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Unbeirrt Wege gehen, von denen man überzeugt ist

Gespräch mit Fußballtrainerlegende Ulli Thomale

Menschen sind mehr als oft viel zu verkürzt geworfene Aufregerschnipsel in der heutigen Medienlandschaft oder gegenseitig an Köpfe gebolzte Satzfragmente. Menschen, besonders die, die schon ein paar Jahre abgerissen haben, sind Brüche, einschneidende Erlebnisse und eigene Schlussfolgerungen. Ahoi-Redakteur Volly Tanner durfte mit der Trainerlegende Ulli Thomale reden, der in Zusammenarbeit mit der Journalistenkoryphäe Frank Willmann ein großartiges Buch über sein Leben geschrieben hat. Mit all den nötigen Reisestationen: Lokomotive Leipzig, China, Tsunami, Krebs und ganz viel Liebe zu seiner Frau Regine.

Ulli Thomale in bester Form. Trainer und nicht Diplomat. © Thomale Archiv

Ahoi: Guten Tag, Ulli Thomale. Vor mir liegt Ihr Buch „Ulli Thomale - Ich bin Trainer, kein Diplomat" (Mein bewegtes Leben), welches Sie in Zusammenarbeit mit Frank Willmann für den Mitteldeutschen Verlag geschrieben haben. An welchen Stellen, bzw. in welchen Situationen ist denn dieses „kein Diplomat"-Sein besonders zutage getreten?

Thomale: Offenheit, Ehrlichkeit und Gerechtigkeitssinn sind Tugenden, die mich in meinem Leben begleiten. Das betrifft im Wesentlichen alle Lebensbereiche.

Besonders in meiner Zeit als Trainer habe ich mich im Umgang mit unsachlichen Menschen, ob Vorgesetzter, Journalist oder auch Schiedsrichter, nicht immer diplomatisch verhalten, geäußert oder reagiert. Das war nicht immer zu meinem Vorteil.

 

Ahoi: Wie kam es denn zur Zusammenarbeit mit Frank Willmann und wie gestaltete sich diese?

Thomale: Die Zusammenarbeit mit Frank Willmann hatte mein Sohn Michael organisiert. Das Verfassen eines Buches basierte auf einer Idee von ihm anlässlich meines 75. Geburtstages. Mit Frank hatte ich einige Treffen oder telefonischen Kontakt. Das hat gut funktioniert.

 

Ahoi: Leipziger Menschen sind Sie ja ganz besonders durch Ihre Tätigkeit für Lokomotive Leipzig oder den VfB Leipzig bekannt, waren aber auch für den HFC meiner Geburtsstadt aktiv, bei Carl Zeiss Jena, Wismut Aue, in Graz, Kassel, Erfurt, Plauen - aber auch in China (Chengdu) als Trainer ganz vorn an der Front. Wie unterscheidet sich denn chinesisches Trainieren vom Trainieren in Deutschland?

Thomale: Bedingt durch die Kürze meiner Tätigkeit in China und die Tatsache, dass diese schon einige Jahre zurückliegt (1998) kann sich inzwischen Einiges geändert haben. Auf jeden Fall waren die mir anvertrauten Spieler sehr lernwillig, fleißig und engagiert. Was ich schon damals bemängelt habe, war der ausgeübte Druck und die Einhaltung übertriebener Vorgaben durch übergeordnete Gremien.

 

Ahoi: Besonders berührt hat mich Ihre 2004er Lebensepisode in Thailand, Phuket. Hier gerieten Sie mitten in den Tsunami, der so vielen Menschen das Leben kostete. Das war äußerst dramatisch - für Ihre geliebte Frau Regine und auch Sie. Können Sie unseren Lesern etwas von dieser Zeit erzählen?

Thomale: Der Tsunami war natürlich ein absolut einschneidendes „Erlebnis“. Einmal natürlich, was wir an Schmerzen und psychischen Belastungen auf uns nehmen mussten, anderseits spürten wir Solidarität und Hilfe in überfüllten Krankenhäusern durch Ärzte und einheimische Helfer. Dazu kamen unser Überlebenswille und viel, viel Glück.

 

Ahoi: Und dann 2005 der Krebs. Diese fiese Krankheit schleudert immer wieder und immer mehr Menschen völlig aus der Bahn. Wie haben Sie ihn besiegt?

Thomale: Als Fazit dieser Lebensepisode und auch meiner nachfolgenden Krebserkrankung hat sich unsere Einstellung zum Leben in der Weise verfestigt, dass eigentlich jeder Tag, den man einigermaßen gesund und in Liebe und Zuversicht verbringt, ein Geschenk ist.

 

Ahoi: Wenn Sie Ihr Leben Revue passieren lassen, lieber Ulli Thomale, welche Weisheiten können Sie an junge Menschen weitergeben?

Thomale: Zum Thema „Weisheiten für junge Leute“: Es ist zunächst eines Fakt, dass alleine die Lebenserfahrungen den Menschen schon weiser machen. Das betrifft natürlich alle Bereiche des Lebens. Für mich war immer wichtig, eine Aufgabe oder eine Tätigkeit so auszuführen, dass man guten Gewissens resümieren konnte, alles zur Bewältigung und Lösung dieser Aufgabe getan zu haben. Gerade im Job eines Fußballtrainers entspricht der Aufwand nicht immer dem Nutzen oder dem Ergebnis. Trotzdem unbeirrt einen Weg zu gehen, von dem man überzeugt ist, war für mich immer wichtig.

Mein viel zu früh verstorbener Vater führte über meine absolvierten Spiele und erzielten Tore in ganz jungen Jahren ein Fußballtagebuch. In diesem Stand auf der ersten Seite:

Wer etwas Großes leisten will, muss tief eindringen, scharf unterscheiden, vielseitig verbinden und standhaft beharren.

Diese Worte begleiteten mich ein Leben lang.

 

Ahoi: 1955 begannen Sie als Spieler bei Motor Sörnewitz, kickten bis 1971 in Meißen, Dresden, Potsdam, Riesa. Gibt es überhaupt noch Kontakte zu Menschen von damals? Ich stelle mir solch eine konsequente aber unstete Karriere - rein von den zwischenmenschlichen Beziehungen - schwer vor? Wie halten Sie Kontakt?

Thomale: Soziale Kontakte auf allen Ebenen waren für mich immer wichtig, das betrifft z.B. Wo sind meine Wurzeln, wem habe ich viel zu verdanken, wer hat mich unterstützt, mit wem habe ich Siege errungen oder natürlich auch Niederlagen verarbeitet? So habe ich heute noch Kontakt zu ehemaligen Mitschülern, Mitspielern, Bekannten aus verschiedenen Lebensabschnitten. Besonders freut mich immer wieder, wenn mich ehemalige Spieler kontaktieren, was ich auch tue.

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass es ein tolles, kraftvolles Gefühl ist, eine intakte Familie zu haben, die in schwierigen Zeiten zusammenhält und jedwede Unterstützung garantiert.

 

Ahoi: Ich wünsche Ihnen noch weiterhin viel Zeit und Liebe zu und mit Ihrer Frau Regine. Und danke Ihnen von ganzen Herzen für einen Teil davon für dieses Interview.

Buch: Hans-Ulrich Thomale - Ich bin Trainer, kein Diplomat!

www.mitteldeutscherverlag.de

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