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Sportpsychologin Katja Kramarczyk im Interview

„Sportler sind kreativ mit der Krise umgegangen“

Katja Kramarczyk hat während ihrer 18-jährigen Leistungssportkarriere im Handball an nationalen und internationalen Wettkämpfen teilgenommen. Mittlerweile hat die Leipzigerin die Seite gewechselt: Sie gibt als Masterstudentin der Angewandten Sportpsychologie ihre Erfahrungen in der sportpsychologischen Betreuung und im Coaching weiter.

Katja Kramarczyk unter blauem Himmel mit einer grau-braunen Weste mit bunten Pflanzen aufdrucken
Katja Kramarczyk ist auch leitende Verbandspsychologin des deutschen Handballbundes © Anita Waszlewski

Frau Kramarczyk, die Corona-bedingte „Auszeit“ war auch für Spitzensportler eine Herausforderung. Welche Reaktionen haben Sie erlebt?

Kramarczyk: Niemand war auf einen Lockdown vorbereitet und so stellte sich nach dem anfänglichen Schock die Frage: Wie geht es weiter? Diese Situation führte zunächst bei vielen zu Frust und Orientierungslosigkeit. Der darauffolgende Umgang mit der Krise ist sehr individuell zu betrachten. Sportler, die zum Beispiel in der Vorbereitung auf die Olympischen Sommerspiele standen, traf die Verschiebung auf 2021 brutal.Die jahrelange Trainings- und Wettkampfplanung sowie die hineingesteckte Energie und Disziplin landeten gefühlt im Müll. Es mussten neuen Pläne erstellt werden. Für einige Sportler ist das weniger problematisch – bei anderen ist die finanzielle Existenz bedroht oder das Karriereende war bereits geplant. Wiederum andere Sportler erhielten zum ersten Mal nach Jahren die Chance auf Entschleunigung und konnten sich erholen. 

Nun läuft der Sport wieder an. Ist die Motivation sofort wieder bei 100 Prozent?

Kramarczyk: Motivation ist eine entscheidende Größe für das Verhalten und somit für die Leistung. Zugleich ist Motivation ein aktueller Zustand, der einen Anreiz benötigt. Dieser sollte nicht auf Knopfdruck erwartet werden. Die Motivation hängt auch von den eigenen Zielen und den wahr- genommenen Ressourcen ab. Wenn diese entfallen, benötigen wir neue Ziele beziehungsweise Handlungspläne. Mir ist aufgefallen, dass viele Sportler nach dem ersten Schock kreativ mit den Bedingungen umgegangen sind und sich eigene Wettkämpfe kreiert haben: So gab es in vielen Teams Challenges Trainer vs. Sportler, zum Beispiel bei der DHfK-Handball-Jugend. Oder nehmen wir Jan Frodeno, der einen Ironman zu Hause absolviert hat.

Apropos Ziele: Wenn diese aufgrund ausfallender Wettkämpfe oder eines eingestellten Ligabetriebs wegbrechen – wie kann der Sportler das kompensieren?

Kramarczyk: Man muss zwischen verschiedenen Zielarten unterscheiden: Es gibt Ergebnisziele (Tabellenplatz x), Leistungsziele (die Bestzeit steigern) und Prozess- bzw. Handlungsziele (wie verbessere ich meinen Wurf?). Der professionelle Sport zeichnet sich durch Wettkämpfe aus und dadurch, zu diesem Zeitpunkt x seine Leistung abzurufen. Finden keine Wettkämpfe statt, sollte der Fokus auf Leistungszielen, vor allem aber auf Handlungszielen liegen, da diese den Fortschritt erkennbar machen und meist selbst kontrollierbar sind. Beispielsweise kann sich der Sportler die Frage stellen, an welchem Faktor seiner Leistungsfähigkeit er noch arbeiten muss und möchte. [kaj]

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