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  • Leipzig engagiert sich
Klett Kinderbuch Verlag

Purer Realismus statt Prinzessinnen-Kitsch

Monika Osberghaus leitet seit 2008 in Leipzig den Klett Kinderbuch Verlag, der sich durch seine frechen und ungewöhnlichen Themen einen Namen gemacht hat. Engagement für eine bessere Gesellschaft funktioniert hier ohne Belehrungseifer.

Klett Kinderbuch Verlag
Monika Osberghaus vom Klett Kinderbuch Verlag in Leipzig © Pamela Parche

Eine hübsche Gründerzeit-Villa in der Südvorstadt. Unter einem Walnussbaum stehen zwei Stühle, wenige Meter daneben liegt ein Kater im Gras, die Sonne blinzelt durch die Wolken. Es ist eine fast poetische Szene, in der Monika Osberghaus, Verlegerin und Autorin des Klett Kinderbuch Verlags, zum Interview lädt. Doch um Poesie geht es bei der Arbeit der Wahl-Leipzigerin gar nicht, der 2008 gegründete Verlag bringt Bilderbücher, Sachbücher und erzählende Kinderliteratur heraus. Tod, Sexualität, Körperbilder, Krankheit, Behin - derung, Fremdsein und Tierwohl: Das Alleinstellungsmerkmal von Klett ist die unorthodoxe Themenpalette fern vom Mainstream. „Die Bücher sollen die echte Lebenswelt der Kinder darstellen“, sagt Osberghaus. „Dazu gehören auch Themen, die Angst machen. Denn für die interessieren sich die Kinder ja auch, obwohl mache Erwachsene sie für zu heikel halten und sie gerne von ihnen fernhalten würden.“ Prinzessinnen-Bücher gebe es schon genug, betont die Verlegerin.

Nische gefunden und besetzt

Der Klassiker „Alles Familie“ hat bei der Veröffentlichung 2010 die erste Regenbogenfamilie in einem deutschen Kinderbuch gezeigt. Das kürzlich erschienene „Wie krank ist das DAS denn?“ erklärt von der Pest über die Kinderlähmung bis zu Corona die gruseligsten Krankheiten. Mit diesem puren Realismus hat der Verlag von Anfang an eine Nische besetzt. Die Veröffentlichungen vereinen den Boulevard, das Derbe und Überraschende, aber sie vermitteln oft auch Haltung. Die ließe sich vielleicht so zusammenfassen: Seid lieb zueinander und respektiert euer Gegenüber – Mensch, Tier und Umwelt. Diese Grundeinstellung wird jedoch nicht mit einem Belehrungseifer vermittelt. Sondern eher beiläufig, auf eine oft kluge und witzige Weise. „Wir würden zum Beispiel niemals auf den Zug der Umwelt-Bücher, ich nenne sie Greta-Bücher, aufspringen“, sagt Osberghaus. „Auch wenn das Thema sehr wichtig ist.“

Richtiger Quatsch darf nicht fehlen

Bei Klett Kinderbuch gehen Engagement und Aufklärung anders. Ein Beispiel: Im August erscheint „Die besten Weltuntergänge“. Darin werden verschieden Szenarien beschrieben und illustriert, wohin sich die Welt in Zukunft entwickeln könnte. Die Kinder können selbstverständlich erkennen, dass der Mensch gerade dabei ist, den Planeten vor die Wand zu fahren. Aber ihnen wird diese Tatsache nicht unter vermeintlich pädagogisch korrekten Aspekten eingetrichtert. Als Monika Osberghaus, damals als Kritikerin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung tätig, vor vielen Jahren gefragt wurde, ob sie Lust habe, einen Kinderbuch-Verlag aufzubauen, hat sie sich die Aufgabe zunächst gar nicht zugetraut. Sie zögerte. Schließlich wagte sie den Schritt in den Osten. Heute ist sie eine erfolgreiche Verlegerin mit einem Arbeitsplatz inklusive Garten, Walnussbaum und Kater. Das ist zwar keine Kindergeschichte, aber allemal eine schöne Erfolgsgeschichte.

Beschmeißen Sie ihre Kinder mit Büchern. Monika Osberghaus

3 Fragen an Monika Osberghaus

Warum ist Lesen wichtig?

Osberghaus: Weil es die Fantasie viel mehr als jede andere Art von Geschichtenerzählen beflügelt. Wenn ich lese, mache ich meinen eigenen Film, meine eigene Hörspur im Kopf. Das bildet meine Gefühle, meine Empathie, meine Fantasiefähigkeit ganz anders aus. Ich bin überzeugt: Ein Kind, das liest, kann mehr. Daher mein Rat: Beschmeißen Sie ihre Kinder immer mit Büchern.

Ihre Lieblingsbücher als Kind?

Osberghaus: Alles von Astrid Lindgren und „Die Indianergeschichte“ von Gerhart Drabsch.

Wenn Sie nur ein Buch empfehlen müssten, welches wäre das?

Osberghaus:Die Mumins von Tove Jansson, eine leider etwas vergessene Zeitgenossin von Astrid Lindgren. Das ist ein phantastischer Stoff, aber so wie sie das schreibt, hat es ganz viel mit unserem Leben zu tun. Jansson vereint unheimlichen Tiefgang, Witz und Spannung. In unserem Haushalt wurden die Mumins rauf und runter gelesen.

Klett Kinderbuch Verlag – eine Leipziger Erfolgsgeschichte

  • Gründung 2008 in Leipzig als Ableger des Stuttgarter Klett-Konzerns
  • seit 2015 eigenständiger Verlag
  • pro Halbjahr entstehen 7 bis 10 neue Titel
  • Zielgruppe: Kinder zwischen 2 und 12 Jahren und ihre Eltern
  • Neuveröffentlichungen im August (Auswahl): „Regenbogentage“ und „Die besten Weltuntergänge“

Klett Kinderbuch Verlag GmbH
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