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Sportdynastien

Erfolg liegt in der Familie

Die Sportstadt Leipzig wird seit Jahrzehnten auch von einigen Familien getragen, die sportlichen Erfolg von Generation zu Generation weitergeben. SSL hat einige getroffen und ergründet das Geheimnis des Leipziger „Sportadels".

Ivana, Anett und Helga Schuck
Hegen schon seit drei Generationen Begeisterung für den Kanurennsport: Ivana, Anett und Helga Schuck (von links) © Peter Endig

Sie haben unzählige Meisterschaften gewonnen und hochklassige Spiele bestritten, sind Weltmeister und Olympiasieger geworden und sammeln Medaillen wie andere Bonuspunkte beim Einkaufen. Kurz: Sie sind Leipzigs schrecklich erfolgreiche Familien. In den Gesprächen mit den Protagonisten wurde eines klar: Es braucht gar keinen großen Druck, um die nächste Generation zum Weitermachen zu bewegen. Vielmehr leben große Sportler durch ihre Karrieren auch ihren Kindern Erfolg vor. In Kombination mit guten Genen ist so die nächste erfolgreiche Laufbahn schon programmiert.

Kanu-Dynastie Schuck: eine Frage der Haltung

Das schmale Rennkajak ist für Familie Schuck wie ein Magnet. Es gab durchaus Versuche, es der Oma oder dem Onkel oder der Mutter oder der Cousine nicht nachzumachen. Aber alle diese Versuche scheiterten kläglich. „Ich müsste eigentlich nochmal aufs Wasser und nicht nur reden“, sagt Anett Schuck (51), als wir uns zum Interview am Bootshaus Klingerweg des SC DHfK treffen. Für ihre Tochter Ivana (14) steht das gar nicht zur Debatte, sie hat im Anschluss ohnehin Training. Training, auf das sie immer Lust hat.
Als sie anfing, Sport zu treiben, landete Ivana zunächst beim Turnen, dann beim Kanuslalom. Beides machte ihr aber keinen Spaß. Da sie parallel auch im Rennkanu saß und der Wille so ganz allmählich wuchs, in dem schmalen Boot immer schneller zu  werden, blieben Turnen und Kanuslalom auf der Strecke. Und als dann die Tochter mit ihrer Schnellkraft bei den ersten echten Trainingseinheiten überzeugte, war Mutter Anett klar: „500 Meter werden gehen, davon bin ich überzeugt.“

„Mach, was du willst – aber nicht: Du musst Kanutin werden!“: Einen ähnlichen Rat bekam Anett Schuck als kleines Kind von ihrer Mutter Helga (81). Helga, wie ihr Mann auch erfolgreich im Kanusport, schickte ihre Tochter zunächst ab dem fünften Lebensjahr zum Schwimmen. Doch Schwimmen und Anett, das passte nicht. Sie wollte eher das machen, was ihr später so erfolgreicher Onkel Alexander (Weltmeister 1985) machte: Canadier fahren.
„Ich hatte oft keine Lust. Da hab’ ich gekniffen und bin auf den Spielplatz. Hab nur den Badeanzug nass gemacht, damit es so aussah, als sei ich beim Schwimmtraining gewesen“, sagt sie. Anett sei kein Siegertyp, habe keine Kraft, meinten damals die Schwimmtrainer. Sie hatten sich gewaltig geirrt. Denn als Anett mit elf Jahren ins Rennkanu stieg, war sie sofort vorn dabei. Und das blieb so während ihrer aktiven Zeit. Sie ist Doppel-Olympiasiegerin und gewann mehrfach WM-Gold.
„Wenn man Erfolg will, darf man keinen zwingen oder erniedrigen“, Leistungsbereitschaft muss von innen kommen, ist sich Anett Schuck sicher. Mit dieser Einstellung arbeitet sie als Trainerin und als Lehrerin am Sportgymnasium Leipzig. Eine Haltung, die sie von ihren Eltern übernommen hat und an ihre Kinder weitergibt. Tochter Ivana bringt von allein den Willen auf, immer schneller zu werden und feierte in ihrer Altersklasse in drei Mannschaftsbootsklassen bereits Deutsche Meistertitel. Und auch ihr Sohn Simon (18) will nach dem Abitur im nächsten Jahr als Kanute noch mal durchstarten. Großes Potenzial haben beide, ist sich Mutter Anett Schuck sicher.

Fußball-Dynastie Krauß: Erfolgreich in vierter Generation

Als Tom Krauß im Sommer 2020 für einige Minuten beim Bundesliga-Spiel zwischen RB Leipzig und dem FC Augsburg eingewechselt wurde, war das für die Fußballer-Familie Krauß ein großer Moment. „Er ist der erste gebürtige Leipziger, der in der 1. Liga für RB aufgelaufen ist“, erzählt Vater Holger Krauß. „Das war uns wichtig und macht uns stolz.“ Es hätte keine passendere Familie geben können, die dieses Ziel erreicht. Denn der Fußball-Clan Krauß bringt nun bereits seit vier Generationen erfolgreiche Fußballer hervor.
Alles begann mit dem Fleischergesellen Gustav Krauß, der 1899 im Leutzscher Holz den FC Britannia gründete, erster Vorgänger der heutigen BSG Chemie sowie von TuRa Leipzig. Gustavs jüngerer Bruder Fritz Krauß, Uropa von Tom, gehörte erst als Stürmer, später als Abwehrspieler zu den besten Fußballern Sachsens und war nach dem Krieg bis 1950 Trainer der BSG Chemie, die kurz darauf 1951 DDR-Meister wurde. Sein Sohn Roland spielte ebenfalls bei Chemie und später beim Rivalen Lok; 1965 wurde er mit der DDR-Juniorenauswahl Europameister.

Auch Holger Krauß trug die Fußballer-Gene in sich, galt durch Übersicht und elegante Ballbehandlung neben Michael Ballack als größtes Talent des Jahrgangs 1976 und wechselte als 15-Jähriger vom VfB Leipzig zu Bayer Leverkusen, wo er Kapitän der U19 wurde und unter Dragoslav Stepanovic schon bei den Profis mittrainierte.
Fehlende Schnelligkeit und eine hartnäckige Neurodermitis verhinderten zwar eine Bundesliga-Karriere, doch Holger kehrte in die Region zurück und kickte jahrelang beim FC Sachsen, in Zwickau, beim HFC und bei Lok. Sein Sohn Tom hatte nie ein anderes Ziel, als auch Fußballer zu werden. Schon als ihm der Ball noch bis über die Knie reichte, rannte er der Kugel hinterher.

Erst Opa Roland und nach Ende seiner Karriere auch Vater Holger investierten viel Zeit in die Karriere des jüngsten Krauß-Talents. „Ich habe ihm immer beratend zur Seite gestanden, habe mich aber nie eingemischt bei RB“, sagt Holger Krauß. Ab 2011 kickte Tom bei RB, von der U15 bis aktuell zur U21 wurde Krauß stets zur Nationalmannschaft eingeladen – der Traum von der Profikarriere reifte. „Wir haben unsere Gene offenbar immer weitergegeben“, erzählt Vater Holger. „Aber auch Werte wie Ehrlichkeit, Ehrgeiz, Offenheit und Freundlichkeit.“
Durch das sprintintensive RBSpiel arbeitete Tom auch beharrlich an seiner Schnelligkeit – die Achillesferse in der Familie. Aktuell ist er als Leihspieler beim 1. FC Nürnberg in der 2. Liga als „Sechser“ Stammspieler – ein Spielertyp wie Joshua Kimmich. „Er ist reif und erwachsen geworden, selbstbewusst, aber nicht abgehoben“, sagt Holger über Tom. Übrigens: Der jüngste Krauß-Kicker hat auch mütterlicherseits beste Voraussetzungen mitbekommen. In der Chemie-Meistermannschaft von 1951, die Fritz Krauß trainierte, war mit Rolf Sommer auch Toms Uropa mütterlicherseits im Team.

Schwimmer-Dynastie Herbst: „Wir sind Sturköpfe“

Wie viele Medaillen Oma Eva, Opa Jochen, Sohn Stefan, Tochter Sabine, Enkelsohn Ramon und Enkeltochter Johanna gesammelt haben, weiß keiner so genau in der Schwimmer-Familie. Es sind auf jeden Fall eine Menge.
Kurz vor dem Treffen mit Sabine Krauß, die früher Herbst hieß, zog die 47-Jährige noch schnell im Pool hinter ihrem Haus ein paar (Kurz-) Bahnen. Bei regnerischem, kühlen Wetter. Schwimmen ist die Leidenschaft der Familie. Schon Mutter Eva (70) und Vater Jochen Herbst (78) schwammen bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko, waren bei nationalen und weltweiten Meisterschaften erfolgreich. Dass Tochter Sabine und Sohn Stefan ebenfalls in den Schwimmbecken dieser Welt nach Rekorden und Medaillen fischen würden, war zunächst nicht geplant. Und wurde auch nicht forciert.

„Sabine, geh nicht zur Sportschule. Das ist zu hart, hab lieber ein schönes Leben“, so Eva Wittke Herbst. Doch Sabine sagte schon als Achtjährige: „Nö. Ich will das. Ich wollte auch immer Erste sein. Wir sind Sturköpfe in der Familie. Wenn wir uns was vorgenommen haben, machen wir das so lange, bis es klappt.“ Sabine war bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney. Gewann EM-Medaillen in der Lagen-und Schmetterlingsdisziplin, war mehrfache Deutsche Meisterin.
Und ihr vier Jahre jüngerer Bruder Stefan machte es ihr nach: Olympia-Teilnahmen in Sydney und in Athen, holte mit der Staffel Gold-, Silber- und Bronzemedaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften und mehrere Deutsche Meistertitel.

„Wir hatten immer ein Hobby nebenbei. Wir waren ehrgeizig, aber nie verbissen und hatten immer Alternativen“, sagt Sabine. Vor allem Tanzen ist in der Familie sehr beliebt. Sabines Sohn Ramon (23) war bis zur siebten Klasse Turniertänzer. Schwimmen beim SSV Leipzig Leutzsch war damals so etwas wie seine Zweitsportart. Irgendwann sagte er zu seiner Mutter: „Mutti, die schwimmen mir alle weg. Ich möchte auf die Sportschule.“ Und da half es auch nicht, dass er von seiner Mutter gebremst wurde. Der Sturkopf der Familie Herbst setzte sich durch. Seinen größten Erfolg feierte Ramon 2018, als er den 32 Jahre alten Rekord von Michael Groß über 200 Meter Schmetterling unterbot.

Seit Juli dieses Jahres lebt Ramon in Neckarsulm, trainiert dort am Leistungszentrum. Sein Ziel: die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Dieses Ziel hat auch Johanna (16), seine Schwester. Zwar schlägt sie etwas aus der Art, denn die Sportgymnasiastin hat sich fürs Wasserspringen entschieden. Eine gute Entscheidung, denn bei der Junioren-EM sprang sie in diesem Sommer vom Einmeterbrett auf den Bronzerang.

Erfolgreiche Leipziger Sportfamilien über 1 / 2 / 3 Generationen

Familie Kretzschmar (Handball):

1 Peter (Feldhandball-Weltmeister als Spieler und zweifacher Weltmeister als Trainer, Olympia-Zweiter und -Dritter)
und 1 Waltraud Kretzschmar (dreimalige Weltmeisterin und Olympia-Zweite und -Dritte);
Sohn 2 Stefan Kretzschmar (WM- und Olympia-Zweiter);
3 Lucie-Marie Kretzschmar (Bundesligaspielerin Neckarsulm und Beachhandball-Europameisterin)

Familien Rose/Pietzsch (Fußball/Handball):

1 Walter Rose (Nationalspieler und DDR-Meister 1951);
2 Jürgen Rose (Rotation Leipzig, DDR-Bezirksliga);
3 Marco Rose (65-maliger Bundesligaspieler und aktuell Trainer von Borussia Dortmund).

1 Werner Aßmann (Kapitän DDR-Nationalmannschaft)
→  Schwiegervater von 2 Joachim Pietzsch (WM-Zweiter 1974);
3 Nikola Pietzsch (viermalige Deutsche Meisterin)
und Bruder 3 Alexander Pietzsch (Bundesligaspieler).

→ Nikola Pietzsch und Marco Rose sind ein Paar.

Familie Fischer (Wasserspringen):

1 Margit Schöpke, verh. Fischer (EM-Titel vom 10-Meter-Turm 1977 und später Trainerin)
und 1 Uwe Fischer (erfolgreicher Trainer Wasserspringen);
2 Heike Fischer-Jung (Olympia-Bronze 2008, WM-Silber 2007 und -Bronze 2005, EM-Gold 2002 und 2004)
und Mann 2 Alexander Jung (Schwimm-Nationalmannschaft);
Söhne 3 Marlon Jung (als Nachwuchsschwimmer im Stützpunkttraining)
und 3 Mateo Jung (Nachwuchsschwimmer und -fußballer Sportgrundschule).

Familie Schoppe (Radsport):

1 Wolfgang Schoppe (Radsport-Legende BSG Chemie und Aufbau Centrum Leipzig);
2 Frank Schoppe (gute Platzierungen bei Nachwuchsrennen);
3 Olivia Schoppe (Radsport-Bundesliga und U23-Nationalkader)
und 3 Moritz Schoppe (Sächsischer Landesmeister U11).

Mehr Infos gibt es hier
Familie Krauß >> Instagram
Schuck >> Wikipedia
Herbst/Klenz >> Instagram

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