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… alles, was sich schön schrullig überzeichnen lässt.

Gespräch mit dem Schriftsteller Roman Israel

Literatur hat es derzeit schwer. In den kurzen Pausen zwischen den Wegschließphasen pandemischer Art wollen die Menschen feiern. Bis die Köpfe auf den Thekentischen rollen. Trotzdem hat Roman Israel ein Buch geschrieben. Wieder einmal. Satire. Und dann auch noch als frischgebackener Vorsitzender des VS, der wiederrum nicht der Verfassungsschutz ist. Ahoi-Redakteur Volly Tanner stellte die Fragen:

Recht aktuell: Roman Israels Roman „Nektar Meer“ © Gert Mothes

Ahoi: Guten Tag, Roman Israel. Dein neuer Roman „Nektar Meer“ ist ein kurzweilig zu lesender Road Movie. Es geht um Gesetzlosigkeit, Freundschaft, Befindlichkeiten und ganz viel Mann. Sollte denn in diesem Buch nicht auch mal eine Frau ganz vorne stehen? Oder gibt es gar eine?

Roman Israel: Bei einer Lesung aus meinem Vorgänger-Roman „Flugobst“ fiel dem Moderator auf, dass im Buch sämtliche Frauen starke Persönlichkeiten sind, während die Männer als Loser hingestellt werden. Ich dachte: krass, das hatte ich eigentlich gar nicht beabsichtigt, aber es stimmt und es gefällt mir. Im neuen Roman „Nektar Meer“ ist mir das – keine Ahnung wieso – irgendwie schon wieder passiert. Zwar sind die beiden Hauptfiguren männlich, aber sie handeln im Auftrag einer charismatischen Berliner Clanbossin und die ist alles andere begeistert, als Henri und sein Kumpel Lenin sich als unfähige Pechvögel herausstellen, bei denen alles, was sie anpacken, in die Hose geht. Darüber hinaus gibt es noch eine dritte Perspektive, aus der heraus erzählt wird: Lara, die von ihrem Mann sitzen gelassen wird, durch einen Zufall in die Welt des Showbusiness hineingerät, dort zu neuem Selbstbewusstsein gelangt, aber im tiefsten Inneren will sie nur eines, Rache. Am Ende führen alle Handlungsstränge zusammen und die beiden Pechvögel werden zu ihren Gehilfen.

 

Ahoi: Und wer sind die anderen Charaktere?

Roman Israel: Vom korrupten Staatssekretär bis zur selbstverliebten Eurovision-Song-Contest-Gewinnerin ist so ziemlich alles dabei, was sich schön schrullig überzeichnen ließ. Ist ja Satire.

 

Ahoi: Das Buch erschien bei der Edition Überland. Kannst Du uns etwas zu diesem Verlag erzählen?

Roman Israel: Die Edition Überland ist ein 2018 gegründeter Leipziger Independent-Verlag, der Feuilletonistisches, Regionales und Belletristik herausbringt. Zuletzt z.B. eine Biographie über Bodo Ramelow oder Claudia Bierschenks Erzählungsband „Land ohne Verben“, welcher auf der Longlist der schönsten deutschen Bücher 2021 gelistet war.

 

Ahoi: Nun gibt es im Buch Fotografien der Orte, die handlungstragend waren. Heißt das, dass Du wirklich dort überall auf Recherche zugange warst? Wie kam es zu den Fotos?

Roman Israel: Ich habe drei Jahre lang aus dem Koffer gelebt und bin als Nomade in der Weltgeschichte herumgereist. An allen Handlungsorten des Buches habe ich eine Weile gelebt. Die Idee mit den Fotos kam vom Verlag. Bob Sala, unser Fotograf, hat sich ins Auto gesetzt und ist die einzelnen Orte abgefahren. Ich glaube, es sind so um die 1000 Fotos entstanden, die wir natürlich nicht alle ins Buch aufnehmen konnten.

 

Ahoi: Schriftstellersein bedeutet ja auch, unterwegs sein. Was hast Du aber in den weggeschlossenen Zeiten der Pandemie getan? Desillusioniert die Fliegen im Inneren des Käfigs gezählt?

Roman Israel: Ich musste im Vergleich zu sonst unglaublich früh aufstehen und habe mir bei der Homeschooling- und Hausaufgabenbetreuung die Haare gerauft. Zwischendrin sind auch ein paar Texte entstanden. Und ein neuer Roman.

 

Ahoi: Du bist auch im Verband der Schriftsteller Sachsens aktiv. Was machst Du denn dort und wie kam es zum Engagement?

Roman Israel: Ich habe vor kurzem den Vorsitz von Steffen Birnbaum übernommen, der altersbedingt aus dem Vorstand ausgeschieden ist. Der Verband ist der Gewerkschaft ver.di angeschlossen und kümmert sich um Belange sächsischer Schreibender, organisiert Veranstaltungen, z.B. Premierenlesungen in der Leipziger Stadtbibliothek, berät in Rechtsfragen, koordiniert, vermittelt und ist Ansprechpartner für die Schreibenden. Nachdem ich selbst viele Jahre als Autor von der Arbeit des Verbandes profitiert habe, möchte ich nun etwas zurückgeben. Ehrenamtliches Engagement ist in einer unsicheren Zeit wie dieser gerade unheimlich wichtig.

 

Ahoi: Und wie geht es jetzt weiter? Ich hörte da im Radio etwas von einem Film …

Roman Israel: Ich schreibe gerade das Drehbuch für einen Dokumentarfilm, der von hechtfilm Filmproduktion Dresden produziert wird. Er wird „Zementlöffler“ heißen und spielt im thüringischen Holzland. Über vier Generationen hinweg wird eine Familiengeschichte erzählt, die stellvertretend für viele andere Geschichten der Gegend stehen soll, die nicht erzählt werden können. Sie beginnt um 1900 mit einem Mann, der bis zum Lebensende in seiner Freizeit schuftet, um sich und seiner Familie eine Wohnstatt aus selbstgegossenen Betonsteinen zu errichten – einem Material, das eigentlich für Beständigkeit und Dauer steht. Doch jetzt, fast hundert Jahre später, haben die Erben beschlossen die Abrissbagger anrücken zu lassen und alles abzubrechen, weil die Gebäude von damals nicht mehr ihrem ästhetischen Geschmack entsprechen. Die eigentlichen Helden der Geschichte sind aber die Frauen. Zwar im Hintergrund agierend, sind sie es, die die Familie durch schicksalhafte Zeiten hindurch stets zusammengehalten haben.

 

Ahoi: Dann drücken wir Dir mal weiterhin die Daumen. Und Danke für die Antworten.

Roman Israel: Herzlichen Dank Euch.

Roman Israel im Netz:

www.romanisrael.de

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