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Das blanke, blutige Leben ist mir wichtiger

Gespräch mit dem Künstler Clemens-Peter Wachenschwanz

Der Künstler in seiner und unserer Welt © Susanne Kürth

Kabarett hatte in allen und hat auch in diesem System eine Ventilfunktion. Lachen dürfen über die Mächtigen, intelligente Kritik an ihnen und das wortgewaltige Hinterfragen allzu oft sicher gedachter Wahrheiten. Clemens-Peter Wachenschwanz agiert in diesem Metier schon seit knapp 41 Jahren und hat den „Ost-Bonus“, der ihn ganz besonders genau hinschauen lässt, wenn neue Totalitäre ihre Häupter in Machtpositionen heben. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit ihm:

 

Ahoi: Guten Tag, Clemens-Peter Wachenschwanz. Am letzten Sonntag hattest Du Deine erste Mugge seit Jahren. In der Gohliser Wirtschaft. Zum Muttertag. Mit Blues. Erzähl doch mal, wie es war …

Clemens-Peter Wachenschwanz: Tja, nach über drei Jahren (letzter Auftritt 09.03.2020!) war das schon sehr ungewohnt. Ich hatte nur 60 Prozent meiner Energie und das Programm ist volle 90 Minuten lang. Sozusagen von Null auf Hundert. Perfekt geht anders.

Ahoi: Und warum war es so lange still um Dich?

Clemens-Peter Wachenschwanz: Ich, d.h. mein Körper und meine Seele, haben die hohe Anzahl der meiner Meinung nach unverhältnismäßigen und menschenverachtenden Repressalien (als Schutzmaßnahmen bezeichnet) nicht verkraftet. Schwere Kopfschmerzen, Entzündungen in den Nasennebenhöhlen und der Stirn (Keilbeinhöhle) führten zu einer Kopf-OP mit postoperativen Beschädigungen des Gleichgewichtsorgans und des Augenverbindungsnervs (keine 3-D-Sicht mehr möglich). In dieser Zeit hatte ich drei längere Krankenhausaufenthalte, zwei Reha-Kuren und letztendlich im September 2022 einen Mini-Hirninfarkt. Auftritte, Sportaktivitäten, Kommunikation, Geselligkeiten … überhaupt ein normales Leben, all dies war ja nicht möglich.


Ahoi: Du gehörst zum ganz alten Eisen der Leipziger Kabarett- und Liederszene, laut Recherche meiner ganz persönlichen KI hast Du Dich schon in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts des letzten Jahrtausends weit vor den ganzen Hin- und Her-Wenden als Lieder-Niedermacher betätigt.
Lieder-Niedermacher? Was war das denn?

Clemens-Peter Wachenschwanz: Ich wurde damals, als die Liedermacher plötzlich wie Pilze aus der Erde schossen, bei Auftritten auch so bezeichnet, fand das aber nicht ehrlich. Ich benutzte zu Beginn meiner „Amateur-Kariere“ bekannte Melodien und schrieb dazu humorige Texte oder sang die Songs im Original. Bei Bühnenansagen bestand ich darauf, wenn ich was mit Liedermachern zu tun haben soll, dann bin ich eben ein LIEDERNIEDERMACHER.


Ahoi: Dich gab es auch in Film, besonders in Gerhard Polts „Herr Ober“. Gerhard Polt sagte über Dich: „... er ist eben nicht einfach eine Person – was übersetzt heißt – einer, durch den es hindurch klingt, sondern er klingt selber – oder selbst – aus sich heraus – also aus sich selber – unverkennbar – der Wachenschwanz Clemens und kein anderer – und weil das so ist – und nicht irgendwie anders – ziehe ich den Hut und sage – Clemens, Respekt!“ Nun ist das mit dem Respekt so eine Sache. Besonders zurzeit. Heute respektierte Menschen werden morgen gern ans Kreuz genagelt oder ihrer Büroräume beraubt. Wie viel ist Dir Respekt von Kollegen wert?

Clemens-Peter Wachenschwanz: Da ich auf der Bühne wie auch im Leben ein ehrlicher, authentischer, leutseliger aber auch uriger Typ mit südthüringisch-fränkischem Dialekt bin und eben keine Kunstfigur, lege ich großen Wert auf Integrität, Fairness, Akzeptanz und Toleranz.


Ahoi: Wie geht es denn jetzt weiter? Wo kann man Dich erleben? Welche Programme stehen an?

Clemens-Peter Wachenschwanz: Da ich noch an meiner weiteren Genesung arbeiten möchte, der Auftritt zum Muttertag war ein Test, habe ich noch keine weiteren Aktivitäten geplant.


Ahoi: Du selbst beschreibst viele Deiner musikalischen Jahre mit: „Minne - Money - Murks. Posen - Poppen - Patchwork.“ Das gefällt mir sehr, erinnert es mich doch auch an eigene Jahrzehnte im Bühnenrausch. Gibt es noch Ziele in Deinem künstlerischen Schaffen? Eigentlich hast Du ja alles erreicht … oder nicht?

Clemens-Peter Wachenschwanz: Ich habe nach dieser schweren Zeit immer noch das Gefühl, dass ich 200 Prozent Lebenslust und Lebenshumor geschenkt bekommen habe. Wenn ich wieder voll bei Kräften bin, möchte ich 100 Prozent für mich nutzen und den Rest liebendgerne an mein Publikum weitergeben. Das ist ein wichtiges Lebenselixier, das mir unwahrscheinlich viel Kraft gibt.

 

Ahoi: Manchmal zwingt mich mein Recherche-Bot, mir junge Spaßmacher anzuschauen, lustige Leute, die draufdreschen und runtermachen und dafür schallendes Gelächter ernten. Und Gagen. Nun braucht es jedoch, so glaube ich, um gutes Kabarett zu machen, auch eine gewisse Lebenserfahrung. Ein zeitgemäßer Standpunkt reicht da nicht und auch kein klares Feindbild. Gibt es Tipps, die Du den jungen Gag-Populisten geben würdest, damit ihre Arbeit länger als einen Sommer hält und relevant ist?

Clemens-Peter Wachenschwanz: Es gibt nichts Schöneres als zu lieben und geliebt zu werden.
Es gibt Menschen, die haben einen gesunden Lebenshumor und es gibt Menschen, die wollen lustig sein, auffallen, Aufmerksamkeit ,wichtig erscheinen. Aber auch die kämpfen unbewusst um Liebe. Aber wenn man eine ehrliche „Type“ ist, kann man nicht von ALLEN geliebt werden. Das hab ich aber auch erst relativ spät begriffen. Ich glaube, den Unterschied kann man am ehesten mit dem Gefühl feststellen.


Ahoi: Schwierig scheint mir im Moment auch, auszuloten, was wie und wo zu sagen ist. „Das kannst Du doch so nicht sagen.“ ist mittlerweile Mantra zum Abklopfen des Gegenübers. Was kann man denn eigentlich alles sagen auf hiesigen Bühnen? Gibt es Selbstbeschneidung bei Dir?

Clemens-Peter Wachenschwanz: Nach drei Jahren nebenberuflicher „Amateurkabarett-Tätigkeit“ am Anfang meiner Karriere habe ich den Berufsausweis gemacht, meinen Hochschullehrer-Job aufgegeben und ab 1985 freischaffend gearbeitet. „Derb-subtil“ nannte ich meinen rustikalen und nicht ganz unintelligenten Kabarett-Stil, den Stoff nahm ich aus dem, auch lebenslustigen, Alltag.
Da ich kein Held war, habe ich mich ehrlicherweise bis zu meinem SED-Partei-Austritt (August 1988) einer gewissen Selbstzensur unterworfen. Hatte einfach keine Lust auf Politik. Das blanke blutige Leben war mir wichtiger.
Heute werde ich, wenn mir noch die Jahre gegeben sind, ganz klar Kennung geben, was wir mit der Demokratie, mit dem Bürger, der ja offiziell der Souverän ist, und der Natur veranstalten.

Keine Verurteilung, kein Klugscheißen ... nur eine bildhafte Spiegelung. Jeder sollte sich seine Meinung bilden. Dürfen.

 

Ahoi: Dann freuen wir uns alle auf ganz viele Auftritte von Dir. Danke, dass Du Dir Zeit für uns genommen hast.

Clemens-Peter Wachenschwanz im Internet:

Clemens-Peter-Wachenschwanz / Kabarett am Klavier

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