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Nicht nur ein Ort von Fake-News, Datensammelwut und Hetze

Warum das vielkritisierte Internet besser ist als sein Ruf

Vorteile Internet
Das Internet als ausschließlich negativer Ort? So sollte keiner denken, denn es gibt genug Positives in der digitalen Spähre. © stock.adobe.com © patrick

Manchmal muss etwas nicht unbedingt beliebt oder wenigstens kritikfrei sein, nur weil es einen großen Erfolg hat. Ein Beispiel von vielen ist die Online-Welt: Quer durch alle Altersschichten hindurch nutzen cirka 80 Prozent aller Deutschen das Internet täglich – und das je nach Altersgruppe teils mehrere Stunden.

Gleichsam jedoch wächst nicht nur gefühlt die Kritik an diesem Medium. Immer mehr Menschen misstrauen dem Internet, respektive der digitalen Sphäre. Sei es aufgrund der Gefahren für die eigenen Daten, der Bedrohung durch Hacker, Fake-News, und Hetze. So fand etwa eine aktuelle österreichische Studie heraus, dass eine Majorität aller dortigen Jugendlichen Online-Quellen gegenüber eher bis sehr skeptisch eingestellt ist – derartige Zahlen dürften sich recht genau auf deutsche Altersgenossen umlegen lassen.

Allerdings wäre es falsch, dem Internet generell nur Negatives bis bestenfalls Ambivalentes anzukreiden. Denn tatsächlich hat die Online-Welt eine ganze Menge Stärken vorzuweisen. Viele davon sind mitunter so tief in unseren Alltag eingedrungen, dass wir sie nicht mehr bemerken. Daher an dieser Stelle eine kleine gebrochene Lanze für das vielgescholtene Internet und die damit verbundenen Dienste.

1. Es ermöglicht uns Heimarbeit und Heimunterricht

Nicht jeder mag ein Fan davon sein, ausschließlich zuhause zu arbeiten und zu lernen – nicht zuletzt, weil die Restriktionen während der Pandemie diesbezüglich zu wenig Freiwilligkeit gestatteten. Doch zwischen einem Schüler, der mit gebrochenem Bein zuhause sitzt und einem Angestellten, dessen Arbeitgeber vielleicht hunderte Kilometer weg residiert, müssen verschiedene Gruppen eines bedenken:

Ohne das Internet wären unsere Möglichkeiten für Heimarbeit und -unterricht extrem limitiert und für die meisten Menschen gar nicht existent. So vieles lässt sich heute am Computer erledigen. Wenn dieser Faktor gegeben ist, dann sind es ebenso die theoretischen und praktischen Möglichkeiten, es via Internet von überall zu erledigen.

Niemand muss (dauerhaft) derart distanziert arbeiten. Aber die reine Option, es ohne Schwierigkeiten tun zu können, verdient definitiv Lob – zumal es in der Arbeitswelt viele Menschen gibt, die nur deshalb in ihrer Region einen Job fanden, weil sie via Homeoffice für ein entfernteres Unternehmen arbeiten können.

2. Dank Internet gibt es immer jemanden, der Antworten liefern kann

Zumindest ältere Leser werden es vielleicht noch kennen: Man kaufte etwas in einem herkömmlichen stationären Geschäft – angepriesen vom Verkäufer. Bei der Verwendung stellte sich jedoch eine ziemlich fragwürdige Qualität heraus. Hätte man das vorher gewusst, wäre das Geld für dieses Produkt im Portemonnaie geblieben. Oder auch das: Was sind die Regeln eines bestimmten Spiels? Die richtigen Vorgehensweisen für eine bestimmte Tätigkeit? Früher gab es dafür nur wenige Möglichkeiten – und keine davon lieferte rasche Antworten.

Dagegen das Internet. Es finden sich zweifelsohne zu jedem der Millionen dort verkauften Produkte Rezensionen. Wer die Betriebsanleitung verloren hat, kann sich dort garantiert eine neue als PDF herunterladen. Wer Sportwetten, Spiele oder Ähnliches betreiben möchte, kann sich alles von User zu User von Grund auf erklären lassen.

Und wer wissen möchte, wie er vom verstopften Abfluss bis zum Abstimmen einer Funkantenne irgendetwas mit den eigenen Händen erledigen kann, der ist ebenfalls nur wenige Daumenwische oder Mausklicks von extrem umfassenden Antworten entfernt.

Was früher erforderte, einen Spezialisten zu suchen oder sich buchstäblich durch Bibliotheken zu arbeiten, steht heute jedem instantan zur Verfügung – dank der neuen Google-Funktion sogar ohne jede Recherche, da Antworten gut sichtbar hervorgehoben werden

3. Im Internet lassen sich unzählige Informationen vergleichen und bewerten

Die Diskussion um Fake-News bestimmt seit einigen Jahren stark die Wahrnehmung des Internets und dort zu findender Informationen. Ja, online werden in der Tat eine ganze Menge Halbwahrheiten, Falschinformationen oder aus dem Zusammenhang gerissene und dadurch verzerrte Informationen geliefert.

Das darf aber eines nicht überdecken: Online hat es jeder völlig gleichberechtigt in der Hand, sich sowohl seine Informationsquellen selbst zusammenzusuchen als auch deren Wahrheitsgehalt anhand anderer Quellen zu prüfen.

Wer früher beispielsweise dem Inhalt eines Zeitungsartikels nicht traute, der hatte nur eine Option, nämlich Geld ausgeben, um sich ein anderes Blatt zu kaufen. Doch selbst dann hatte er zu diesem Thema nur zwei Ansichten. Das Internet ist diesbezüglich anders.

Allein, was das Vergleichen von Nachrichten anbelangt, gibt es unzählige seriöse Quellen zwischen Zeitungsverlagen, wissenschaftlichen Instituten und Regierungsstellen; die meisten kostenlos zugänglich. Obendrein existieren neutrale Faktenchecker wie Correctiv, die einem einen gehörigen Teil dieser Recherche- und Vergleichsarbeit abnehmen.

Ja, im Internet steht eine Menge Unsinn. Allerdings kann jeder ebenfalls dort die Wahrheit herausfinden, sofern er sich wirklich eine fundierte Meinung bilden möchte.

4. Das Internet ermöglicht jedem eine globale Reichweite

Mancher Leser hat sich vielleicht schon einmal ohne konkrete Suche durch YouTube geklickt und ist dabei über ein Video gestolpert, das ihn absolut faszinierte. Etwa, weil dort ein Künstler etwas erschuf, das sprichwörtlich den Atem raubte.

Derartiges mag heutzutage nicht mehr so besonders erscheinen, weil wir alles es seit vielen Jahren gewohnt sind. Das heißt jedoch nicht, es wäre kein massiver Vorteil des Internets. Dazu muss man sich nur anschauen, wie es vorher war. Egal, wie interessant etwas oder jemand war:

  1. Es oblag hauptsächlich verschiedenen (medialen) Institutionen, ob derjenige eine Reichweite bekam.
  2. Es gab für die Interessierten kaum eine Möglichkeit, aktiv eine solche Person zu finden.

Nehmen wir einen Graffitikünstler. Ohne Internet wäre eine solche Person darauf angewiesen, durch Galerien, Manager, Mäzene, Fernsehen oder Zeitung (respektive Fan-Zines) bekannt zu werden. Viele Menschen der Prä-Internet-Ära hatten deshalb trotz größtem Talent niemals eine Chance, ein Publikum zu begeistern.

Anders die Online-Welt. Sie gibt absolut jedem, ungeachtet seiner Sparte, auf tausenderlei Wegen die Möglichkeit, andere Menschen anzusprechen – und das auf der ganzen Welt. Kein Thema kann zu nischenhaft sein, als dass sich dafür via YouTube, TikTok, Instagram und Co. nicht wenigstens einige Interessenten finden ließen.

Zudem funktioniert das Prinzip ebenso umgekehrt: Online können wir, oft genug durch Zufall, Themen und Menschen entdecken, die wir zuvor niemals „auf dem Schirm hatten“. Wer das nicht glaubt, muss sich nur eine Viertelstunde lang durch die „Shorts“-Kategorie auf YouTube wischen oder sich bei Spotify eine willkürlich ausgesuchte Playlist anhören.

5. Nur online können wir ungeachtet der Distanz auf praktikable, niedrigschwellige Weise verbunden bleiben

Mancher Leser wird vielleicht während seiner Schulzeit einen guten Freund durch dessen Umzug verloren haben. Erst versprach man sich, jeden Tag zu telefonieren, ganz viele Briefe zu schreiben und sich in den Ferien zu besuchen – doch in der Praxis war die Freundschaft meist nach wenigen Monaten vorbei. Hauptsächlich deshalb, weil keine damals verfügbare Technik adäquat war, um derartige Fernbeziehungen niedrigschwellig zu ermöglichen.

Erneut eröffnet die digitale Sphäre uns diesbezüglich eine andere Welt. Schon SMS und E-Mail, also diesbezüglich sehr alte Anwendungen, waren aus damaliger Sicht ein Quantensprung. Dann kamen Chatprogramme wie ICQ. Der wirkliche „Game Changer“ waren allerdings Smartphones in Verbindung mit Chatprogrammen zwischen Facebook Messenger, WhatsApp und Signal.

Sie ermöglichen Schreiben, Sprachnachrichten sowie Anrufe in Bild und Ton – neben der Möglichkeit, diverse Medien zu versenden. Heute mag uns das trivial erscheinen. Aber jeder, der entfernt lebende Freunde oder Verwandte hat, der weiß wahrscheinlich, welchen Unterschied es machen kann, ohne jegliche Zusatzkosten andauernd und zwischendurch mit diesen geliebten Menschen in Kontakt zu bleiben. Tatsächlich geht diese Verbindung sogar von der Erde weg – seitdem die ISS ans Internet angebunden ist.

6. Das Internet macht das Leben in vielen Regionen deutlich einfacher – oder sogar erst möglich

Wir hier in Leipzig könnten durchaus ohne Internet problemlos leben. Egal ob es das Thema Kultur ist, Einkaufen oder etwas ganz anderes. Praktisch alles findet sich innerhalb der Stadtgrenzen; oft sogar in mehrfacher Ausführung, wodurch wir eine Auswahl haben.

Bloß ist es eben in vielen anderen Kommunen Deutschlands nicht der Fall – nicht nur in Sachsen oder generell Ostdeutschland. Wir sprechen von ländlichen Orten, die mitunter schon seit Jahrzehnten auf dem absteigenden Ast sind. Orte, wo aufgrund ihrer geringen Größe beispielsweise niemals ein Kulturbetrieb herrschte. Orte, wo mittlerweile sämtliche Ärzte und oftmals sogar die simpelsten Einkaufsmöglichkeiten verschwunden sind.

Ohne das Internet wäre die Lebensqualität der Einwohner solcher Kommunen extrem niedrig, denn sie müssten selbst im besten Fall weite Wege auf sich nehmen, um derart zu partizipieren – oder sogar nur einen Laib Brot kaufen zu können.

An diesem Punkt zeigt sich einmal mehr, wie positiv das Internet sein kann. Nicht nur, weil es hier absolut nichts gibt, was man nicht auf Bestellung kaufen kann. Sondern ebenso, weil durch Streaming, die sich derzeit etablierende Telemedizin und virtuelle Übertragungen selbst in entlegenen, geradezu abgehängten Gebieten eine echte Teilhabe möglich ist – auch ohne sich ins Auto setzen zu müssen.

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