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Identitäten und verbohrte Sichtweisen brechen

Gespräch mit dem Weltmusiker Aukai

Musiker Aukai
Aukai auf den Bergen © Brenda Islas

Die Welt ist groß. Niemand sollte andere Menschen aufgrund ihrer Herkunft diskriminieren: keine Ostdeutschen, keine Sachsen, Iren, Syrer, Russen oder wo auch immer jemand geboren wurde. Hier eine freiere Sicht zu bekommen, hilft es zu reisen, in real oder in Musik und Büchern. Hauptsache, die Neugier auf das Gegenüber ist da.

Der in der Nähe von Leipzig geborene Musiker Aukai nennt sich selbst einen „Nomaden“ und hat viel Musik in sich, die für die ganze Welt gemacht wurde. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit ihm:

 

Ahoi: Guten Tag, Markus Sieber aka Aukai. Beste Grüße aus der „Alten Heimat“ herüber nach Colorado. Oder Mexico? Auf Deinem neuen Album „Apricity“ spielst Du ein Charango. Kannst Du all denen, die davon noch nie gehört haben, erzählen was das ist, solch ein Charango?

Aukai: Ein Charango ist ein südamerikanisches Saiten-Instrument, vergleichbar mit einer Mandoline. Es hat zehn Saiten (fünf Doppel-Saiten) und seinen Ursprung in den Anden-Regionen.

 

Ahoi: Und wie bist Du zum Charango gekommen?

Aukai: Zuerst durch die Musik von traditionellen argentinischen Charango-Spielern wie Jaime Torres und Jorge Michelberger von der Gruppe Los Incas, und dann natürlich auch durch Gustavo Santaolalla, der ja durch seine preisgekrönten Filmmusiken von „Babel“ und „Motorcycles Diaries“ den Charango-Sound in der weiteren Welt bekannt gemacht hat.

 

Ahoi: Du bist ein Reisender. Wie kommts? Ich selbst bin ja ein Verwurzelter, trotzdem auch schon Geflüchteter, der jedoch in seinem eigenen Kreis blieb und bleibt. Was hat Dich in die Weite getrieben und dort hin und her?

Aukai: Ich bin in der Nähe von Döbeln, zwischen Leipzig und Dresden zu DDR Zeiten aufgewachsen. Und alles, was ich schon als Kind wollte, war in ferne Länder zu reisen. Von daher hatte ich mich noch zu DDR-Zeiten für eine Ausbildung als Matrose angemeldet, das hieß damals Voll-Matrose mit Abitur, haha. Glücklicherweise fiel die Mauer kurz vor Ausbildungsbeginn, und ich musste nicht mehr Matrose werden, um zu reisen.

In 2001 lernte ich meine mexikanische Frau kennen, und 2005 verließ ich Deutschland und wir zogen nach Mexiko. Dann, zehn Jahre später von Mexiko nach Colorado, kurzzeitig nach Irland, und jetzt wieder zurück nach Mexiko.

Ich bin definitiv ein Nomade. Reisen und andere Kulturen und Sprachen bringen mich in verschiedene mind-sets, lassen mich andere Aspekte von mir selbst erfahren, ein wichtiger Impuls für mich, um Musik zu schreiben. Auch Deutschland ist mir immer wichtig geblieben, vielleicht nicht unbedingt, um da wieder zu leben, aber zirka einmal im Jahr ruft es mich zurück.

 

Ahoi: Du hast für Deine Musik fleißig „Echoes“-Preise gesammelt. Deine Musik ist weltbestreichend, grenzenfrei. Nie das Gefühl gehabt, jetzt dringend mal einen harten Black Metal Song kredenzen zu müssen?

Aukai: Nein, ich habe meine Dosis Grunge und Punk gehabt, Anfang der 90ziger Jahre mit verschiedenen Bands in Post-Mauerfall-Potsdam. War eine wichtige und gute Zeit. Aber irgendwann sehnte ich mich eher nach den leiseren Tönen, die subtiler in die inneren Welten vordringen.

 

Ahoi: Deine Frau, Dein Bruder, Deine Freunde – alles Teile des Aukai-Ensembles. Gibt es noch ein Leben neben der Musik?

Aukai: Das Aukai-Ensemble sieht sich eher selten. Vielleicht wird es irgendwann mal mehr. Die Idee für Aukai ist nicht unbedingt zu touren. Wir spielen mal ein paar Konzerte auf Anfrage, aber es ist eher eine Art Musik-Laboratorium für mich. Ich lade Musiker-Freunde gern ein für Aufnahmen, aber dann bastele ich meistens alleine daran herum.

Klar, wenn wir live spielen kommen wir dann zusammen, und das macht echt Laune.

Gibt es ein Leben neben der Musik? Nein, natürlich nicht. Alles, was ich mache, ist irgendwie mit meiner Musik verbunden. Es ist, als ob ich mir konstant meinen eigenen Soundtrack für mein Leben schaffe. Irgendeine musikalische Idee schwirrt immer in meinem Kopf herum.

 

Ahoi: Bist Du auch hin und wieder in der „Alten Heimat“? Ich hörte von einem kleinen Ort am Rande Leipzigs …

Aukai: Ich bin in Wurzen geboren. Und meine Familie kommt ursprünglich aus dieser Gegend. Aber seit meine Oma gestorben ist, vor zwei Jahren, bin ich da nicht wieder gewesen. Meine Mutter hat einen Hof im Erzgebirge und da landen wir meistens im Sommer für ein paar Wochen. Wunderschön dort.

 

Ahoi: Das neue Album „Apricity“ ist in der Welt. Wie kommt es aber zu den Menschen???? Wo können interessierte Affine das gute Stück Musik herbeziehen?

Aukai: Es ist natürlich auf allen Streaming-Plattformen, und außerdem kann man eine Limited CD edition auf Bandcamp erwerben, solange der Vorrat reicht.

 

Ahoi: Gibt es auch Tourpläne 2023 – vielleicht gar mal wieder in unserer Gegend?

Aukai: Momentan gibt es keine Tour-Pläne. Vielleicht ändert sich das noch, aber ich bin gerade zu sehr im Studio beschäftigt, um viel Energie und Zeit ins Touren zu stecken.

 

Ahoi: Mit dem Blick und Deinen Erfahrungen in Colorado – wie siehst Du die kulturellen Streitigkeiten in Deutschland? Der Wokismus macht ja auch hier neue Mauern dicht, in den USA gibt es da ja auch Probleme noch und nöcher …

Aukai: Ich muss Dir ganz ehrlich sagen, dass ich diese Probleme sehe und erkenne, mir darüber Gedanken mache. Aber auch gleichzeitig durch mein Reisen, lebe ich irgendwie außerhalb von Gesellschaft, sozialen und kulturellen Strukturen in dem Sinne.

Ich verbringe Zeit in Colorado, habe hier auch gelebt, aber ich fühle mich nicht als Amerikaner; ich bin in Mexico, liebe die Menschen und das Land, und bin doch kein Mexikaner.

Das Reisen bricht Identitäten auf und verbohrte Sichtweisen. Es ist wie in einer Parallel-Welt zu leben, jenseits von Grenzen und kulturellen Unterschieden, und das ist vielleicht auch wichtig, so für mich als Musiker, weil es das ist, was Musik für mich ist, ein unsichtbares Band, das Menschen verbindet in ihrem inneren Erleben, jenseits von Herkunft und gesellschaftlichen Strukturen.

 

Ahoi: Danke, lieber Markus. Und weitermachen. Diese Welt braucht verbindende Musik.

Aukai: Herzlichen Dank auch. 

Aukai im Netz:

www.aukaimusic.com

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