativ. Jedenfalls für mich. Selbstverständlich gelingt mir das nicht immer... hab auch schon viel Mist gebaut... Bin ja auch nur ein Mensch, aber ich versuche es.

Nun kann ich natürlich leicht sagen, dass, wenn das alle so täten, die Welt um ein Vielfaches schöner wäre, aber das funktioniert nicht. Es wäre einfach nur naiv. Ich habe natürliche Ängste, die jeder von uns hat und mich begleiten ganz klar auch die Ängste, die von außen durch Andere auf mich einwirken. Und gerade, weil ich sie teilweise nicht durchschaue und sie nicht entwerten kann, ist Vorsicht angesagt.

Mir scheint dieses Vorgehen sehr menschlich und natürlich. Was allerdings die Zukunft aus und mit uns macht, kann ich nicht vorhersagen. Ich hoffe nur leise, dass meine Ängste nicht wahr werden und pflege den kategorischen Imperativ so gut es eben geht.

Der Leipziger Jazz-Pianist André Jolig, der bei LIFT die Keyboards bedient, bringt uns zu deiner Verbindung zu Leipzig – schließlich hast du ja das letzte Album der Band LIFT produziert. Diese fulminante Band steht für einen extrem-neoklassischen Sound. Wie hast du ihnen neue Farbe geben können?

Ja. Das war ein tolles Projekt für mich. Mit Andy stehe ich schon seit Jahren in Kontakt, wir sprechen hin und wieder über Ideen und Projekte und irgendwann sprachen wir eben auch über LIFT. Andy hatte mehrere Ideen und Kompositionen, die er mir gab und die ich dann zusammen mit meiner Frau betextete. Letztlich hatten natürlich Andy und Werther die Entscheidungshoheit und sie entschieden sich für eine kleine EP, statt für ein großes Album. Und so blieb aus dem Textsammelsurium nur „Der Admiral“ übrig und schwang sich auf das Vinyl. Die weiteren Stücke habe ich eher technisch begleitet, gemixt, gemastert und versucht, dem Ganzen zumindest eine gesunde Dynamik zu geben, was bei solchen Werken recht schwierig ist, aber zusammen haben wir es letztlich ganz gut hinbekommen, denke ich mir.

Ich weiß, dass dich sehr viele Gefühle mit dem Leipziger WERK II verbinden. Erzähl doch mal bitte.

Ach, die Guten! Ich finde es immer wieder toll, wie herzlich die Localcrew dort ist. Seit 2005 darf ich immer wieder zu Gast sein, sei es mit LETZTE INSTANZ, mit meinem Soloprojekt oder mit meinen ganzen vielen Lesungsprogrammen. Man weiß ja im Allgemeinen, dass Lesungen ein eher kleines Publikum ziehen, doch gemeinsam haben wir die Hoffnung nie aufgegeben. Und das halte ich dem Werk II sehr, sehr zugute. Falls ihr das hier später mal lest: Ich danke euch allerherzlichst!!!

Zurück zur neuen Single. Wo können denn deine Fans das Lied für sich beziehen und sind Auftritte geplant?

Tja... Auftritte… Ich schätze, das wird noch auf sich warten lassen. Aber auf jeden Fall soll dieses Lied „Gegen den Wind“ ein kleines Achtungszeichen sein. Das Lied geht raus an alle Zweifler, an alle Kämpfer und an alle, deren Mut manchmal nicht ausreicht, sich diesem Leben zu stellen. Es soll ein Lebenszeichen sein und zeigen, dass ich, zusammen mit meinen Leuten vom „Kabinett des Glücks“ noch nicht aufgegeben habe und das auch nicht tun werde.

Zu haben ist es seit 6. November als Stream und Download auf eigentlich allen bekannteren Plattformen, wie iTunes, Deezer, Spotify, amazon und mit Film auch auf YouTube. Gleichzeitig hoffe ich natürlich, dass nicht nur gestreamt wird, sondern auch gekauft und heruntergeladen, denn das kommende Album würde ich gern mit diesen Einnahmen teilfinanzieren. Wo es schon keine Konzerte gibt. Und wenn wir schon mal dabei sind: Meine anderen beiden Soloalben sind auch nicht zu verachten. Sagt man zumindest. Aber das Dritte!!! Das wird… aber darüber unterhalten wir uns später, Volly!

Danke lieber Holly. Und wir sollten uns dringend zum Ausklamüsern neuer Kooperationen treffen – du weißt ja: „Holly & Volly“ als Countryband steht immer noch aus.

Das stimmt sehr wohl und das habe ich auch auf dem Schirm. Wir könnten das Ganze auch mit Westernmusik erweitern. Warten wir mal ab, wann das Wetter wieder schöner wird. Einer der nächsten Sommer kommt bestimmt.

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