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Von Tradition bis Aufschwung

Leipzigs Pläne für den Sport

Angetrieben von Olympiabewerbung, WM 2006 sowie den Motoren RB Leipzig und SC DHfK hat sich Leipzig innerhalb von 20 Jahren das Label Sportstadt zurückerobert – auch ein Erfolg der städtischen Sportpolitik. Doch die ehrgeizigen Macher streben nach mehr.

Besondere Begeisterung für Spitzensport: leipziger Handballfans des SC DHfK feiern auch mit Maske euphorisch © Karsten Mann/SC DHfK

Dieses „Leibsisch“ war im Juli in Lissabon immer wieder Gesprächsthema. Bei den betagten Einwohnern, die in den engen Gassen der Altstadt Alfama vor ihren Häusern saßen und einen Morgenplausch hielten ebenso wie in Cafés und bei den Taxifahrern. Doch nicht nur in Lisboa und Leipzig wurde Rasenballsports-Halbfinal-Coup beim Finalturnier der Champions League wahrgenommen. Allein über seine Social-Media-Kanäle erreichte RB während des Turniers über 35 Millionen Menschen. Insgesamt über eine Milliarde verfolgte das Ereignis weltweit am TV.

„Der Bekanntheitsgrad der Stadt wurde vor allem durch den internationalen Fußball von RB Leipzig noch einmal gesteigert“, sagt Sport-Bürgermeister Heiko Rosenthal. „Das trägt dazu bei, dass Leipzig als Sportstadt wieder ebenso wahrgenommen wird wie als Messestadt, Kulturstadt und Universitätsstadt.“

Weckruf für die Sportstadt

Es liegt noch nicht einmal 20 Jahre zurück, da lag die einst und nun wieder so stolze Sport- und Fußballstadt darnieder. „Der Tiefpunkt in der Entwicklung unserer Sportstadt nach 1990 war die Zeit vor der Olympia-bewerbung“, erinnert sich Rosenthal. Die Begeisterung und die enorme Zustimmung für die Leipziger Bewerbung für die Spiele 2012 seien „wie ein Weckruf für die Leipziger“ gewesen. Ebenso der Neubau des Zentral- stadions und die WM 2006.

Der Tenor war laut Rosenthal: „Wir müssen uns für die Leistungssport-Vergangenheit in der DDR, die ausschließlich mit dem Thema Doping in Verbindung gebracht wurde, nicht mehr schämen.“ Die Bevölkerung habe wieder „befreiter mit dem Label Sportstadt umgehen“ können, sagt der Linken-Politiker: „Heute leben die Leipziger die Marke Sportstadt wieder mit breiter Brust.“ Dazu hat auch die Stadtpolitik beigetragen. Mit dem Sportprogramm 2024 arbeitet Leipzig mit einem Acht-Jahres-Plan zielgerichtet und langfristig an der Entwicklung des lokalen Sports. Leipzig gehöre durch die vielfältigen Entwicklungen mittlerweile wieder zu den führenden Sportstädten hierzulande, betont Rosenthal.

Doch was macht Leipzig neben dem Spitzensport mit sechs Bundesligasportarten – neben RB Leipzig und den DHfK-Handballern, Judo, Floorball, Schwimmen sowie Rugby – als Sportstadt eigentlich aus? Wie füllen die Protagonisten dieses selbst erteilte Siegel – eine offizielle, deutschlandweite Sportstadt-Marke gibt es nicht – mit Leben? Für Leipzig zeichnet die Olympiasport Leipzig GmbH für die „Sportstadt Leipzig“ verantwortlich. Unter dem Markendach haben sieben Leipziger Sportvereine, die Athleten zu nationalen und internationalen Wettkämpfen bzw. Olympischen Spielen entsenden, eine gemeinsame Vermarktung vereinbart. Um den Athleten und ihren Sportarten starke Plattformen zu bieten, organisiert die Olympiasport Leipzig GmbH Events und realisiert Marketingkampagnen und imagefördernde Maßnahmen.

Einzigartiges Sportensemble

Und welche Potenziale hat der Leipziger Sport noch? Darüber kann Jan Benzien gut Auskunft geben. Der ehemalige Weltklasse-Kanute hat als zweimaliger Olympia-Teilnehmer und Weltmeister einerseits den olympischen Sport und die Leipziger Sport- gesellschaft bestens im Blick. Andererseits ist er seit 2014 Geschäftsführer des Stadthafens, wo er als Unternehmer Wassertourismus anbietet.

Wenn Benzien mit seinen Gästen ablegt, ist er selbst immer wieder über die geballte Sportpräsenz auf einem Kilometer entlang des Wassers erstaunt: Sportgymnasium mit Internat, Sportfakultät, Olympiastützpunkt, Institut für angewandte Trainingswissenschaft (IAT), Red- Bull-Arena und RB-Akademie, der größte sächsische Verein SC DHf K sowie Landes- und Stadtsportbund und das Amt für Sport befinden sich auf engstem Raum. Ein Ensemble, das nur wenige Sportstädte bieten können.

Ich bin damals mit 16 Jahren nach Leipzig gewechselt, weil die ganze Sportinfrastruktur hier so genial ist.“

Der gebürtige Gießener Benzien sagt: „Ich bin damals mit 16 Jahren nach Leipzig gewechselt, weil die ganze Sportinfrastruktur hier so genial ist. Das ist der Riesenvorteil in Leipzig, den wir noch mehr nutzen müssen.” Der 38-Jährige hat als ehemaliger Leistungssportler stets auch Reserven im Blick und kritisiert: „Die großen Leipziger Sport-Institutionen, die Athleten und die Wirtschaft müssen wieder lernen, sich besser zu vernetzen.“ So ließen sich sowohl sportlich als auch hinsichtlich Vermarktung und Medienpräsenz noch viel mehr Vorteile für die Leipziger Sportler generieren.

Vorbild ist für Benzien dabei Karsten Günther. Der Manager von Handball-Erstligist DHfK hat 2007 begonnen, den Traditionsstandort wieder zum Leben zu erwecken und hat – ohne Investor, sondern mit Geldgebern aus der Region – einen ähnlich märchenhaften Aufstieg wie Rasenballsport hingelegt. Keine zehn Jahre nach dem Aufstieg in die 3. Liga peilt der Klub die erste Europapokal-Teilnahme an. „Leipzig bietet mit seiner wachsenden Einwohnerzahl und Wirtschaft viele Entwicklungschancen für alle, aber insbesondere auch für den Sport“, sagt Günther. „Mit einem guten Konzept, Vertrauen, Transparenz, Emotionalität und viel Engagement kann man in Leipzig sehr weit kommen.“ Auch, weil die Leipziger aufgrund der großen Historie außergewöhnlich begeisterungsfähig für Spitzensport sind.

Noch können wir nicht alle PS nutzen, die der Sportmotor Leipzig hat.“

Mehr Power für den Sport

Doch auch der DHfK-„Macher“ sieht noch Luft nach oben. „Wir wünschen uns von der Stadt noch mehr Fokus und Power für den Sport in Leipzig – finanziell, personell und auch bei der Priorisierung von Projekten. Noch können wir bei Weitem nicht alle PS nutzen, die der Sportmotor in Leipzig hat.“ Etwa bei Bauvorhaben brauche man „direkteren Austausch sowie mehr Flexibilität und Dringlichkeit seitens der Verwaltung“, so Günther.

Die Leipziger leben die Marke Sportstadt wieder mit breiter Brust.“

Auch Bürgermeister Rosenthal ruht sich keineswegs auf dem Status quo aus. „Wir haben als Sportstadt noch Potenzial, vor allem, was die Investitionen in die Sportstätten der Vereine angeht“, sagt er. Die Zustände in den großen Stadien wie dem Bruno-Plache-Stadion oder dem Stadion des Friedens bezeichnet er ebenso wie die der Sportstätten- Infrastruktur generell als „teilweise bedenklich“. Zufrieden ist Rosenthal etwa mit der Entwicklung von Sportflächen für Funsport. „Die Qualität von Freizeitsport-Möglichkeiten hat sich in den letzten Jahren verbessert – noch nicht überall, aber punktuell“, sagt er. Ein Projekt in der Größenordnung des Bike- und Skateparks Grünau mit einer Investition in Höhe von 1,4 Millionen Euro habe es zuvor noch nie gegeben. „Da haben wir neue Prioritäten gesetzt“, sagt Rosenthal. 

100-Millionen-Euro-Projekt

Noch ungleich teurer werden die nächsten geplanten Bauvorhaben. Der Sportdezernent peilt den Bau zweier neuer Schwimmhallen sowie einer Multifunktionssporthalle an, die etwa 100 Millionen Euro kosten und den Vereinen völlig neue Möglichkeiten eröffnen würde. Stadt und Land arbeiten derzeit an der Beantragung von Fördergeldern des Bundes. Eine tolle Perspektive und Grund- lage dafür, dass die Sportstadt Leipzig künftig mit noch mehr Schwung auftreten kann. Und ein Invest, das sich lohnt.

Laut einer aktuellen Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitutes (HWWI) werden in der 1,9- Millionen-Einwohner-Metropole Hamburg pro Jahr rund 1,13 Milliarden Euro an Wertschöpfung durch den Sport generiert. Die Gesundheits- und Produktivitätseffekte des Sports beziffert das HWWI sogar mit rund 1,3 Milliarden Euro jährlich. Herun- tergebrochen bedeutet das auch für die Sportstadt Leipzig viele hundert Millionen Euro volkswirtschaftli- chen Profit durch den Sport.

Edelmetalle sind das Ziel

Pläne für Tokio 2021

Am Standort Leipzig des Olympiastützpunktes (OSP) Sachsen werden sieben Disziplinen in Bundesstützpunkten gefördert: Fechten, Kanu-Rennsport, Kanu-Slalom, Leichtathletik, Judo, Ringen und Wasserspringen. Nach der landesweiten Reduzierung der Kaderathleten im Zuge der Sportreform des Bundes plant der neue Leiter Stefan Sadlau mit etwa sechs bis maximal zehn Leipziger Teilnehmern für Tokio 2021; in den vergan- genen Jahren waren es stets um die 15 Starter bei den Spielen gewesen. Mindestens dreimal Edelmetall soll herausspringen. „Wir hoffen, dass wir ein Podium voll Medaillen – also mindestens drei – nach Leipzig holen. Das muss der Anspruch sein“, betont Sadlau. Die Unterstützung durch die Stadt beschreibt er als „energisch“: „Das tut dem OSP gut. Ohne das Bekenntnis der Kommune ist das Projekt Olympiamedaillen nicht stemmbar.“

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