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Obermeisterin stellt die Kosmetik-Innung Leipzig vor

Viel mehr als rosa Kittel

Leipzig hat eine neue Innung, die Kosmetik-Innung Leipzig. Schließlich müssen sich Menschen organisieren, um von den Entscheidern überhaupt gehört zu werden. Was diese neue Innung nun für Ziele hat, fragte Ahoi-Redakteur Volly Tanner bei der Obermeisterin der Innung, Carmen Däbritz, nach.

Carmen Däbritz ist nicht nur Obermeisterin der Kosmetik-Innung Leipzig, sondern hat auch selbst ein Studio © Handwerkskammer zu Leipzig

Ahoi: Guten Tag, liebe Carmen Däbritz. Du bist Obermeisterin in der neugegründeten Kosmetik-Innung Leipzig. Ich wusste gar nicht, dass es da noch keine gab, dass Kosmetikerinnen und Kosmetiker nicht organisiert sind. Was war der ausschlaggebende Punkt für die Gründung? Es braucht ja in der Regel einen Leidensdruck.

Das Thema Innung schwebte schon länger im Raum. Aber erst, als die Krise an die Tür klopfte, wurde vielen bewusst, dass etwas passieren muss. Ich hörte von einigen Kolleginnen, dass sie unter anderem Briefe an Behörden geschrieben haben, es aber niemanden interessiert, oder nur vertröstende Antworten kommen. Auch die Formulierungen, wer noch welche Dienstleistung anbieten darf und wer nicht, sind derart schwammig und schüren eher Verwirrung als Klarheit.

 

Ahoi: Und was macht ihr da in der Innung? Wofür engagiert ihr euch?

Die Innung ist eine Interessenvertretung von Personen, für eine Branche des Handwerks. Wir sind also die Stimme der Kosmetikbranche in unserer Region so Carmen Däbritz

Wir wollen ja alle so schnell wie möglich wieder arbeiten. Das setzt aber auch voraus, dass wir unsere Arbeit den Leuten etwas genauer vor Augen führen.

Das Image vom „Salon“, wo eine Dame im rosa Kittel, schnatternd mit der Schminkflinte im Anschlag, anderen Damen in Bademantel und mit Gurkenscheiben auf den Augen, die Nägelchen lackiert, ist schon lange passé. 

Wir wollen unseren Beruf wieder aufwerten. Von der Wende bis ca. 2016 gab es keine Kosmetikmeister mehr. Dieser Meistertitel wurde abgeschafft. Im Handwerk ist unser Beruf ein zulassungsfreies Gewerk, auch wenn man den Kosmetikmeister wieder absolvieren kann. 

Wir stehen in der Anlage B2 in der Handwerksrolle. Das heißt, dass man keine richtige Ausbildung benötigt, um sich damit selbstständig zu machen. Wir werden also mit dem Textil-Handdrucker oder Klavierstimmern verglichen. Dabei arbeiten wir am Menschen! Sowas muss sich dringend ändern. Ein Ausbildungsstandard und der Eintrag in die Handwerksrolle A muss her! Schließlich gilt dies auch für Friseure, Raumausstatter oder Maler und Lackierer. Diese benötigen nämlich die gesetzlich vorgesehenen Qualifikationen, den Meistertitel, um sich selbstständig machen zu können.

Außerdem gibt es in Leipzig keine Berufsschule für Kosmetiker mehr. Der fachgerecht ausgebildete Nachwuchs stirbt damit also aus. Dieses Problem wird man aber auch nicht in kurzer Zeit lösen können. Das bedarf längerer Zeit.

Ein großes, kostenintensives Thema, was zusätzlich zu den finanziellen Belastungen einer Kosmetikerin hinzukommt, ist die neue NiSV (Strahlenschutzverordnung für verwendete Geräte in der Kosmetikbehandlung, wie etwa das klassische Ultraschallgerät). Diese neue Verordnung ist auch wieder eher unübersichtlich und verunsichert viele, zumal die verpflichtenden Schulungen für manche Kosmetikerinnen mehrere tausend Euro kosten könnte. Wie soll das nach dieser Krise funktionieren? Wie sollen die Betreffenden das Geld aufbringen? Für so etwas müssten Förderungen beantragt werden können. Das sind die vorrangingen Themen, die anliegen. Aber da gibt es noch einiges mehr.

 

Ahoi: Und wie viele Aktive sind derzeit bei euch organisiert?

Wir sind zehn Gründungsmitglieder. Dazu haben wir innerhalb von zwei Wochen drei neue Mitglieder gewinnen können. Außerdem haben wir ein Gastmitglied, Herrn Marco Breseke von der Signal Iduna Versicherung. Gastmitglieder ermöglichen es uns, mit ihren monatlichen finanziellen Beiträgen gewisse Dinge wie die Geschäftsführung und die Haushaltsplanung finanzieren zu können. Des weiteren können sie allen Mitgliedern mit ihrem Fachwissen aus ihrer Branche behilflich sein. Wir hingegen sind eine gute Werbeplattform für die Gastmitglieder.

 

Ahoi: Du hast natürlich selber einen Salon – Simple Skin in der Zschocherschen Straße 57. Nun schlugen die Coronaregeln ja vielen Selbstständigen die Beine unter dem Körper weg. Wie sind deine Erfahrungen? Klappt die von den Regierenden zugesicherte Unterstützung?

Im ersten Lockdown musste ich sechs Wochen schließen. Damals konnte ich bei der sächsischen Aufbaubank (eine Förderbank) ohne Prüfung die Soforthilfe beantragen. Das ging alles sehr schnell, da hatte ich innerhalb von drei Tagen das Geld auf meinem Konto.

Nun war ich froh, dass ich den Sommer über wieder arbeiten durfte. Eigentlich bin ich optimistisch in den Herbst gegangen. Ich habe wirklich geglaubt, dass die Politik bis dahin ein relativ gutes System entwickelt hätte, wenn die Zahlen im Herbst wieder steigen würden. Mit Einschränkungen habe ich trotzdem gerechnet und habe die Fertigstellung der Umbaumaßnahmen meines Geschäftes (welches ich im Januar 2020 übernommen habe) weiterhin ruhen lassen. Das war definitiv die richtige Entscheidung, denn dadurch konnte ich mir ein paar liquide Mittel zu Seite legen.

Die finanziellen Hilfen, die es seit November gibt, sind eine Katastrophe! Mir steht zwar Geld zu, aber für den Monat November habe ich bisher nur eine Abschlagszahlung gesehen. Am heutigen Tag (07.01.2020) habe ich noch einen dreistelligen Betrag auf meinem Geschäftskonto. Jetzt muss ich Reserven angreifen, die für die Kredittilgung gedacht sind.

Dabei geht es mir noch ganz gut. Andere bekommen gar keine finanzielle Unterstützung, weil sie ihnen nicht zusteht. Eine Kollegin hat zusammen mit einer Friseurin ein sogenanntes Mischgewerbe, bestehend aus Friseur und Kosmetik. Das Friseurhandwerk bringt ca. 60% des Umsatzes, die Kosmetik den Rest. Dadurch haben sie auf die November- und Dezemberhilfe gar keinen Anspruch. Es wurde „zu viel“ erwirtschaftet. Bei der Überbrückungshilfe liegen sie nur wenige Prozente unter dem Verlust, den man braucht, um diese beantragen zu können. 

Es ist erschreckend, wie hart die Grenzen gezogen werden. Dabei schafft dieses Unternehmen fünf Arbeitnehmerplätze.

Eine andere Kollegin, mit sechs Angestellten, hat ca. 18.000 € Betriebskosten monatlich. Sie hat bisher nicht einen Cent der November-Hilfe bekommen. Inzwischen müssen viele ein Privatdarlehen aufnehmen, um solche großen Summen für ihre Unternehmen aufbringen zu können. Sonst droht als erstes die Entlassung der Mitarbeiter, später die Insolvenz.

 

Ahoi: Nun ist es in der Regel so, dass Selbstständige ja gerne ihrer Arbeit nachgehen, sonst würden sie ja in den seltensten Fällen selbstständig sein. Bei einem Quasi-Berufsverbot fällt man da regelrecht in ein schwarzes Loch. Wie ist das bei dir? Wie hältst du dich freundlich?

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich gerade am Anfang die Ruhe genossen habe. Als Soloselbstständige macht man eben alles selbst. Das kann manchmal ziemlich anstrengend sein. Bis zum zweiten Lockdown habe ich fast ausschließlich IN und nicht AN meinem Business gearbeitet, stand Mo-Fr im Laden.

Als abzusehen war, dass das Tätigkeitsverbot für meine Branche wohl nicht so schnell aufgehoben wird, wollte ich aktiv werden. Ich habe mich dann auf Empfehlung einer Kollegin einem Coaching Programm speziell für Kosmetiker angeschlossen. Es ist wie eine zusätzliche Ausbildung. Ich sitze nun den ganzen Tag vor dem PC und erarbeite Sachen für meine Webseite, Facebook und WhatsApp Business, um immer mit meinen Kunden in Verbindung zu bleiben.

Demnächst werde ich auch ehrenamtlich für Krebserkrankte kostenlose Webinare anbieten.

Außerdem gibt es für mich als Obermeisterin der Kosmetiker-Innung immer etwas zu tun.

Ahoi: Auf deiner Homepage steht, dass alle deine Kosmetik-Behandlungen besonders unterstützend bei Hauterkrankungen sind. Wie meinst du das?

Schon in meiner Ausbildung habe ich gemerkt, dass mir die Wellness-Schiene nicht sonderlich wichtig ist. Mich hat es schon immer eher zu Problemlösungen für die Haut hingezogen.

Wenn also eine Kundin eine Hauterkrankung wie Rosacea, Neurodermitis, Psoriasis oder eine Akne hat, kann ich die Haut unterstützend pflegen, um das Hautbild zu verbessern. Unterstützend bedeutet, dass ich nicht therapeutisch arbeiten darf. Meine Arbeit mit meinen Kunden mit einer Hauterkrankung hat also auch definitiv ihre Grenzen.

 

Ahoi: Hat denn die Zahl der Hauterkrankungen zugenommen, deiner Erfahrung nach? Und wenn ja – woran liegt es?

Ich denke nicht, dass sie zugenommen hat. Jedoch gibt es natürlich auch Medikamente, oder Therapien in der Onkologie, die der Haut extrem zusetzen. Das ist dann zwar keine Hauterkrankung, hinterlässt aber immer seine Spuren. Außerdem ist es mir sehr wichtig, dass sich meine Kunden trotz ihrer Lebensgeschichten wohl in ihrer Haut fühlen. Es geht nicht darum, noch schöner zu werden, sondern mit seinem Körper im Einklang zu leben. Es geht um Selbstakzeptanz.

 

Ahoi: Zurück zur Innung. Welche Unterstützung braucht ihr konkret bei eurer Arbeit? Und wer kann diese bieten?

Wir wollen uns recht herzlich bei der Handwerkskammer zu Leipzig bedanken, dass diese unsere Gründung so tatenreich unterstützt hat. Wir sind natürlich auf der Suche nach Mitgliedern und Gastmitgliedern oder Sponsoren. Je mehr Mitglieder wir als Innung haben, umso lauter ist unsere Stimme. Über eine Zusammenarbeit mit Firmen wie Versicherungen, Coaches, Rechtsanwälte etc., um Mehrwert für Mitglieder zu schaffen, würden wir uns auch sehr freuen. Wir sind eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und werden anders wahrgenommen als eine Privatperson.

Carmen Däbritz

Simple-Skin-Kosmetik Leipzig
Zschochersche Straße 57
04229 Leipzig
Tel.: 0341 / 49 26 110
Mobil: 0176 / 70314898

www.simple-skin.de
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