//
//
  • Interviews
Wir mussten einen langen Weg zurücklegen

Gespräch mit dem Militärbundesrabbiner Zsolt Balla

Der in Leipzig lebende und engagierte Rabbiner Zsolt Balla wurde vom Zentralrat der Juden als Militärbundesrabbiner für die Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt. Militärbundesrabbiner? Was soll das denn sein? Ahoi-Redakteur Volly Tanner fragte einfach mal bei ihm nach und bekam Antworten:

Zsolt Balla Militärbundesrabbiner
Zsolt Balla bei der Ernennungszeremonie © Zentralrat der Juden

Ahoi: Sie sind seit dem 21. Juni 2021 der allererste Militärbundesrabbiner der Bundeswehr. Ein großer Schritt für sie selber als Person und Geistlicher. Sie führen zehn Militärrabbiner. Seit wann gibt es diese denn überhaupt und was machen Sie konkret?

Balla: Ich wurde am 21. Juni als Militärbundesrabbiner ernannt, und seither hat sich viel getan. Wir sind dabei, ein neues Amt innerhalb der Struktur der Bundeswehr aufzubauen. Es ist eine komplexe Aufgabe, die von der Verwaltungsdirektorin des Militärrabbinats, Frau Dr. Noa Günzel, geleitet wird. Wir sind natürlich gerade dabei, die Militärrabbiner zu ernennen und vorzubereiten, wo sie stationiert werden sollen. Neben den bürokratischen Aufgaben haben wir bereits mit der Arbeit mit den Soldaten begonnen, ich hatte das Privileg, in den letzten vier Monaten an vielen Orten im Rahmen der politischen und ethischen Bildung der Soldaten teilzunehmen und zu unterrichten. Ich stehe auch in Kontakt mit jüdischen Soldaten, um sie zu unterstützen, und hatte auch die Gelegenheit, einige von ihnen zu den Hohen Feiertagen in meiner Gemeinde in Leipzig zu begrüßen.

 

Ahoi: Sie wurden vom Zentralrat der Juden eingesetzt. Wie war das Procedere der Wahl?

Balla: Ebenso wie die Militärbischöfe der katholischen und der evangelischen Kirche ist das Amt des Militärbundesrabbiners ein Ernennungsamt. Ich gehe davon aus, dass ich aufgrund meines Engagements bei der Bundeswehr und als Verbindungsmann zum Zentrum Innere Führung in den letzten Jahren vom Zentralrat der Juden in Deutschland berufen worden bin.

 

Ahoi: Vor über hundert Jahren gab es schon Feldrabbiner in Österreich-Ungarn und im Deutschen Reich. Wieso hat es eigentlich solange gedauert, bis Rabbiner wieder in Deutschland im Militär agieren? Die Demokratie gibt es hier ja schon ein paar Jahre.

Balla: Wir haben eine schwere Geschichte in Europa, und Demokratie allein bedeutet nicht gleich, dass es überall alles gibt. Nach dem Krieg war es für viele Jahre aus Gründen, die jeder empathische Mensch nachvollziehen kann, eine Herausforderung für Juden, in der deutschen Armee zu dienen. Wir mussten einen langen Weg zurücklegen, und es ist wichtig, dass niemand diesen großen und wichtigen Schritt als selbstverständlich ansieht.

 

Ahoi: Wieviel Zeit bleibt Ihnen denn eigentlich jetzt noch für Ihre Leipziger Arbeit in der israelitischen Religionsgemeinde und für das Institut für Traditionelle Jüdische Liturgie? Und als Landesrabbiner für Sachsen.

Balla: Ich hätte nicht zugestimmt, diese Stelle anzunehmen, wenn ich meine Gemeinde in Leipzig und Sachsen verlassen müsste. Offiziell mache ich meine beiden Ämter als Teilzeitjob, aber in Wahrheit sind sie beide Vollzeitjobs. Ich bete, dass der Ewige mir für die nächsten Jahre die Kraft gibt, sie nach besten Kräften auszuführen.

 

Ahoi: Gibt es überhaupt noch Kontakte und Verbindungen nach Budapest? Wenn ja, welche?

Balla: Natürlich habe ich das. Erstens lebt meine Mutter immer noch in Budapest, und ich habe dort Familie. Zweitens bin ich, gerade weil ich Budapest verlassen habe, immer noch sehr stark mit meinen Freunden dort und auch mit der jüdischen Gemeinde verbunden. Wir verbringen immer noch jedes Jahr unsere Sommerferien - wenn es die Pandemie erlaubt - im Lauder-JDC International Jewish Summer Camp als Erzieher und Rabbiner.

« zurück
zur aktuellen Ausgabe