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Jazz kann niemals stehenbleiben

Gespräch mit dem Geschäftsführer von LeipJAZZig – Initiative Leipziger Jazzmusiker e.V.

Leipzig ist seit vielen Dekaden eine der europäischen Hauptstädte des Jazz. Viel dazu beigetragen haben die Mitglieder und Musiker des LeipJAZZig – Initiative Leipziger Jazzmusiker e.V. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit dem Geschäftsführer. Und erfuhr von noch viel mehr Musik:

Christian Schierwagen und sein Kopfputz © Minddesign®

Ahoi: Guten Tag, Christian Schierwagen. Du bist seit Januar 2022 Geschäftsführer der Initiative Leipziger Jazzmusiker e.V. (LeipJAZZig). Dies impliziert, dass Du Dein Herz dem Jazz geschenkt hast. Dazu haben viele Menschen eine Meinung, also zum Jazz; aber die wenigsten Menschen wissen was Jazz ist. Was ist Jazz?

Schierwagen: Oh, die schwerste Frage gleich zu Beginn? Na gut, ich versuche es: Abseits von musikwissenschaftlichen und Deutungsversuchen bedeutender Persönlichkeiten ist Jazz für mich eine Kunstform. Und Kunst kann schön oder hässlich sein, geradlinig oder kantig, heiß oder kalt … Es gibt nicht DEN Jazz, auch nicht in unserem Verein. Insofern habe ich mein Herz nicht DEM Jazz geschenkt, sondern bestimmten Spielarten und der Intention des Jazz, Emotionen durch die Wahl von Harmonik, Rhythmik, Melodien und Phrasierungen hervorzurufen.

Das ist für mich das Spannende: Jazz kann gar nicht stehenbleiben, er muss sich weiterentwickeln. Je nachdem, wo und unter welchen Umständen er entstanden ist bzw. entsteht, kommen dann die verschiedenen Spielarten heraus: Swing, Latin, Acid, Electro, Bebop, Bigband, Free, … 

 

Ahoi: Und Eure Initiative? Seit wann gibt es die und warum und was macht ihr so den ganzen Tag?

Schierwagen: Die Initiative Leipziger Jazzmusiker e. V. – oder etwas kompakter auch LeipJAZZig genannt – besteht seit 1996. Der Verein ist damals aus einer gewissen Notlage heraus gegründet worden. In der Nachwendezeit ging es den ortsansässigen Jazzmusikern ähnlich wie den meisten Künstlern im Osten: Während internationale Stars hier viele Auftritte absolvierten, standen sie ohne ein entsprechendes Podium da. Also haben sie es selbst in die Hand genommen und den Verein gegründet, um den in Leipzig lebenden Jazzmusikern die Möglichkeit für angemessene Auftrittsbedingungen zu geben.

Es konnten durch die Gründung von LeipJAZZig Fördermittel beantragt, Konzerte veranstaltet, Künstler gefördert und der regionale Jazz ins Bewusstsein der Stadt getragen werden. So funktioniert der Verein heute noch immer. Aktuell haben wir 18 Mitglieder. Das klingt erst einmal nicht viel, aber jedes Vereinsmitglied spielt jährlich einen Auftritt im Rahmen unserer Konzertreihe oder bei den Festivals und kuratiert darüber hinaus eine externe Band, die dort auftritt. Macht also in Summe knapp 40 Konzerte, die wir jährlich ausrichten – nicht schlecht, oder? 

 

Ahoi: Und was sind Deine Aufgaben als Geschäftsführer jetzt konkret?

Schierwagen: Naja, ich bin halt für die geschäftlichen Belange zuständig. Ich habe die Stelle von Thomas Moritz übernommen, der sie viele Jahre innehatte und nun in den wohlverdienten Ruhestand gegangen ist. Die inhaltlichen Fragen klären die Vereinsmitglieder untereinander, also wer mit welcher Band wann auftritt.

Für mich stehen an erster Stelle die Fördermittelanträge an das Kulturamt der Stadt Leipzig, die Kulturstiftung des Freistaates Sachsens und weitere Institutionen und Unterstützer des Vereins. Ich will diese potenziellen Geldgeber davon überzeugen, dass die geplanten Konzerte, Festivals, Kompositionsaufträge und Ähnliches förderungswürdig sind, denn allein über die Eintrittsgelder bei unseren Veranstaltungen können wir keine angemessenen Gagen und Honorare zahlen.

Darüber hinaus setze ich Verträge mit Künstlern, Veranstaltungsorten und Beschallungsfirmen auf, stelle und bezahle Rechnungen, organisiere Werbung, weise die Gemeinnützigkeit des Vereins gegenüber dem Finanzamt nach und dergleichen mehr. Klingt vielleicht erst einmal etwas trocken, ist aber sehr abwechslungsreich. Und es ist großartig, daran beteiligt zu sein, dass die Konzerte mit all diesen tollen Musikern stattfinden können!

 

Ahoi: Gerade habt ihr ein kleines, feines Festival in Leipzig organisiert. Wie lief es denn und was hattet ihr so für Musikanten am Start und wo?

Schierwagen: Ja, das 26. Festival LeipJAZZig fand vom 24. bis zum 27. März statt. Es war ein voller Erfolg, fast jeden Abend ausverkauft! Das Eröffnungskonzert spielte traditionsgemäß das LeipJAZZig-Orkester im UT Connewitz. Diese Bigband wurde vom Vereinsgründer und Vorstand Stephan König gegründet. Er ist ein sehr renommierter Pianist und setzt in dieser großen Besetzung seine beeindruckenden Eigenkompositionen sowie Bearbeitungen von Stücke und Songs anderer Komponisten und Bands um.

Dieses Mal waren das „Snarky Puppy“ und die „Yellowjackets“, es gab aber auch schon ein Michael-Jackson-Repertoire.

Die weiteren Konzerte des Festivals fanden im Theaterhaus Schille statt, einer schönen Location in der Otto-Schill-Straße in der Leipziger Innenstadt. Dort spielten Gewandhaus-Bassist Thomas Stahr mit seinem Trio, unser Vereinsmitglied Werner Neumann mit dem grandiosen Schlagzeuger Dominique „Gaga“ Ehlert, in weiteren verschiedenen Bands unsere Mitglieder Andris Meinig (Kontrabass) und Michael Arnold (Saxophon) sowie viele weitere großartige Künstler. Ich kann es jedem Leser nur empfehlen, bei unserer Konzertreihe oder den Festivals vorbeizuschauen.

Nächste Gelegenheit dazu ist übrigens die INTERZONE, unser Festival für experimentelle Musik. Es findet vom 22. bis 24. April in der Kulturnhalle in Probstheida statt.

 

Ahoi: Du bist ja auch selber Musiker. Nicht nur in Jazz, auch in erdigem Powerrock. Ich sage nur: Karo Nero. Da durfte ich ja schon einmal eine CD für das Magazin SCHALL besprechen. Gibt es neues Material? Wie ist denn hier der Stand der Töne?

Schierwagen: Es tönt hervorragend! Wir sind gerade in der sogenannten Vorproduktion für unser nächstes Album. Das bedeutet, dass wir aus den neuen Songideen unseres Bandchefs Gunter Schwarz die besten heraussuchen und für die Band arrangieren. Mal allein jeder für sich zuhause, mal alle zusammen im Probenraum. Sobald wir von den auf diese Art entstandenen Demos überzeugt sind, geht es ins Studio. Und dann gibt es hoffentlich eine Doppel-Release-Party mit anschließender Tour! Wir freuen uns schon sehr darauf, weil wir erstens gern live spielen und zweitens das neue Material richtig gut ist.

Die Auftritte zur ersten CD fielen ja leider den Corona-Auflagen zum Opfer, wir haben da also einen gewissen Rückstau.

 

Ahoi: Gerade Gigs! Musik braucht ja Auftrittsorte. Wo gibt es Euch denn mal wieder zu sehen?

Schierwagen: So langsam scheint auch bei den Veranstaltern die Hoffnung Oberhand zu gewinnen, dass Konzerte nicht nur planbar sind, sondern dann auch wirklich auch durchgeführt werden können. Jedenfalls füllt sich endlich der Terminkalender wieder bei uns. Im Sommer sind ein paar Konzerte geplant, zum Beispiel am 19. Juni in Kuckenburg, am 1. Juli in Lindow und am 2. Juli in Weißenfels. Alle Termine findet man auf unserer Website oder den üblichen Social-Media-Plattformen.

 

Ahoi: The Royal Jam tönen ja auch noch hitcovernd durch die Lande mit Dir als Leader. Kannst Du wissbegierigen Menschen zu dieser Kapelle ein bisschen etwas erzählen?

Schierwagen: Diese Band ist schon etwas Besonderes. Wir spielen zum Großteil schon seit vielen Jahren zusammen und sind so ein richtig eingeschworener Haufen! Wir haben Aufs und Abs erlebt und überlebt, so was schweißt zusammen.

Auch wenn ich der Bandchef bin, geht es ziemlich demokratisch bei uns zu. Das Repertoire wird gemeinsam ausgewählt, auch andere auftrittsrelevante Punkte entscheiden wir alle.

Ich halte dann bei den Verträgen und der Umsetzung den Kopf hin, aber auf die Frauen und Männer der Truppe ist immer Verlass! Man könnte vielleicht abfällig behaupten, dass es ja nur um das Covern berühmter Songs geht, aber diese Band spielt nur Songs, die sie selbst mag, und das dann mit der amtlichen Energie!

 

Ahoi: Ich weiß ja, dass Du auch liebender Ehemann und Papa bist. Wie geht das denn zeitlich? Die sogenannte Baerbock-Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Karriere. Wie machst Du das zeitlich?

Schierwagen: Darüber denke ich gar nicht nach. Das ist mein Leben, und ich liebe es! Jetzt, wo ich wegen Deiner Frage doch darüber nachdenke, glaube ich, dass bei vielen Leuten vielleicht genau da das Problem liegt: Wenn ich davon ausgehe, dass es ein Thema ist, ob ich Familie und Karriere vereinen kann, ist es wahrscheinlich schon zu spät für das eine oder das andere.

Unsere kleine Tochter raubt uns regelmäßig den Schlaf, so dass meine Frau und ich manchmal echt zu kämpfen haben, den Tag zu überstehen. Meine großen Jungs brauchen auch Aufmerksamkeit und Unterstützung. Und für meine Frau lasse ich sowieso immer alles stehen und liegen – aber genauso will ich das alles!

Wahrscheinlich entspricht das alles nicht den Maßstäben einer ausgewogenen Work-Life-Balance, aber dafür ist es intensiv!

 

Ahoi: Danke für Deine Zeit, Christian. Und Dir weiterhin Kraft und Lust.

LeipJAZZig – Initiative Leipziger Jazzmusiker e.V. im Netz:

www.leipjazzig.de

 

Karo Nero im Netz:

www.karo-nero.de

 

The Jam Royal im Netz:

www.the-royal-jam.de

 

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