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Bewegungsmangel bei Kindern

„Mit 13 Jahren 220 Kilogramm schwer“

Der Leipziger Mediziner Prof. Wieland Kieß von der Uniklinik forscht seit Jahren zu den Themen Bewegungsmangel, Übergewicht und Adipositas bei Kindern. Im Interview appelliert er an die Eltern.

„Wir müssen den Kindern Angebote machen, das ist unserer Aufgabe als Erwachsene!”, sagt Professor Kieß
„Wir müssen den Kindern Angebote machen, das ist unserer Aufgabe als Erwachsene!”, sagt Professor Kieß © World Obesity

Herr Prof. Kieß, welche guten Vorsätze zum neuen Jahr sollten Eltern fassen, um Übergewicht bei Kindern zu vermeiden?
Prof. Dr. Wieland Kieß: Das ist ganz simpel: Man muss Bewegung fördern – mit den Kindern rausgehen, mit ihnen rumtoben, tägliche Bewegung im Alltag. Das können auch ganz banale Sachen sein: Ich weiß beispielsweise gar nicht, wie die Aufzüge bei uns in der Uniklinik von innen aussehen. Ich nehme die Treppe, auch in den vierten Stock.

In den Lockdowns wurde den Kindern die Bewegung abgedreht. Prof. Wieland Kieß

Sie forschen seit Jahren zum Thema. Welche Entwicklungen beobachten Sie?
Kieß: Daten aus unserer Langzeitstudie ab 2011 mit knapp 1.500 Zehn- bis 18-Jährigen zeigen, dass die Bildschirmnutzung dramatisch steigt, während die Zeit im Freien und Bewegung abnehmen. Vor allem soziale Begegnungen in Chor-, Orchester- und Tanzgruppen werden immer weniger. Das bereitet mir Sorge, weil diese Kompetenzen später schwer aufzuholen sind.

Und Sport?
Kieß: Sport hingegen ist vor allem in jenen Gesellschaftsgruppen unterrepräsentiert, die bildungsferner und einkommensschwächer sind. Das betrifft konkret die Kinder, denen es eh nicht so gut geht.

Welchen Einfluss hat die Covid-Pandemie?
Kieß: Die Bewegung wurde den Kindern in den Lockdowns richtiggehend abgedreht. Eine erst im November publizierte Studie auf Grundlage der Daten von einer halben Million Kindern zeigt, dass sie seit Beginn der Pandemie über alle Gewichtsklassen hinweg massiv zugenommen haben. Wenn Bewegung wegfällt, sieht man dramatische Konsequenzen.

Wie motiviere ich einen 13-Jährigen zu mehr Bewegung?
Kieß: Das ist die schwierigste Altersgruppe. Ein Extrembeispiel: Meine schwerste Adipositas-Patientin hatte im Alter von 13 Jahren ein Körpergewicht von 220 Kilogramm. Wir müssen früher ansetzen. Kinder müssen Bewegung im Kita-Alter verinnerlichen, dann bewegen sie sich später auch als Jugendliche. Das gilt auch für Ernährung. Meine Lieblingsstudie aus Finnland zeigt: Wer im Alter von drei, vier Jahren gelernt hat, regelmäßig Obst zu essen, tut das auch 50 Jahre später noch. Und den 13-Jährigen müssen wir mit dem Sport locken, der ihm Spaß macht; das kann auch Kampfsport sein. Wir müssen Angebote machen, das ist unserer Aufgabe als Erwachsene!

Mehr Infos unter
www.ifb-adipositas.de

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