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Im bittersüßen Finsterlicht

Gespräch mit der Musikerin und Schauspielerin Sarah Koch

In normalen Zeiten macht sich der neugierige Journalist in dunklen Kellern oder verrauchten Hinterzimmern, in unaufgeräumten Studios oder punkigen Konzerträumen breit, um kulturelle Entdeckungen für die Leserschaft zu erspüren. Heutzutage sind, aufgrund abgeschlossener realer Kommunikationsflächen Tippgeberinnen wichtiger den je. Ahoi-Redakteur Volly Tanner bekam den Tipp, sich doch einmal mit dem musikalischen Hintergrund von Sarah Koch zu befassen und wurde fündig. In bittersüßem Finsterlicht. Deshalb hakte er bei Sarah ein und fragte nach:

Sarah Koch
Sarah Koch schürft in bittersüßem Finsterlicht © Sven Serkis

Ahoi: Guten Tag, Sarah Koch. Ich höre gerade Dein neues Album „Bittersüßes Finsterlicht“ in Dauerschleife. Schon im Albumtitel sammeln sich Paradoxa – bittersüß geht ja noch in Ordnung (das kennen wir von der chinesischen Küche und aus unserem Gefühlsleben). Was ist aber Finsterlicht?

Sarah Koch: In Dauerschleife? Oh wie schön. Ich danke dir.

Ein Finsterlicht ist für mich das Licht, welches wir in uns finden können, wenn um uns herum die Dunkelheit einbricht. Wir müssen nur zuhören. Die Augen nach innen richten. Es ist immer da.

Unsere größten Schatten, unsere größten Ängste, bringen oft in uns das größte Wachstum hervor.

Dieses Wachstum ist mein Finsterlicht. Ohne meine eigene Reise durch schlechte, ja dunkle Zeiten, hätte ich nicht gefunden, zu was ich in der Lage bin. Hätte ich nicht gefunden, wie sehr ich mich selber zum Opfer machen kann. Aber eigentlich Schöpfer bin. Zu jedem Moment.

Khalil Gibran sagte schon so schön: „Man muss durch die Nacht wandern, wenn man die Morgenröte sehen will.

Die Morgenröte ist das Finsterlicht.

 

Ahoi: In den Songs greifst Du sehr sensibel und sogar etwas popig die Gothicszene ab. Das interessiert ja besonders uns in Leipzig Lebende, schließlich ist hier der Höllenschlund der Szene zu finden. Welche Verbindungen hast Du denn sonst noch zu Leipzig?

Sarah Koch: Mein Bruder hat viele Jahre in Leipzig gelebt und an der HMT Musical studiert. Da er für mich großes Vorbild und Inspiration war, ich selber so gerne auf der HMTSchauspiel studieren wollte, habe ich ihn oft dort besucht. Seine Gesangs- und Tanzklassen mitbesucht, bei seinem Schauspiellehrer meine Monologe für die Vorsprechen vorbereitet und natürlich im Schauspielhaus von meinem späteren Leben am Theater geträumt.

Es war für mich ein erstes, tieferes Abtauchen in die Künstlerszene, die Arbeit als Schauspieler.

Dort habe ich sozusagen Blut geleckt.

 

Ahoi: Und wie war es Dir hier bei Deinen Besuchen so?

Sarah Koch: So schön. So inspirierend.

Wir hingen viel hinter der Hochschule im Künstlerviertel ab.

Ich habe viel Gespräche und Inspiration gesucht. Es war wie eine Wegbereitung in meine eigene Kunstwelt.

Natürlich ist auch ein klein wenig mein Herz gebrochen, da ich es nicht an die Schule geschafft habe - aber selbst da haben mich die Lehrer zur Seite genommen und mir gesagt: Mach weiter!

Durch meinen Zweitjob als Flugbegleiterin komme ich immer mal wieder nach Leipzig und erinnere mich gerne an diese gute, erste Zeit.

Leipzig ist offen. Und voller Kultur.

Mein Bruder schwärmt auch noch heute davon.

 

Ahoi: Ich mag Deinen Song „Lebkuchenhaus“ - aber auch bei „Oh, Romeo“ gibt es Verweise – zum Beispiel ins Shakespearsche Schaffen. Wie suchst Du nach Deinen Themen?

Sarah Koch: Es sind alles Themen, die mir aktuell begegnet sind oder ein wichtiges Thema waren.

Ich mag es sehr, aktuelle Themen in Fabeln, Märchen und Geschichten zu verpacken. Und gleichzeitig habe ich gesehen: wie viel Wahres, ja sogar an Persönlichkeitsentwicklungsthemen in den Stücken wie „Hänsel und Gretel“, „Romeo und Julia“, oder „Sterntaler“ liegt. Das fand ich spannend, als Erwachsener neu einzutauchen, zu durchforschen und mich zu fragen: Was kann ich für mich mitnehmen? Und vielleicht sogar für Andere.

 

Ahoi: Solch ein Album macht man ja in den seltensten Fällen alleine. Wer hat Dich unterstützt?

Sarah Koch: Mein Mann hat es geschafft, die Liebe zur Musik neu zu entfachen. Ohne sein Weihnachtsgeschenk, einen Songwriting Tag, gäbe es das Album nicht. Er schenkte mir quasi den Thilo Zirr, meinen Musikproduzenten, mit dem es sofort „gefunkt“ hat.

Auf alle meine verrückten, anderen Ideen ist er mit Freuden aufgesprungen und hat wunderbar mit mir experimentiert, komponiert und sogar bis zu den Musikvideos mit angepackt.

Große Inspiration und Ratgeber war aber auch natürlich mein großer Bruder Oliver.

Vor jedem neuen Studiotag habe ich mit ihm noch einmal ein Gespräch gesucht. Mein letztes „Go“ quasi.

Er sagte zwar gerne: „Es gibt zwei Wege: „The road to success“ und den anderen Weg. Sarah geht gerne den anderen.“ Dann mussten wir beide immer sehr lachen. Aber genau dafür bewundert er mich sehr: so sehr auf mein Herz gehört zu haben. Und dazu hat er mich auch ermuntert: „Bei dir kann man mal alles anders machen! Dann mach das auch!

And so she did.

 

Ahoi: Derzeit, gerade durch Corona, verlegen sich einige Schauspielende ins musikalische Fach, schließlich ist die musikalische Ausbildung ja auch Teil des Berufsbildes. Doch wie viel Bumms, Chaos und Subversion kann da geschaffen werden? Irgendwie habt ihr ja auch gelernt wie es geht, fehlt da nicht die Spontanität, die Genialität hervorrufen kann?

Sarah Koch: Oh, ich finde Musik und Schauspielerei sind für mich zwei völlig unterschiedliche Künste. Klar, wir müssen bei beiden letztendlich immer wieder auf der Bühne, im Studio stehen und etwas reproduzieren. Aber auch bei uns in der Schauspielerei haben wir eigentlich immer den Anspruch, jeden Satz neu zu denken. Dem Gegenüber wirklich zuzuhören. Also natürlich zählt da auch der eigene Anspruch. Da mag ich nicht für alle Künstler reden. Ich fühle mich, ganz ehrlich, dazu verpflichtet. Aber die Musik, der Gesang, ist vielleicht ähnlich von der Textarbeit, aber man braucht natürlich auch eine Technik.

Ansonsten ist für mich Fantasie ein großes Stichwort. Was will ich erschaffen? Wie will ich es erschaffen? Und vor allem: Warum will ich es erschaffen?

So ist jeder Moment, jede Produktion einzigartig. Eine neue Geschichte, die es von Grund auf zu erforschen gibt.

Ich fühle mich oft an ersten Probentagen wie ein absoluter Anfänger, hoffe, mir kommt niemand auf die Schliche - Scharlatonsyndrom nennt man das doch.

Und ein paar Wochen später lacht man darüber, und hat so viel Neues gelernt. Ich liebe es zu lernen. Deswegen bin ich auch eine viel bessere Schülerin und könnte niemals Lehrerin sein - wobei man dabei wahrscheinlich auch einiges lernen kann.

Ein ewiger Kreislauf.

 

Ahoi: Soll es eigentlich auch irgendwann Livekonzerte geben und wenn ja, wie werden die für wo organisiert?

Sarah Koch: Ja, ich träume davon. Ein Projekt, welches ich im nächsten Jahr angehen will. Natürlich in einem Circuszelt. Mit Artisten, passendem Catering und Dekoration. Ein richtiges Happening. Im Tim Burton Stil. Eh klar.

 

Ahoi: Danke, liebe Sarah, ich bin gespannt.

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