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  • Stadtgeschichte
Teil 28: Czermaks Spectatorium

Ein Hörsaal der anderen Art

Die Universität Leipzig verdankte dem Forscher Johann Nepomuk Czermak ein aufsehenerregendes Hörsaalgebäude. Sein Spectatorium geriet nach seinem frühem Tod 1873 jedoch schnell in Vergessenheit.

Spectatorium
1872 - Zunächst wollte Czermak sein Spectatorium auf dem Campus Augustusplatz errichten. Nach dem Veto der Universität wurde der Bau auf seinem Privatgrundstück im Leipziger Osten realisiert © H. Steinberg, Leipziger Blätter 37, 2006

Der 1828 in Prag geborene Mediziner stammte aus einer Familie angesehener Wissenschaftler. Er gilt als ein Begründer der Laryngologie, einem Teilgebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Während seiner Leipziger Zeit forschte und lehrte er aber insbesondere zur Physiologie, dem Fachbereich der Sinnesorgane und Nerven. Um eine Stelle als Professor an der hiesigen Universität bemühte er sich, weil er in Jena für seine progressiven Ansichten attackiert wurde. Seine Sehnsucht nach Leipzig war derart groß, dass er 1869 sein Amt sogar unentgeltlich antrat.

Wissenschaft für die Allgemeinheit

Hier, so seine Auffassung, wurde in seiner bevorzugten Disziplin „Großartiges unternommen und ausgeführt.“ Die Umsetzung des Spectatoriums kostete ihn jedoch viel Geld und Diplomatie. Seine Idee, Studenten aller Fächer, das Bildungsbürgertum und gar Frauen an den Vorlesungen teilhaben zu lassen, traf seitens der Universität auf vehemente Ablehnung. Das Spectatorium wurde nach drei Jahren Bauzeit fertiggestellt. Czermak unternahm dafür Recherchereisen nach England und arbeitete für die penible Umsetzung eng mit dem Leipziger Architekten Gustav Müller zusammen. Neben dem Hörsaal verfügte das Gebäude über einen separaten Wohnbereich und Platz für eine umfangreiche Sammlung medizinischer Instrumente.

Das wenig geschätzte Erbe

Der Visionär verstarb 1873 an Diabetes. Er litt darüber hinaus an einer Depression, die ihn in seinen letzten Jahren die Forschung und Lehre erschwert hatte. Seinen „Erklärungs - tempel“ erbte die Universität. Der ursprüngliche Bau wurde aus Czermaks Garten auf Wunsch seiner Witwe entfernt und in der Brüderstraße originalgetreu wieder aufgebaut. Dort nutzte das mathematische Institut den besonderen Hörsaal, bevor er zunehmend verfiel und 1900 abgerissen wurde.

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