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Höschen und Pasties bleiben an

Gespräch mit der Burlesque-Königin Simone de Boudoir

Die Lipsie Lillies – wie die Göttin sie schuf – in bunt. © Frank Helbig

Gerade in moralinsauren Zeiten braucht der Mensch an sich Schönheit, Augenzwinkern und Möglichkeiten, aus der Dauerkrise heraus zu lachen. Umso besser, dass sich die Lipsie Lillies nie von ihrem Weg abbringen ließen, dem Weltvolk ihre Shows zu kredenzen. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit Simone de Boudoir von den Lipsie Lillies, hakte ein und aus was auszuhaken ging und fragte sich die Tippfinger wund:

 

Ahoi: Guten Tag, hochverehrte Simone de Boudoir. Du feierst mit Deinen Freundinnen und Freunden am 5. November 2022 ein Fest im UT Connewitz. Was feiert ihr denn?

Simone de Boudoir: Wir feiern unser 13jähriges Bestehen als Lipsi Lillies, Leipzigs erster Burlesque-Truppe unter der Überschrift „Jetzt schlägt’s 13!“. Wir sind selber erstaunt, wie schnell doch die Zeit vergeht und dass es jetzt schon 13 Jahre sind, in denen uns das Leipziger Publikum die Treue hält und sich immer wieder von unseren Shows begeistern lässt.

 

Ahoi: Und wer ist alles dabei?

Simone de Boudoir: Wir drei Lipsi Lillies, Bert Callenbach und Mitzi von Sacher bilden ja sozusagen das Grund-Ensemble unserer Shows. Außerdem sind aber auch einige unsere treuesten Mitstreiter dabei, die uns seit Jahren begleiten, allen voran Burlesque-Darling Lotti Lieblich aus Berlin und Leipzigs Boylesque-Liebling Mr. Rapido. Pianist Lothar Hansen haut für uns in die Tasten und begleitet nicht nur Bert Callenbach, sondern auch seine eigenen Songs und unsere Stummfilm-Einspieler. Natürlich dürfen die Geburtstagsgäste ordentlich mitmischen und bei Longdrinks, süßen Geburtstagsüberraschungen und der musikalischen Lieblings-Playlist der Lipsi Lillies, aufgelegt von DJ Peter Strom, gemeinsam mit den Akteuren der Show das Tanzbein schwingen. Es lohnt sich besonders fantasievolle, offenherzige oder gediegene Abendgarderobe anzulegen, denn die besten Outfits werden wieder mit dem „Best Dressed Award“ prämiert von der Party Fashion Police unter der Leitung von Stil-Ikone und Vintage Mode Salon Betreiberin Fräulein Lilly Anders aus Berlin.

 

Ahoi: Wieso feiert ihr eigentlich im UT Connewitz? Ist das altehrwürdige Haus nicht etwas schäbig für Burlesque?

Simone de Boudoir: Das UT Connewitz als ältestes noch existierende Stummfilmkino Deutschlands ist für uns von jeher ein Sehnsuchtsort und seit wir 2013 die Show zum 100jährigen Jubiläum des UT ausrichten durften, fühlen wir uns dort Zuhause. Schließlich sind der gute alte Kintopp und die Burlesque-Bühne Orte, an denen glamouröse phantasievolle Geschichten erzählt werden, welche die Zuschauer zum Träumen einladen. Das passt unserer Meinung nach hervorragend zusammen und hat uns schon zu vielen Showkonzepten inspiriert, die das Thema Film aufgreifen. Für unseren Burlesque-Geburtstag, den wir schon mehrfach im UT gefeiert haben, ist es der perfekte Rahmen, denn er erlaubt uns mit unseren Fans tatsächlich gemeinsam zu feiern und auf Tuchfühlung zu gehen.

 

Ahoi: Burlesque feiert die Weiblichkeit und dies schon etwas länger. Kannst Du uns bitte einen kleinen Abriss zur Geschichte der Burlesque in Deutschland geben?

Simone de Boudoir: Die Geschichte der Burlesque als Unterhaltungsform ist international. Sie ging aus den Tanzdarbietungen der Revue- und Vaudeville-Shows der Jahrhundertwende und den Schönheitstänzen der 1920er Jahre hervor und wurde in den 1930er bis 1950er Jahren in den USA unter diesem Titel als glamouröser Striptease, bei dem aber nicht komplett alle Hüllen fallen, bekannt. Höschen und Pasties bleiben an, die Tänzerin spielt mit der Fantasie der Betrachter und erzählt mit ihrer Darbietung meist eine kleine Geschichte. Ein gewisses ironisches Element hat dieser Darbietungsform schon immer angehaftet, schließlich kommt das Wort Burlesque vom italienischen Wort Burla für Witz oder Scherz. Es geht darum, Schönheit zu feiern, aber sich dabei nicht allzu wichtig zu nehmen. In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren wurde diese Unterhaltungsform von einer neuen Generation von Künstlerinnen wiederentdeckt und trat von Amerika aus den Siegeszug bis nach Europa und von da aus um die ganze Welt an. Wir Lipsi Lillies sind stolz darauf, dass wir Teil dieser Geschichte sind und als eine der ersten und wenigen Burlesque-Ensembles überhaupt diese Art von Shows in Deutschland mit etabliert haben.

 

Ahoi: Ein gewisses Augenzwinkern, Du sagtest es gerade, wohnt dieser Kunstform inne. Trotzdem gibt es Kleingeistige, die mit euch den Teufel reiten sehen. Habt ihr schon mal Erfahrungen mit Gegnerinnen und Gegner gemacht? Wenn ja, wo und wie und wann?

Simone de Boudoir: Gegnerinnen werfen uns vor, dass Burlesque nicht feministisch sei, sondern Frauen zu sexuellen Objekten machen und alte Rollenklischees bedienen würde. Aber ganz im Gegenteil verkörpert aus unserer Sicht die neue Form von Burlesque, wie sie heute auf den internationalen Showbühnen gezeigt wird, einen neuen Feminismus, denn sie wird von Frauen gemacht, erdacht, produziert und zeigt eine neue selbstbewusste und selbstbestimmte Weiblichkeit. Diese Art von Burlesque setzt Erotik bewusst ein, aber bricht meist mit konventionellen Rollenbildern oder nimmt diese auf die Schippe. Es wird ein positives Frauenbild vermittelt und der weibliche Körper in alle seinen Facetten und Formen gefeiert, jenseits von gängigen Schönheitsidealen und dem sonst so verbreiteten Jugendwahn, dem sich Frauen unterwerfen müssen, um in der heutigen Gesellschaft als attraktiv und begehrenswert zu gelten.

 

Ahoi: Die Lipsi Lillies und Bert Callenbach sind mittlerweile ein Traditions-Ensemble. Gerade in heutiger Zeit, in der ja alles, was nicht jung und schön und revolutionär ist schon fast zum konservativen Kanon gezählt wird, braucht es ja Fixpunkte wie euch. Gibt es eigentlich noch Träume? Eine Show auf dem Mount Everest oder so etwas?

Simone de Boudoir: Einige Träume haben sich in den 13 Jahren unseres Bestehens ja schon erfüllt und wir durften im In- und Ausland auf großen namhaften Bühnen und mit fantastischen Künstlern zusammenarbeiten. Aber natürlich träumt man ja nie aus und möchte ausloten, wie weit man die Grenzen von Burlesque noch ausdehnen und sie mit anderen Unterhaltungsformen vermischen kann. Unser derzeitiges Programm, welches wir im Leipziger Central Kabarett spielen und das „Höschentausch im Schampusrausch“ heißt, orientiert sich zum Beispiel sehr stark am Boulevardtheater und an der Jazz-Operette der 1920er und 1930er Jahre. In diesem Stück haben alle Akteure der Show Sprech- und Gesangsrollen und sich dafür aus ihrer Komfort-Zone herausgewagt, um ein ganz neues Burlesque-Show-Erlebnis für das Publikum zu erschaffen. In dieser Richtung wollen wir gern weitermachen und uns weiterentwickeln.

 

Ahoi: Einst war ja Mama Ulita unter euch. Gibt es da noch Kontakte? Wie ist der derzeitige Beziehungsstand?

Simone de Boudoir: Wir haben nach wie vor ein sehr freundschaftliches Verhältnis, helfen uns gegenseitig und tauschen uns regelmäßig aus. Gemeinsame Projekte sind aber derzeit nicht in Planung.

 

Ahoi: Und was wünschst du dir von eurem Publikum?

Simone de Boudoir: Ich wünsche mir, dass sich unser Publikum weiterhin verzaubern lässt und offen bleibt für neue Showexperimente. Wir haben ja auch in der Vergangenheit immer wieder damit gespielt, andere Genres wie Varieté, Film und Theater in unsere Programme einfließen zu lassen und wollen das auch weiterhin tun. So bleiben unsere Bühnenabenteuer hoffentlich auch in Zukunft für uns und unsere Zuschauer aufregend und neu.

 

Ahoi: Danke, berauschende Simone de Boudoir. Es wird ein Fest!

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