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Sozio-Kulturelles Zentrum Anker

Ohne das Haus wär's still im Leipziger Norden

Die einen reden sich die Sorgen von ihrer Kinderseele. Andere erledigen ihre Hausaufgaben. In den Kursen kann man töpfern, tanzen, nähen lernen. Im Saal gibt’s tolle Konzerte. Der ANKER ist der einzige Treff im Leipziger Norden. Heike Engel seit 1993 die Chefin.

Töpferkurs mit Christiane Schlegel
Bei Christiane Schlegel lernen die Kinder, wie aus Lehm und an der Töpferscheibe Tolles entsteht © Anker

Als ich anfing, gab es schon ein paar Kurse. Nach und nach haben wir das Angebot erweitert. Längst sind wir nicht mehr nur ein Kinder- und Jugendzentrum, sondern haben auch Kurse für Senioren. Manchmal generationsübergreifend wie beim Töpfern“, sagt Heike Engel. Dann sitzt die Oma mit ihrer Enkelin an der Scheibe. Ob Tanzen, Klavier, Modellbau oder Theaterspielen – die Kurse sind voll. Meist mit Kindern aus der gesamten Stadt. Oft Gymnasiasten, weiß die Chefin. Anders sieht es im offenen Freizeittreff aus. Vor allem die Kinder und Jugendlichen aus Möckern und Wahren kommen hierher. Sie spielen Dart, zocken an der Playstation. „Vor allem Benachteiligte kommen zu uns, denn anders als die Kurse ist der offene Treff kostenlos. Manche brauchen einen Ort, wo sie hin können. Wenn sie anfangen zu erzählen, erfährt man schlimme Schicksale“, erzählt Heike Engel. Drogen seien zum Glück kaum ein Thema, dafür Alkohol und exzessive Partys, vor allem an Wochenenden. Dazu kommen Fälle von Vernachlässigung. Manchmal muss sogar das Jugendamt eingeschaltet werden. „Das sind nur einzelne Fälle. Aber es ist gut, dass wir da sind. Für manches Kind sind wir das zweite Zuhause“, so die Chefin.

Offenes Haus für Jung und Alt

Neben den emotional aufwühlenden Stunden gibt es auch Events, die Heike Engel besonders genießt – die Konzerte im Saal. Einige Künstler hatten ihr erstes Konzert im ANKER: Renft 1962, „Wir sind Helden“ oder Jennifer Rostock. Kaum vorstellbar, aber auch die ganz Großen waren schon hier. Rammstein 1995, Alphaville, Reamonn, Eric Burdon, Roger Chapman, Sportfreunde Stiller, die Söhne Mannheims, Purple Schulz. Ihr schönstes Konzert? Peter Heppner, kommt da sofort. Der ANKER ist auch ein Haus voller Geschichte. Eröffnet 1873 als Ball‒ und Konzerthaus war er DER Anlaufpunkt für Vergnügungen. Später wurde das Haus immer wieder um- und ausgebaut. 2003 war Schluss. Der Brandschutz forderte die erste Schließung. Nach einem halben Jahr war wieder offen, doch eine aufwendige Sanierung dringend notwendig. Die kam von 2014 bis 2018. Zur Eröffnung kam sogar Sachsens Ministerpräsident Michael Kretzschmer vorbei. „Er fühlte sich hier sehr wohl, wir haben viel geredet. Jetzt unterstützt die Staatskanzlei ‚Courage zeigen‘ finanziell“, verrät Heike Engel. Denn bei dem Festival ist der ANKER Mitorganisator, sucht junge Nachwuchsbands und veranstaltet das Konzert „Leipzig zeigt Courage“.

Engagement und Vielfältigkeit

Rund 100.000 Besucher pro Jahr hat das Haus in der Renftstraße (2007, nach dem Tod von Klaus Renft, wurde die Knopstraße am ANKER umbenannt). Die Hälfte in den Kursen und im offenen Treff. Sogar in der Coronazeit hat das Team um Heike Engel gearbeitet. Stolz sagt sie: „Ich musste keinen meiner neun Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Wir waren sehr einfallsreich, haben vieles online angeboten. Hatten ‚Töpfern-to-go‘. Den Lehm und Tipps vom Kursleiter gab’s bei uns, arbeiten und brennen mussten die Kinder zu Hause. Viele Eltern waren dankbar, dass wir die Kinder beschäftigten. Der schlimmste Feind der Jugendlichen ist die Langeweile!“, weiß sie aus Erfahrung. Sobald wieder geöffnet werden durfte, lud sie zu „Kneipe live“ oder zum Theater in den Innenhof. Sie arbeitet gern im ANKER, Berührungspunkte kennt sie nicht. „Wenn’s eng wird, stell ich mich auch selbst an den Zapfhahn“, sagt sie schmunzelnd. Und ihr Team zieht immer mit. Stolz sagt sie: „Wir haben nach Umbau und Sanierung vier neue Häuser, wer kann das schon sagen? Dafür haben wir hart gekämpft. Der Norden ist abgehängt und daher ist es umso wichtiger, dass es den ANKER gibt.“

„Für manches Kind sind wir das zweite Zuhause!"

3 Fragen an ANKER-Chefin Heike Engel

Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Heike Engel: Es ist die Vielfältigkeit im Haus und dass wir für alle Zielgruppen da sind. Wir kämpfen, bemühen uns immer, die Politik mit einzubinden.

Welchen Künstler hättest du gern mal im Haus?

Heike Engel: Gar nicht so einfach, da wir schon so viele nationale und internationale Musiker hier hatten. Mein Traum wär ein Konzert mit Tracy Chapman.

Wie sieht für dich die Zukunft des ANKERs aus?

Heike Engel: Ich hätte gern noch eine Etage oben aufgesetzt. Schon jetzt reichen die Räume nicht aus. Musiker brauchen einen Probenraum, Grafiker ein Atelier und Vereine einen Ort zum Treffen.

Mehr Infos unter
www.anker-leipzig.de

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