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Markus Löffler

Eine Seite Vernunft

Mit „Tübke Monumental“ bietet das Kunstkraftwerk eine neue, einzigartige Licht- und Klanginstallation rund um das Bauernkriegspanorama. Das Thema Krieg ist immer noch aktuell. Gedanken von Markus Löffler, Mitbegründer des Kunstkraftwerks.

Markus Löffler
Markus Löffler © Luca Migliore

Krise ist das Thema von Tübke

In Bad Frankenhausen befindet sich eines der bedeutendsten Kunstwerke der Neuzeit. Das monumentale Panorama-Gemälde des Leipziger Malers Werner Tübke erzählt mit über 3.000 Figuren, arrangiert in 75 Szenen, den großen Zyklus der ständigen Umwälzungen. Gemalt in der Bildersprache der Renaissance wurde es 1989 fertig.

Ich habe das Gemälde beim ersten Mal nicht verstanden. Es war zu sperrig. Nach einem Besuch mit Brigitte Tübke-Schellenberger wuchs die Neugier. Ich verstand, dass es etwas wirklich Großes ist, ein Stück Weltkulturerbe. Als 2019 niemand in Leipzig eine Erinnerung zum 90. Geburtstag von Werner Tübke zustande brachte, kam mir die Idee, selbst für eine Würdigung zu sorgen. Es reifte die Idee zu einer immersiven Produktion. Sie sollte eine Erzählung in bewegten Bildern werden, die den Betrachter in die rätselhafte Bilderwelt hineinzieht. Da Tübke selbst keine Deutung seines Werkes hinterließ, konnten wir unsere eigene Interpretation wagen. So wurde ich unversehens Produzent.

Es gelang uns, das Gemälde zu digitalisieren. Dann konnten wir den Multimedia-Künstler Franz Fischnaller und sein internationales Team für den Auftrag gewinnen. Wir ließen ihm künstlerisch freie Hand. Es ist eine atemberaubende und ergreifende Inszenierung entstanden, die in der nationalen Presse als Meilenstein gelobt wurde.

In der Installation „The Great Circle“ werden Schlüsselszenen des Gemäldes durch raffinierte Computeranimationen und spezielle Effekte lebendig. Der Turm zu Babel als Zeichen der Überheblichkeit rotiert und zerplatzt. Der Walfisch mit Jonas im Bauch als Zeichen der Wiedergeburt löst einen Tsunami aus, der alles hinwegspült. Der Teufel fängt Sünder in einer Menschenfalle. Tänzer feiern eine neue Zeit, aber der Weltuntergang kommt alsbald. Steve Bryson aus Kalifornien hat die Musik komponiert. Das Zusammenspiel mit den Bildern gelingt glänzend.

„The Great Circle“ erzählt den Kreislauf der immer wieder scheiternden Utopien. Die Botschaften dieser Ausschnitte berühren auf einer emotionalen Ebene, thematisieren Leben und Tod, Hoffnung und Untergang, Rebellion und Unterwerfung und lassen so die Betrachtenden eintauchen in die ewigen Themen der Menschheitsgeschichte.

Als die Eröffnung heranrückte, war gerade der Ukraine-Krieg ausgebrochen und eine Feier erschien unpassend. Dann aber wurde klar: Krise ist das Thema von Tübke. Sein Gemälde wirkt wie eine Vorahnung. Man wägt sich in Sicherheit, aber plötzlich bricht alles Vertraute zusammen.

Der Besucher kann Interviews mit Zeitzeugen erleben und an einem Touchscreen selbst in das Gemälde eintauchen.

Markus Löffler ist Professor für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie an der Universität Leipzig. Er hat das Kunstkraftwerk mit zwei Partnern in privater Initiative gegründet und das Projekt „Tübke Monumental“ geleitet.

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