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  • Interviews
Er arbeitet als Designer, Editor und Illustrator

Gespräch mit dem Tausendsassa Raban Ruddigkeit

Leipzig hat große Menschen hervorgebracht. Menschen, die nicht nur unsere Stadt intensiv prägten und prägen. Raban Ruddigkeit hat hier in den Wendejahren der Subkultur Impulse verliehen, die immer noch wirken. Doch auch in Berlin ist er ganz weit vorn in Sachen Kunst und Kultur. Und sein Vater ist ja sowieso ein Held. Ahoi-Redakteur Volly Tanner kontaktierte den Tausendsassa und fragte nach dem Befinden:

Raban Ruddigkeit gönnt sich den Blick über den Tellerrand hinaus © Peter Adamik

Ahoi: Guten Tag, Raban Ruddigkeit. Vor einigen Wochen hatte ich das Buch „Freistil – Das Buch der Illustration # 7“ in der Hand, an dem Du ja einen großen Anteil hast. Kannst Du unseren Leserschaften etwas von dieser Reihe erzählen, was Du da machst, wer mitmacht und warum und an wen sich das Buch wendet?

Raban Ruddigkeit: Anfang der Nullerjahre habe ich dem traditionsreichen „Das Magazin“ einen Relaunch verpasst. Ich wollte an die Tradition der Gründerzeit in den zwanziger Jahren ebenso anschließen, wie an die Zeit in der DDR, wo das Heft eben auch und gerade durch Illustrationen geprägt wurde. Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch keinen richtigen Überblick über die Zeichner-Szene, sondern nur ein paar Visitenkarten und zusammengetackerte Portfolios. Ich wusste, dass sich da gerade etwas entwickelt und habe also meinen Verlag gefragt, ob die sich ein Buch nach internationalem Vorbild vorstellen können, in dem hunderte Illustrierende präsentiert werden und ich auch noch ein bisschen redaktionell arbeiten kann. So habe ich u.a. Klaus Voormann einer jüngeren Generation vorgestellt, aber auch solche aufgehenden Sterne wie Mario Lombardo porträtiert. Im aktuellen Buch von 2021 ist mein Held Art Spiegelman, dessen Arbeiten mich immer sehr beeindruckt haben ...

 

Ahoi: Zu Wendezeiten warst Du Teil des legendären Fanzines „Messitsch“, ich habe auch Dein Buch „Des Raben Wunderhorn“ immer noch zu Hause im Regal. Warum und wann hat es Dich aus Leipzig weggetrieben?

Raban Ruddigkeit: Mit dem Mauerfall haben sich für mein junges Leben völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Es gab nun nicht nur die Möglichkeit, zu tun was man möchte, sondern auch noch die dazu notwendige Technik wie Computer, Druckmaschinen etc. Wir haben dann aus den Trümmern der „Messitsch“ und der „DAZ“ den Kreuzer rübergerettet und dann gab es eine Zeit, in der ich mit einem kleinen aber feinen Team drei Stadtmagazine produziert habe für Leipzig, Dresden und Halle. Irgendwie hat sich die Region dann leider doch nicht so entwickelt, wie ich mir das – sicherlich naiverweise – vorgestellt habe. Sehr schnell kam diese sächsische Gemütlichkeit wieder zum Tragen und man begnügte sich mit den kleinsten Erfolgen. Ich habe mich also tatsächlich ein bisschen gelangweilt und dann kam das Angebot von Sebastian Turner (damals Scholz und Friends Berlin) gerade richtig und seitdem bin ich in Berlin sehr glücklich. Diese Stadt ist immer im Aufbruch und das ist eine Situation, die man als Kreativer einfach gut gebrauchen kann.

 

Ahoi: Und wie hälst Du Kontakte in Deine alte Heimatstadt? Ich folge Dir ja in den sozialen Medien – Dein Hauptleben führst Du ja in der Hauptstadt.

Raban Ruddigkeit: Durch die Pandemie und meine Rolle als Vater eines einjährigen Sohnes beschränkt sich das im Moment auf das Wesentlichste – meine Leipziger Familie. Meinen Vater Frank Ruddigkeit, dessen künstlerische Arbeiten die Stadt mit prägen und der zum Beginn der Pandemie eine Ausstellung im Museum der Bildenden Künste hatte, unterstützen meine Schwester und ich dabei, ein Werksverzeichnis zu erstellen und die nächsten Projekte voranzutreiben. Normalerweise habe ich solche Gelegenheiten wie die Buchmesse genutzt, um möglichste vielen alten Bekannten zu begegnen und ich freue mich schon auf die Post-Pandemie, wenn das wieder möglich ist.

 

Ahoi: Wenn ich mir Deine HP anschaue, spüre ich die Vielfalt in Deiner Arbeit. Welches der vielen Projekte lässt Dein Herz am meisten jubilieren und bei welchem Deiner Projekte in der Vergangenheit hat Dein Herz am meisten geblutet?

Raban Ruddigkeit: Das Herz blutet bei jedem Projekt, selbst dem scheinbar leichtesten. Nur so kommt man wohl zu guten Ergebnissen. Aber besonders viel Freude hatte ich in den letzten 5 Jahren, in denen ich für „Der Tagesspiegel“ wöchentlich eine Visuelle Kolumne gestalten konnte. Da wurde zu einem aktuellen gesellschaftlichen oder politischen Thema verschiedene Texte und Perspektiven und eben auch meine Grafik, die dann keine  klassische Illustration war, sondern ein Kommentar dazu, versammelt. Das hat mir sehr geholfen, in dieser von Spannungen geprägten Zeit ein bisschen weiterzudenken und hatte so einen nahezu therapeutischen Effekt. Im letzten Frühjahr sind eine Auswahl davon gemeinsam mit anderen Designs in dem kleinen schwarzweissen Sammelband „Graphic Content“ bei 100FOR10.COM erschienen.

 

Ahoi: Wir müssen zu Corona kommen. Inwieweit beeinflusst die Pandemie Deine Branche und was wünschst Du Dir von den Entscheidungstragenden derzeit, um Deinen Kolleginnen, Kollegen und Dir die Tätigkeit weiter zu ermöglichen?

Raban Ruddigkeit: Ich habe schon vor einigen Jahren entschieden, wieder allein und in meinem eigenen Atelier zu arbeiten. Das hat etwas damit zu tun, dass ich das als Kind auch so bei meinem Vater erlebt habe und mit den gemischten Erfahrungen, die ich in Agenturen und Redaktionen gesammelt habe. Kreativität ist für mich etwas sehr Individuelles und braucht deshalb nicht zwingend große und komplexe Strukturen. Insofern bin ich schon seit Jahren im Home-Office.
Ich habe auch den Eindruck, dass die Unterstützung durch die öffentliche Hand ziemlich angemessen und ausgeglichen ist. Aber natürlich stimmt das Bild der Pandemie als Brennglas, aber vor allem auch als Brandbeschleuinger. Das, was vorher schon Unterstützung brauchte, verschwindet und das, was aus Bequemlichkeit behindert wurde, bricht sich nun Bahn. Insbesondere in Deutschland rächen sich gerade alle versäumten Chancen und Möglichkeiten der letzten 20, 30 Jahre. Dass Großteile der Einnahmen von Handel, Kommunikation und Kultur aktuell an internationale Konzerne gehen, die dafür noch nicht mal Steuern zahlen, ist eben nicht nur die Schuld dieser Konzerne ...

 

Ahoi: Ich fand die Idee zur Direkten Auktion sehr schön. Kannst Du uns darüber bitte etwas mehr erzählen?

Raban Ruddigkeit: Danke, das ist wohl am ehesten als Intervention zu verstehen. Denn das Logo des Arbeitsamtes um 90 zu drehen, um ein D entstehen zu lassen ist ja eher performativ als gestalterisch eigenständig. Entstanden ist es 2020 zur ersten von Holm Friebe erdachten „Direkte Auktion“, bei der junge Künstler die Chance bekommen, ohne lange Umwege ihre Arbeiten direkt in eine Auktion geben zu können. Mittlerweile gibt es dazu auch eine knackige Website, die das auch digital bis ins Detail abbildet und wir wollen und werden das auch in den nächsten Jahren weiterführen. Den Bereich der Kunst, in den ich ja hineingeboren wurde erschließe ich mir gerade wieder, nachdem ich viele Jahre eher drumherum geschlichen bin.

 

Ahoi: Danke, lieber Raban, für Deine Zeit und Deine Antworten.

Raban Ruddigkeit: Lieber Volly, danke für die interessierten Fragen und herzliche Grüße nach L.E.!

Raban Ruddigkeit im Netz: 

www.ruddigkeit.de

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