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Geigerin Izabela Kałduńska im Gespräch

Die Emanzipation eines kleinen Quietsch-Instrumentes

Geigerin Izabela Kałduńska
Geigerin Izabela Kałduńska © Klaus Nauber

Izabela Kałduńska wurde im polnischen Gdańsk geboren und gehört in Leipzig, ihrem heutigen Lebensmittelpunkt, zu den interessantesten Musikerinnen der Szene. Mit ihrem musikalischen Soloprojekt „The New Solarism“ begeistert sie einen kleinen, jedoch stetig wachsenden, Kreis an Zuhörern. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit der Musikerin über ihre polnischen Wurzeln, den Weg zum ersten Album und ihre verschiedenen musikalischen Gesichter. 

Ahoi: Guten Tag, Izabela. Mit deinem Projekt „The New Solarism“ veröffentlichst du gerade auf dem Leipziger Indie-Label DRAN das Album „Studies of Myself“. Wie genau ist es zur Zusammenarbeit mit dem Team von DRAN gekommen?

Izabela Kałduńska: Wie ich zu DRAN kam, ist eine von den „schöneren“ Corona-Geschichten. Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich Ende 2019 ein Konzert im Club „Ilses Erika“ zusammen mit Jörg Blumenstein (Leipziger Violinist, Anm. d. Red.) geplant. Es hat aber aus irgendeinem Grund nicht geklappt. Dann war ich erstmal einfach zum Kunst-Slam im „Ilses Erika“ eingeladen, um mich kurz vorzustellen und ein Stück zu spielen. Mein Geigen-Vorverstärker hatte aber beim Soundcheck protestiert und so konnte ich spontan nur „Better Summer“, das einzige Stück ohne Geige, singen. Wir haben einen neuen Termin verabredet – doch dann kam der Lockdown.

Die Jungs von „Ilses Erika“ blieben aber nicht untätig und haben das „Fabelhafte Ilses Erika Corona TV-Programm“ ins Leben gerufen, einen Livestream mit Solokünstlern, an dem ich auch mitwirken durfte. Danach haben wir in einem kleinen Kreis zusammengesessen und ich wurde gefragt, warum ich noch kein eigenes Album habe. Da wurde mir dann auch das neugegründete DRAN Label empfohlen. Die Idee ist wie von Himmel gefallen, weil ich schon seit einiger Zeit von einem eigenen Album träumte. Ich wusste aber gar nicht, wo man bei so einer Produktion anfängt.

Will man deine Musik einordnen, fallen Schubladen wie Neo Klassik, Jazz, Experimental oder Indie zu. Dabei hast du etwas Eigenes geschaffen – diese Verbindung aus Violine und elektronischen sowie analogen Klängen ist wie Musik aus einem 1970er Jahre Sciene- Fiction-Comic-Film von Moebius. Woran orientierst du Dich beim Schaffen deiner Tracks?

Ich versuche mich vor allem, an meinen Gefühlen zu orientieren. Dann nehme ich die Geige in die Hand und spiele etwas, so wie es mir gerade geht. Technisch gesehen ist es eine sehr bunte Mischung aus allem, was ich in meinem Leben bereits gespielt und gehört habe. Ich bin mit klassischer Musik aufgewachsen und seit dem fünften Lebensjahr habe ich immer irgendein Stück geübt, gehört oder im Konzert gespielt. Von der Renaissance bis zur Gegenwart. Parallel dazu habe ich natürlich als Teenager auch ganz normale Punk-, Metal- und Pop-Phasen durchgemacht. Im Studium war ich fast bei jedem zeitgenössischen Musikkonzert dabei, ging nahezu jede Woche zu unserem Jazzclub „Telegraph“.

Was mich dort genervt hat, war, dass man als Geigerin so abhängig von anderen Musikern ist. Es gibt wenig, was man allein auf der Bühne machen kann. Entweder steckt man im Dienstplan eines Orchesters oder wird von einem Ensemble zur Zusammenarbeit eingeladen. Man entscheidet gar nicht mehr selbst über das eigene Leben. Und ich hatte schon immer zu viel eigene Musik und Ideen im Kopf. Ich habe ständig überlegt, wie man noch mehr aus einer einzelnen Geige machen kann und wollte einen Weg ebnen hin zur Verselbstständigung und Emanzipation eines kleines Quietsch-Instrumentes.

Du bist gebürtige Polin, hast klassische Musik studiert und spielst zum Beispiel mit der Philharmonie Leipzig zusammen. Was hat Dich nach Leipzig gezogen? Und wie arbeitet es sich von hier aus für Dich?

Ich bin wegen dem Geigen-Professor Roland Baldini an die Hochschule für Musik und Theater (HMT) Leipzig gekommen und habe hier mein Bachelor und mein Masterstudium in klassischer Violine abgeschlossen. Ich habe währenddessen viele inspirierende Menschen getroffen und viele verschiedene Projekte begleitet. Mit der Philharmonie Leipzig habe ich die verrücktesten Orchesterreisen gemacht, unter anderem nach China und nach Eritrea. Diesen Winter haben wir uns noch einmal neu kennengelernt und haben zusammen mein erstes großes Werk uraufgeführt, eine Hommage an Beethoven. Leipzig hat mir, auch in der Corona-Zeit, immer wieder spannende neue Aufgaben gestellt und ich denke, dass ich hier noch lange bleiben werde. Ich fühle mich mittlerweile wie Zuhause.

Der Leipziger Musiker und Schriftsteller Uwe Schimunek erzählte mir, dass du auch noch bei der Balkan-Folk-Band „Herje Mine“ mitspielst - die zwei Seiten der Izabela Kałduńska. Gibt es auch noch andere künstlerische Ausdrucksweisen von Dir? Fotografie? Malerei? Poesie?

Tatsächlich wollte ich im letzten Jahr Fotografien ausstellen - dann kam aber Corona und das Projekt ist ins Wasser gefallen. Vielleicht gibt es bald eine neue Gelegenheit. Poesie gibt es auch, eine volle Schublade. Ich denke aber, dass sie dort noch eine Weile bleibt. Mein Leben dreht sich jedoch um die Musik. Ich habe noch zwei Herzensprojekte, die ich angehen möchte. Die Zusammenarbeit mit dem freien Improvisation-Trio LIS und dem Party-Tanzmusik Duo Ichor. Mein Geld verdiene ich aber hauptsächlich mit Unterricht. Ein nochmal anderes Gesicht von mir: Lehrerin.

Wenn ich durchs Musikfernsehen zappe, kommt Musik, wie du sie praktizierst, nie zur Aufführung. Ich könnte mir deine Musik eher bei arte oder 3sat vorstellen. Wer ist Dein Publikum? Für wen machst Du Musik?

„The New Solarism“ hat noch gar nicht so viel Publikum. Bis jetzt waren es hauptsächlich meine Freunde und Freunde von Freunden. Die Musik mache ich aber vor allem für mich. Eine Art Vergewisserung, dass ich überhaupt existiere. Es ist ein Soloprojekt und ich kann alles genau so machen wie ich fühle und wie ich es will. Mein Plan und Ziel mit „The New Solarism“ war und ist es immer noch, Schlaf- und Liegekonzerte an ungewöhnlichen Orten zu veranstalten.

„Discopath“, der dritte Song auf deinem Album, lässt träumen. Ein Glas Rotwein und ganz viel Weite. Dabei ist der Song sehr zerbrechlich. Bei „Sleep Paralysis“ gibt es auch Worte, ein Flüstern – fast wie in Leonard Cohens „You want it darker“. Wie viel Heimat trägst du in deine Musik?

In „Sleep Paralysis“ verwende ich tatsächlich ein traditionelles polnisches Schlaflied, das mir meine Mama in der Kindheit vorgesungen hat. Ich habe viele Jahre mit Schlafparalysen gekämpft und irgendwann dachte ich, dass ich mich vielleicht an die Zeit erinnern sollte, als ich noch gut schlafen konnte. Bei anderen Stücken flüstere ich immer wieder gern polnische Wörter, weil es schön klingt und dem Zuhörer einen Raum für Interpretation lässt. Ich hoffe, dass in meiner Musik immer das Baltische Meer klingeln wird - egal, wo auf der Erde ich lande.

 

Hier geht es zur Musik von Izabela Kałduńska:

The New Solarism auf DRAN – inklusive Video „Better Summer"

 

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