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  • Interviews
Gespräch mit den Autorinnen Laura Leschert und Julia Felicitas Allmann

Ein facettenreiches Bild vom Leben und von den Abschieden

Julia Felicitas Allmann (links) und Laura Leschert sprechen über ihr Buch © Privat

Im Leipziger Verlag Palomaa Publishing erschien gerade das von Laura Leschert und Julia Felicitas Allmann geschriebene Buch BYE über Menschen, die in unterschiedlichsten Situationen mit dem Ende des Lebens zu tun hatten und haben. Ein aufsehenerregendes Buch entstand, voller Herzenswärme und Menschlichkeit. Gut, dass der Leipziger Verlag zugegriffen hat. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit den Autorinnen.

Ahoi: Guten Tag Laura Letschert, guten Tag Julia Felicitas Allmann. Ich durfte Ihre Buchvorstellung von „BYE – Wir sprechen von Tod, Abschied und dem, was bleibt" während der Leipziger Buchmesse bei „Sächsische Büchermenschen stellen sich vor" moderieren. Ihr Vortrag hat mich sehr berührt. Wie kam es, dass Sie sich dieses Thema vornahmen, um daraus ein Buch zu schreiben?

Laura: Für mich war die Endlichkeit schon immer etwas, das mich fasziniert und neugierig gemacht hat. Als Kind schaute ich oft in den Sternenhimmel und fragte mich, wo wir herkommen und mal hingehen. Dass ich später Philosophie studierte, war sicher kein Zufall. So entstand irgendwann auch in mir der Wunsch, ein Buch über unser endliches Leben zu schreiben – ein Buch, in dem Menschen ihre Geschichten teilen.

Julia: Laura erzählte mir bei einem gemeinsamen Abend in Köln von der Idee, zunächst gar nicht mit der Absicht, dass ein gemeinsames Buch daraus wird. Doch sie war unsicher, wie sie ein solches Projekt angehen sollte, ich hatte als Autorin bereits ein Buch veröffentlicht. Deshalb beschlossen wir, diesen Weg gemeinsam zu gehen.

Ahoi: Das Buch erschien bei Palomaa Publishing. Wieso dort?

Laura: Wir haben mit dem Buch von Anfang eine Intention verfolgt: Es sollte ein enttabuisierendes und gleichzeitiges achtsames Buch sein, das lebensbejahend und modern ist – und genau dafür wollten wir die richtigen Partnerinnen finden. Anne Friebel, die Gründerin von Palomaa Publishing, verkörpert dieses Gefühl und hat sofort an die Idee und an diese Intention geglaubt – so entstand eine vertrauensvolle und wertschätzende Verbindung, die bis heute anhält.

Ahoi: Alexa von Heyden hat das Vorwort geschrieben. Was verbindet Sie mit Alexa von Heyden?

Julia: Wir kannten sie vor dem Erscheinen unseres Buchs nicht persönlich, doch sie teilt ihren eigenen Umgang mit Trauer sehr offen in Büchern oder über Social Media. Dabei spricht sie auch sehr offen über den Suizid ihres Vaters – und wie wichtig für sie als Kind ein offenerer Umgang mit dem Tod und solchen schmerzhaften Erfahrungen gewesen wäre. So wurde sie für uns eine tolle Türöffnerin, um Menschen mit einem Vorwort in unserem Buch zu begrüßen.

Ahoi: Abschiede gehören zum Leben dazu. Dies zu negieren, ist Ausdruck von Realitätsverweigerung. Gerade beim Thema Tod ist unser Kulturkreis sehr verhakt im Aufarbeiten. Was kann geändert werden. Was wäre gut, um Traumata aufgrund plötzlicher Konfrontation mit Verlusten zu umgehen?

Laura: Wir sind keine Trauerbegleiterinnen und das Buch ist kein Trauerratgeber, in dem wir praktische Hilfestellungen mitgeben. Wir haben jedoch durch die Gespräche für BYE selbst gemerkt, dass wir voneinander lernen können und uns gegenseitig Mut und Hoffnung schenken können, wenn wir uns trauen, davon zu erzählen, was uns bewegt und nachzufragen, wie es uns wirklich geht. Wenn wir es schaffen könnten, in ganz unterschiedlichen Alltagssituationen selbstverständlicher über alle Gefühle zu sprechen, wäre sicher schon viel gewonnen.

Ahoi: Was hat das Buch und die Arbeit am Buch mit Ihnen selbst gemacht?

Julia: Wir haben während des Entstehungsprozesses viel gelernt und ich denke, wir gehen nun noch einmal bewusster durch das Leben – und mit anderen Menschen um. Die Gespräche gewährten uns so viele persönliche Einblicke und einige Protagonistinnen und Protagonisten teilten mit uns, was sie sich gewünscht hätten, als sie trauerten oder selbst von einer schweren Erkrankung betroffen waren.

Ahoi: Die Einzelschicksale im Buch sind sehr unterschiedlich. Können Sie uns einen kleinen Einblick gewähren?

Laura: Es sind tatsächlich sehr viele verschiedene Geschichten. Mit dabei ist Thomas Krauß, der ein Kunstherz trägt, auf ein Spenderherz wartet und schon mehrmals dachte, dass er stirbt. Er verabschiedete sich bereits von seiner Frau und seinem Leben – und war zu diesem Zeitpunkt völlig im Reinen mit sich. Dorothée Mellinghaus hingegen hat entschieden, dass sie selbstbestimmt sterben will und ist Mitglied in einem Verein, der sie beim assistierten Suizid begleitet. Mara Bork ist Trauerbegleiterin für Kinder und Jugendliche und begleitet sie zum Beispiel damit, die Trauerfeier für ein verstorbenes Elternteil mit Lego nachzuspielen. Durch diese unterschiedlichen Perspektiven kommt ein sehr facettenreiches Bild auf das Leben und auf Abschiede zustande.

Ahoi: Wie war die Arbeitsaufteilung zwischen Ihnen beiden beim Projekt?

Julia: Wir haben das Konzept des Buches zusammen ausgearbeitet und immer wieder sorgsam hinterfragt und angepasst. Uns war es wichtig, dass es tiefgehende Inhalte sind, die trotzdem mit einer gewissen Leichtigkeit vermittelt werden können und wir wollten den Menschen in dem Buch gerecht werden – das war ein Anspruch an uns selbst. Wir suchten und wählten gemeinsam die Gesprächspartnerinnen und -partner aus. Laura führte dann die Gespräche mit den Menschen, meistens per Video, und ich formulierte aus den teilweise stundenlangen Aufnahmen Gespräche – die wir natürlich in mehreren Abstimmungsrunden überarbeiten. Laura reiste dann zu den Menschen, um sie für unser Buch zu fotografieren. Uns war es von Anfang an wichtig, dass die Lesenden die Personen auch vor Augen haben, wir ihnen ein Gesicht verleihen. Außerdem verfassten wir kurze Gedankenräume, um die Lesenden zum Wirkenlassen und Nachdenken einzuladen, und Impulskapitel, die Inseln zwischen den einzelnen Gesprächen sind. Hier teilen wir eigene Gedanken mit den Lesenden.

Ahoi: Was machen Sie beide, wenn Sie nicht gerade ein Buch über den Tod und über Abschiede schreiben?

Laura: Ich arbeite als Coach für Veränderungsprozesse in Warschau und bin gerade dabei, ein weiteres Projekt für gesellschaftliche Veränderungen ins Leben zu rufen.

Julia: Ich bin Journalistin und schreibe von Köln aus für verschiedene Medien und Unternehmen.

Ahoi: Und was bleibt, wenn alles vorbei ist?

Laura: Das darf wohl jede und jeder für sich selbst entscheiden. Mit Blick auf BYE können wir sagen: Hoffentlich bleibt das Gefühl, dass es sich lohnt, sich dem Thema Tod und Abschieden zu nähern. Und es bleiben persönliche, offene Gespräche, durch die echte Verbindungen entstehen. Unser Wunsch war immer, dass der Austausch über BYE und die zugehörigen Themen mit der letzten Seite des Buches nicht endet – sondern gerade beginnt.

Ahoi: Danke, dass Sie sich so warmherzig dem Thema näherten. Es ist richtig und gut, respektvoll zu sein.

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