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  • Musik
Prof. Wolfgang Fuhrmann

Der Komponist und die Forschung

Alle 13 Wagner-Opern auf die Bühne zu bringen ist das eine, die Sicht von Wissenschaft und Forschung auf Richard Wagner die andere. Und so gibt es bei Wagner 22 auch Symposien und Tagungen.

Wolfgang Fuhrmann
Musikwissenschaftler Prof. Wolfgang Fuhrmann beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Richard Wagner © Swen Reichhold

Mit dabei ist Musikwissenschaftler Prof. Wolfgang Fuhrmann. 2018 wurde er auf die Professur für Musiksoziologie und Musikphilosophie an der Universität Leipzig berufen. Seine erste Begegnung mit Wagner hatte er als Teenager – nicht in der Oper, sondern dank einer Schallplatte mit Orchestermusik. „Da waren Ouvertüren drauf, Zwischenspiele aus dem Ring, z. B. der Walkürenritt. Die Trauermusik für Siegfried hat mich tief beeindruckt“, erzählt Fuhrmann. Diese Begeisterung hat ihn bis heute nicht losgelassen.

Mendelssohn und Wagner: Zwei Leitfiguren der Leipziger Musikgeschichte

Unter diesem Motto findet ein internationales Symposium des Wagner-Verbands (22.–25. Juni) statt. „Solch eine Tagung, die alle Aspekte aus Leipzigs Musikgeschichte abdeckt, gab’s noch nicht“, so Fuhrmann. Er ist sich sicher, dass auch die Leipziger Interesse haben: „Sie lieben Mendelssohn, Richard Wagner ist hier geboren.“ Er erklärt: „Wagner hat Mendelssohn auf seine merkwürdige Weise sehr verehrt und sich dessen musikalischer Professionalität unterlegen gefühlt. Er sagte: ‚Was ich für ein Stümper bin, glaubt kein Mensch. Mendelssohn würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn er mich komponieren sähe‘. Nachklänge von Mendelssohn spuken vor allem beim ‚romantischen‘ Wagner herum. Ich finde, im ‚Lohengrin‘ klingt’s oft ein bisschen mendelssohnhaft.“

In dieser Reihe, die an der Universität Leipzig wöchentlich stattfindet (Auftakt war am 7. April), organisiert von Prof. Stefan Keym (Musikwissenschaft) und Prof. Frieder von Ammon (Germanistik), stehen verschiedene Aspekte rund um Richard Wagner und seine Werke im Fokus. Denn: Der Komponist hat sich mit vielen Themen beschäftigt wie mit dem Mittelalter, religiösen Fragen des Christentums und dem Heidentum. Zu fast allem hat er sich geäußert, es kommentiert, Schriften verfasst, die Themen in seine Werke einfließen lassen. Seine Figuren wurden teilweise so geprägt.

Ein großes Thema: Wie inszenierte Wagner seine Stücke, wie bringen Regisseure heute eine Oper wie „Parsifal“ auf die Bühne? Auch ein Thema – Wagners Instrumente. Er hat eigene anfertigen lassen, z. B. die Wagnertuba mit ihrem vollen, runden Klang.

Familie Wagner und der Nationalsozialismus

Es ist ein düsteres Kapitel und belastet die öffentliche Wahrnehmung von Wagner bis heute. Der Komponist selbst war Antisemit, sah Juden als niedrigere Rasse. Hitler und andere Nationalsozialisten haben Wagner verehrt. Hitler war schon in den 20er-Jahren in Bayreuth, deutlich vor seiner Machtübernahme. Wagners Sohn Siegfried heiratete Winifred Williams, eine glühende Nationalsozialistin.

Prof. Fuhrmann: „Es ist bekannt, wie sich die Familie dem Regime an den Hals geschmissen hat. Aber kaum bekannt ist und es muss auch gesagt werden, Bayreuth war ein Privatunternehmen und stand vor dem Aus. Die Nazis haben die Festspiele gerettet, sonst gäbe es die heute nicht mehr. Es gab also nicht nur ideologische, sondern auch handfeste materielle Motive, sich dem NS-Regime anzudienen.“

Immer wieder gab es die Ankündigung der Familie, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Nun leitet Katharina Wagner die Festspiele. „Sie hat versprochen, alles aufzuarbeiten. Wir warten bis heute“, so Prof. Fuhrmann. Und ergänzt: „Richard Wagner starb 1883, 50 Jahre vor der Machtergreifung Hitlers. Er ist sicherlich nicht verantwortlich zu machen für den Missbrauch seiner Werke, aber seine Äußerungen und seine Schriften boten der NS-Ideologie schon viele Anknüpfungspunkte.“

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