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Spieltraining dreimal pro Woche

„Irgendwann möchte ich bei den Paralympics spielen“

Leipzig gehört zu den Kaderschmieden für Goalballer in Deutschland. Daran hätte vor Jahren keiner gedacht, denn Goalball war zunächst nur Schulsport an der Förderschule für Blinde und Sehschwache „Wladimir Filatow“ in Leipzig Grünau. Inzwischen werden immer mal wieder Leipziger Goalballer ins Nationalteam berufen. Neuerdings gehört auch Chien Nguyen Huu dazu.

Die Goalballer von L.E. Sport
Die Goalballer von L.E. Sport aus Grünau um ihren Center-Spieler Chien Nguyen Huu (2. v. r.) – sie gehören zu den besten Goalball-Teams Deutschlands © Holger Eckhardt

Als Chien an diesem Tag in die Sporthalle der Wladimir-Filatow-Schule zum Training kommt, wird er überaus herzlich von seinen Mitspielern und Mitspielerinnen begrüßt. Man klopft ihm auf die Schulter, hilft ihm, seine Position vor dem neun Meter breiten Tor einzunehmen. Der 17-Jährige ist beliebt. Als Mensch, weil er bescheiden ist, und als Sportler, weil er sich in der Mannschaft zum Stammcenter entwickelt hat.

Holger Eckardt, einer seiner Trainer, sagt über ihn: „Er ist sehr reaktionsschnell, antizipiert gut, hört ganz genau, wo der Klingelball ist. Und er führt mehr und mehr sein Team an. Früher war er stiller, jetzt sind seine Ansagen während des Spiels bestimmter.“

Kein Sprücheklopfer

Chien Nguyen Huu ist außerhalb des Spielfeldes eher still. Nach seinen Stärken gefragt, sagt er: „Ich lobe mich nicht gern. Aber ich denke, dass ich sehr beweglich bin, ich bin klein und flink und sehr ausdauernd.“ Chien war nicht nicht immer blind. Als er zehn Jahre war, musste er zu einer Augenoperation. Danach konnte er nichts mehr sehen.

Seine Eltern, die mit ihm, als er vier Monate war, von Vietnam nach Deutschland zogen, hätten ihm in dieser für ihn schweren Zeit unglaublich geholfen. Auch die Lehrer und Mitschüler in seiner neuen Schule hätten ihm immer wieder Mut gemacht. Die Schule, in die Chien ab der zweiten Klasse wechselte, ist die Förderschule für Blinde und Sehschwache in Leipzig-Grünau „Waldimir Filatow“.

Hier hat er sein erstes Goalballtraining besucht. An einem Donnerstag war das, erinnert sich Chien, kurz nachdem er in diese Schule wechselte. Und seitdem hat ihn dieser Sport nicht mehr losgelassen.

Alle Spieler sind gleich bei diesem Sport. Alle haben Dunkelbrillen auf, keiner sieht etwas. Alle haben die gleichen Voraussetzungen. Chien Nguyen Huu

Sehr intensives Spiel

Jeweils drei Spieler gehören beim Goalball zu einer Mannschaft. Auf nationaler Ebene dürfen pro Mannschaft zwei Sehende mitspielen. Aber auch diese müssen Dunkelbrillen aufsetzen, sehen während des Spiels also auch nichts. Gespielt wird auf einem 18 Meter langen und neun Meter breiten Feld.

Der Spielball wird auch Klingelball genannt, weil in ihm Glöckchen sind, der Ball somit zu hören ist. Ziel ist es, Tore zu werfen. Der Ball ist 1.250 Gramm schwer. Eine Halbzeit dauert zwölf Minuten. Wer meint, das sei wenig und nicht anstrengend, der irrt. „Man hat im Schnitt 100 Würfe und muss im Gegenzug circa 100 Würfe blocken. Dazu kommt der Ball mit ungefähr 80 km/h an. Da muss man schon gut hören, sich gut orientieren und schnell reagieren können“, sagt Chien.

„Beim Goalball wird der Ball ja meist schnell gerollt und weniger geworfen. Ich bin beim Werfen nicht so stark. Meine Stärken sind das Verteidigen, ich kann den Ball gut blocken, ich spiele auch am liebsten mittig, also fast ein wenig wie ein Torwart beim Fußball.“

Damit er während des intensiven Spiels nicht schlappmacht, wurde bei ihm zu Hause ein Fitnessraum eingerichtet. Dort trainiert er Kraft und Ausdauer – neben dem dreimaligen Spieltraining pro Woche. Und die Ergebnisse sprechen für Chien, so Trainer Holger Eckhardt: „Er hat sehr gute Kraft- und Schnelligkeitswerte. Dazu ist Chien sehr mutig, er schmeißt sich regelrecht in die Bälle.“

Das große Ziel

Dies wurde auch überregional bemerkt. Denn seit diesem Jahr gehört Chien zum deutschen Goalball-Nationalteam. Das erste Trainingslager mit der Nationalmannschaft in Rostock hat er bereits hinter sich. Mit seinem heimischen Team aus Leipzig, das seit 2013 Bestandteil des L.E. Sport e. V. ist, möchte er in diesem Jahr aus der zweiten in die erste Bundesliga aufsteigen.

Nach dem Weggang des bisherigen Stammcenters Philipp Tauscher, der es in seiner Leipziger Zeit ebenfalls ins Nationalteam geschafft hat, spiele Chien Nguyen Huu bei diesem Ziel eine entscheidende Rolle, so sein Trainer. Und irgendwann möchte Chien auch bei den Paralympischen Spielen antreten. „Das ist mein riesengroßer Traum. Auch, weil die Spiele im Fernsehen übertragen werden. Das ist schon krass, dass man dann Goalballspiele in der ganzen Welt sehen kann.“

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