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Kein Happy End. Hochkultur eben.

Gespräch mit der Postpunk-Band Kaltfront

Kaltfront - Band aus Dresden
Kaltfront – ohne Phrasendrescherei und Plattitüden © Kaltfront/ Amy Carskadon

In Zeiten großer Umbrüche braucht es Musik, die schon Zeiten großer Umbrüche erlebt hat. Und da die Klimakrise in aller Munde ist, braucht es ganz besonders eine Kaltfront. In Tönen. Und postpunkigen Melodien.

Kaltfront aus Dresden beehren Leipzig. Grund genug, dass Ahoi-Redakteur Volly Tanner etwas Kühle suchte und die Band besuchte:

 

Ahoi: Guten Tag, Freunde von Kaltfront. Ihr kommt aus Dresden und seid mit Unterbrechung schon seit 1986 dabei, musikalisch Feuer zu machen. Schließlich ist es immer noch kalt im Land der Dichter und Sichverlenker. Bald gibt es Euch auch endlich wieder live in Leipzig. Wann denn? Wo denn? Und gibt es Supportbands? Wenn ja, wen?

Kaltfront: Wir spielen am 10. September im Westbahnhof in Plagwitz. Mit dabei sind VSK (Freiberg), ZIRKUS ZIRKUS (Potsdam) und RESISTENZ ’32 (Leipzig).

 

Ahoi: Eure letzten Alben sind alle bei Rundling Records herausgekommen. Was ist das denn für ein Label? Wer steckt da dahinter und wer ist noch unter Vertrag?
 

Kaltfront: Rundling war ursprünglich das bandeigene Label der Punkband BOTTLES. Mit der Zeit kamen dann KALTFRONT, PARANOIA, RUMMELSNUFF, ZWITSCHERMASCHINE, TINA HAS NEVER HAD A TEDDYBEAR, MORTON & LAAF... dazu. Rundling wird betrieben von Stephan Rendke. Das Label existiert jetzt 23 Jahre und es gibt mittlerweile 30 Releases.

 

Ahoi: Das neue Album „Spiegel“ klingt rotzig und zornig wie in Euren frühen Jahren. Postpunk als Musik der Zweifelnden und Verzweifelnden, nur eben mit der Kraft, immer wieder aufzustehen. Die Fäuste geballt und alle Sehnen gespannt. Was sorgt dafür, dass Ihr diese Welt überhaupt aushaltet?

Kaltfront: Einige behaupten, so ziemlich alle Drogen ausprobiert zu haben, die es gibt. Das hat aber nichts gebracht. Was wirklich hilft sind Familie und Freunde, sowie Kunst und Kultur. Oder eben eine schnöde Postpunk-Band. Aber mit Phrasendrescherei und Plattitüden wollen wir dagegen nicht dienen. Wir verorten uns ganz klar in der Hochkultur und versuchen uns stets weiterzuentwickeln und nicht nur altes Zeug aufzuwärmen.

 

Ahoi: Mal ganz in die Anfänge hinein. 1986 eine Band zu gründen, die nicht gerade staatskonform zu werden antrat, war doch bestimmt waghalsig. Wie kam es zur Gründung von KALTFRONT?

Kaltfront: Waghalsig waren eher die Bandprojekte, die wir vorher hatten, so ca. von 1982 bis 1985 (GEGENSCHLAG, PARANOIA, SUIZID). Das war noch Untergrund. 1986 hatte sich die Lage etwas gelockert. Wir haben mit KALTFRONT bewusst und „staatskonform“ auf eine Einstufung hingearbeitet, um öffentlich spielen zu können, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Dafür hat die „Grundstufe“ ausgereicht.

 

Ahoi: Und warum war ein paar Jahre später Schluss?

Kaltfront: Das hat sich in den Wirren der Wendezeit so ergeben. Zwei Bandmitglieder sind in den Westen gegangen. Der Rest hat noch einige Zeit in Rumpfbesetzung und mit Gastmusikern weitergemacht. Das letzte Konzert fand im April 1990 statt. Offiziell aufgelöst hatte sich die Band nicht, aber die Bandmitglieder haben dann erst einmal andere Dinge ausprobiert. Das Interesse an den alten Demotapes hielt weiterhin an und es gab auch immer wieder Anfragen wegen einer Reunion. Die fand dann Ende 2005 in Dresden statt.

 

Ahoi: Glücklicherweise gibt es Euch weiterhin. Das OX präsentiert sogar Eure derzeitige Tournee. Wie reagieren die Menschen auf Euer musikalisches Angebot?

Kaltfront: Natürlich unterschiedlich. Wir sind immer wieder überrascht, wie breitgefächert unser Publikum ist. Da gibt es das Paar, dass sich vor 35 Jahren bei einem Konzert von uns kennengelernt hat. Aber auch viele junge Leute, die damals noch gar nicht geboren waren. Wir sind glücklich darüber, dass unsere neue Platte auf sehr gute Resonanz gestoßen ist und musikalisch wie textlich den Puls der Zeit getroffen zu haben scheint. Kein Happy End. Hochkultur eben.

 

Ahoi: Ihr habt ja schon einige Male in Leipzig gespielt. Welche Kontakte gibt es hierher? Mit wem trinkt ihr ein Bierchen vor oder nach dem Konzert im Westbahnhof?

Kaltfront: Früher haben wir im Conne Island, im UT Connewitz und in der LiWi gespielt. Persönliche Kontakte hatten wir damals nicht. Seit inzwischen über 10 Jahren haben wir nun engen Kontakt zu Schrammel und Ulrike vom „Heldenstadt anders e.V.“. Schrammel hatte uns mal eingeladen, im „Stoned“ zu spielen. Zuerst waren wir irritiert, wie klein der Laden ist, eine schmale Kneipe mit provisorischer Bühne. Aber es hat riesigen Spaß gemacht, so dass wir dann regelmäßig dort gespielt haben. Das Konzert jetzt im Westbahnhof hat Schrammel auch mit organisiert. Wir haben auch viele andere Freunde in Leipzig. Es wird also hoffentlich voll.

 

Ahoi: Danke, Freunde. Und bitte nicht aufhören. Auf dass sich Menschen unwohl fühlen lernen.

Kaltfront im Netz:

KALTFRONT - Zieh dich warm an! (kaltfront-dresden.de)

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