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Kolumne

„Lasst bitte die Hände am Kinderwagen!“

Henri Schmidt
Der Leipziger Henri Schmidt ist Mitglied der Band Die Prinzen. Sein erstes Fußballspiel sah er im Alfred-Kunze-Sportpark. © Henri Schmidt (privat)

Der einzige Sport, den ich selber noch aktiv und regelmäßig betreibe, ist Radfahren. Die vielumschriebene Bewegung an der frischen Luft, die Mittfünfzigern mit Übergewicht und anderen Luxusproblemchen eben so empfohlen wird. Viel mehr Möglichkeiten gibt es da auch nicht, wenn man Schwimmhallen und Fitnesscenter meidet. Früher war ich noch regelmäßig Zuschauer beim Fußball auf allen möglichen Plätzen und auch in großen Stadien. Da durfte man laut Stadionordnung sein Gesicht nicht verdecken. Geschichte.

Manchmal schaue ich noch ein Spiel im Fernsehen, aber auch nicht oft. Wenn die Spiele langweilig sind, konzentriere ich mich auf die Bandenwerbung. „Schatz“, rufe ich dann in die Küche, „wusstest du schon, dass es einen neuen Multivan gibt?“ „Nein“, erwidert die Allerschönste. „Brauchen wir denn einen?“, ruft sie neugierig zurück. „Nein, haben wir noch nie gebraucht“, erinnere ich sie. Das sind dann Spiele und Gespräche, die niemand braucht.

Beim Radfahren selber kann man einige interessante Studien betreiben. Das hilft auch, um vom eigenen Dilemma der Durchschnittsgeschwindigkeit und Trittfrequenz abzulenken. Fußgänger sieht man beispielsweise fast nie ohne Smartphone. Ausnahmen sind Leute mit einem Rollator. Die haben alle Hände voll zu tun. Aber die nachwachsende Generation kommt anscheindend ohne Smartphone nur noch schlecht bis gar nicht zurecht. Das kann sehr gefährlich sein! Wenn man zum Beispiel fällt und sich nicht mit beiden Händen abfangen kann. Die Augen fast permanent auf das bunte Viereck zu richten, ist auch so schon gefährlich genug. Zusammenstöße jeglicher Art sind vorprogrammiert. Geschickte Inlineskater tippen bei 30 km/h Nachrichten. Das sieht echt cool aus. Der Sinn solcher Disziplinen blieb mir bisher allerdings verborgen. Richtig gefährlich kann es bei der Königsdisziplin werden: Kinderwagenschieben ohne Hände! In der linken Hand die Zigarette, rechts das Handy, dabei Sprachnachrichten einsprechen, wobei die Augen dann noch auf das Heiligtum gerichtet sind. Und damit meine ich nicht das Kind …

Ihr Lieben! Lasst bitte die Hände am Kinderwagen! Nicht alle Radler kommen so gemütlich und aufmerksam daher wie ich. Manch einer fährt E-Bike, mit Unterstützung sehr schnell, und hat trotzdem noch mit seinem Mobilgerät zu tun!

In diesem Sinne verbleibt mit sportlichen Grüßen
Henri Schmidt

Der Leipziger Henri Schmidt ist Mitglied der Band Die Prinzen. Sein erstes Fußballspiel sah er im Alfred-Kunze-Sportpark.

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